Das anmutige und scheue Reh ist in verschiedenen Rassen über ganz Europa bis
Zentralasien verbreitet. In Europa ist es der kleinste und häufigste Hirsch, der fast in
allen lichten Laub- und Nadelwäldern, Feld- und Vorgehölzen zu Hause ist. Als
Waldschlüpfer liebt es das dichte Unterholz und nimmt aber auf weiten Anbauflächen sogar
mit Feldbüschen und Getreidefeldern vorlieb. Der Waidmann spricht beim Reh nicht von
einem Geweih, sondern von einem Gehörn oder einer Rehkrone. Das männliche Reh nennt er
Bock, das weibliche Ricke, das junge Reh Kitzbock oder Kitzkalb. Wenn sich im 1.
Lebensjahr zwischen den Ohren des jungen Bockes knopfartige Horngebilde zeigen, heißt er
Knopfspießer. Im 2. Lebensjahr wird er zum Spießbock, im 3. Lebensjahr zum Gabler und
dann zum kapitalen Bock. Bei ihm biegen sich die Stangen knieförmig rückwärts und
bekommen eine vordere Nebensprosse, so dass er praktisch ein Sechsender ist. Eine höhere
Endenzahl erreicht der europäische Rehbock nur ausnahmsweise. Das weibliche Jungreh
heißt bis zum vollendeten 2. Lebensjahr Schmalreh, wird zur Ricke, wenn es das erste Mal
geworfen hat, später zur Rehgeiß und zuletzt zur alten Ricke.Reh Capreolus capreolus
Bewohnt große Teile Europas und Asiens; Länge 130 cm, Schulterhöhe 75 cm, Schwanz 2 cm Gehörn gabelförmig, sechsendig, mit breiten Rosen und starken, schön beperlten Stangen; Fell im Sommer oberseits dunkel rostrot bis rotbraun, unterseits gelblich, im Winter grau bis graubraun, unterseits weiß, beim Kitz gelbbraun bis rötlichbraun mit kleinen, rundlichen, weißen oder gelblichen Flecken, die in Reihen stehen; hat weiße Zeichnungen am Kinn, Unterkiefer und jederseits der Oberlippe, einen leuchtend weißen Spiegel mit aufstellbaren Haaren, weißlichen Innenseiten der Ohren; hin und wieder kommen auch schwarze, gefleckte und fast silberfarbene Tiere vor. Den Tag über steht und liegt das Reh wiederkäuend in schattigen Dickungen und zieht gewöhnlich erst in der abendlichen Dämmerung auf die Wiesen und Felder. Wo es nicht heftig verfolgt wird, zeigt es sich sehr vertraut, tritt dicht an die Gehöfte und Ortschaften sowie an belebte Straßen heran und flüchtet erst, wenn es sich unmittelbar bedroht fühlt. Ohne weiteres wird es auch im kleinsten Gehölz heimisch, das ringsum von weiten Feldern umgeben ist. Im Sommer wechselt es der lästigen Fliegen wegen gern in die Getreidefelder und sauren Riedwiesen mit hohen Gräsern über, wo es nicht selten auch seine Jungen zur Welt bringt. Das junge Schmaltier hat meist nur ein Kitz, die Ricke aber oft auch zwei und manchmal sogar drei Junge. Um in der Nacht, in der Fuchs, Marder, Wiesel und Hermelin unterwegs sind, bei dem in den ersten Lebenstagen noch recht hilfslosen Kitz bleiben zu können, äst die Ricke in dieser Zeit tagsüber. So kommt es, dass wir immer wieder einmal ein Kitz im Wald und auf dem Feld finden, das scheinbar ganz verlassen ist. In Wirklichkeit ist das Muttertier gar nicht weit entfernt. Es ist darum ratsam, das Kitz unberührt liegen zu lassen und sich schnell wieder zu entfernen, um das Jungtier wie die Ricke nicht unnötig zu beunruhigen. Nach rund acht Tagen vermag das Kitz der Ricke zu folgen. Innerhalb ihres Reviers ziehen Mutter und Kind ziemlich unternehmungslustig hin und her und lassen es sich bald hier, bald dort gefallen. Als ausgesprochen leckere Nascher lieben sie zarte Gräser und Blumen, junge Triebe und Blätter, grünes Getreide, würzige Kräuter und saftreiche Baumrinden. Oft findet sich auch ein vorjähriges Kitz zu ihnen. Im Juli und August taucht dann plötzlich auch der Bock wieder auf, der bis dahin einzelgängerisch lebte. Stürmisch wirbt er um die Ricke oder das mit ihr ziehende Schmaltier. Die ihn störenden Kitzen boxt er aus der Gemeinschaft, wie er sich überhaupt in dieser Zeit als ein äußerst reizbarer Herr aufspielt. Mit dem auserkorenen Tier lebt er meist in strenger Einehe, erkämpft sich also keinen Harem wie der Rothirsch. Die Duelle mit anderen Böcken verlaufen als ziemlich harmlose Boxereien. Während des Winters bilden die Ricken mit ihren Kitzen und etlichen Halbwüchsigen kleine Rudel, zu denen sich oft auch noch die minderen Böcke schlagen. Bei den beschlagenen Ricken ruht das befruchtete Ei vom August bis zum Dezember, so dass die Tragzeit insgesamt neuneinhalb Monate beträgt und das Kitz erst im Mai zur Welt kommt. |