Eine spätmittelalterliche Wassermühle an der Thaya in Rabensburg

 

Horst Adler und Helmut Hundsbichler

 

Einleitung

 

Zwischen 1974 und 1980 führte die Abt. f. Bodendenkmalpflege des Bundesdenkmalamtes auf den Parz. 1655 und 1656 der Flur Aulüssen in der KG Bernhardsthal wegen des Baues eines Hochwasser-Schutzdammes entlang der Thaya eine großangelegte Notgrabung durch, um ein germanisches Gehöft aus dem 2. Jh. und der ersten Hälfte des 3. Jhs. zu untersuchen[1]. Im Rahmen dieser Arbeiten konnte überraschenderweise im Südteil des germanischen Siedlungsareals ein römisches Marschlager aus der Zeit der sogenannten Markomannenkriege entdeckt werden, von dem allerdings bloß 100m der Nordfront und 100m der Westfront nachgewiesen werden konnten[2]. Bei Verfolgung des nördlichen Spitzgrabens des römischen Lagers in Richtung Osten stieß man jenseits eines heute nur mehr spärlich wasserführenden Nebenarmes der Thaya, der an dieser Stelle die Grenze zwischen den Katastralgemeinden Bernhardsthal und Rabensburg bildet, im Spätherbst 1978 in Quadrant UU/60, knapp unterhalb des Grundwasserspiegels, auf einen bearbeiteten Holzbalken, dessen Funktion und chronologische Einordnung vorerst unklar blieben[3].

Während der Frühjahrskampagne 1979 wurde die Untersuchung dieses Holzbaues, auf den Parz. 1762 und 1764/2 der KG Rabensburg gelegen (Gem. Rabensburg, BH Mistelbach, Bl. 269 W 113 mm, N 157 mm), durchgeführt (Abb. 1).

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Da aus den Profilen der bereits im Herbst 1978 geöffneten Quadranten UU/59 und UU/60 ersichtlich war, daß Thaya-Schwemmaterial bis an die Oberkante des Holzbaues reichte, wurde das tegelige und sandige, mit Schwemmholz durchsetzte Erdmaterial maschinell bis knapp über dem Holzbau abgetragen. In diesem Zusammenhang muß auf die besonderen Schwierigkeiten bei dieser Untersuchung hingewiesen werden: vor der Untersuchung rnußten einige Bäume entfernt werden[4], sowohl die in einer Aulandschaft übliche natürlir-he Luftfeuchtigkeit und der Gelsenreichtum wie auch das zähe Schwemmaterial stellten an die an dieser Grabungsstelle eingesetzten Arbeiter aus Bernhardsthal und Rabenbsurg große Anforderungen[5], fast der gesamte Bau lag unterhalb des Grundwasserspiegels, so daß während der Arbeiten dauernd das Wasser abgepumpt werden mußte und die Freilegung der einzelnen Holzteile durch fortwährende Einsturzgefahr der Abbauwände nicht gerade begünstigt war (Abb. 2)[6].

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Der freigelegte Bereich wurde in das bei der germanischen Siedlung verwendete Quadrantennetz eingebunden (die Reihen RR-VV und 58-62), alle relevanten Punkte absolut einnivelliert, die einzelnen Holzbalken und -pfosten zum Teil mit Nummern versehen (1-16) und die Stellen, an denen Fundgegenstände geborgen werden konnten, mit Buchstaben versehen (A-J).

Im ersten Teil der Arbeit legt Dr. H. Adler den archäologischen Befund zusammen mit den von Mag. Pharm. K. Vymazal erstellten Holzbestimrnungen und von Dr. H. Felber, Inst. f. Radiumforschung und Kernphysik der Osterr. Akad. d. Wiss., bestimmten Radiokarbondaten[7] sowie das Fundmaterial vor. Der Grundplan der Anlage im Maßstab 1:50 ist am Ende dieses Teiles eingebunden (Abb. 51).

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Im zweiten Teil wertet Dr. H. Hundsbichler, Inst. f. mittelalterliche Realienkunde der Österr. Akad. d. Wiss., den vorgelegten Befund historisch aus und legt eine Zusarnmenfassung der Ergebnisse vor. Gerade für die mittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichte ist die Zusammenarbeit des Archäologen und Historikers unumgänglich notwendig, "produziert" doch die Spatenforschung neue, bisher unbekannte Quellen, kann allein die Historie wegen der ihr mit den Jahrhunderten vermehrt zur Verfügung stehenden schriftlichen und nichtarchäologischen Sachquellen für die Landeskunde bedeutsam Ergebnisse erzielen. " Die Mittelalterarchäologie jedoch ist auf jeden Fall eine Hilfsdisziplin der literalen Geschichtsforschung, speziell der Mediävistik“[8].

 

Archäologischer Teil

Befund

Der Holzbau lag an der Sohle eines heute vollkommen verlandeten Nebenarmes der Thaya, genau zwischen dem oben erwähnten spärlich wasserführenden Nebenarm und der Thaya selbst (Abb. 3-5).

Quer zu der von NO nach SW laufenden Strömung lagen die Balken 1 und 2 in situ; sie waren durch Überlappung und kleine Holznägel miteinander verbunden, außerdem durch die in Ausnehmungen sitzenden Holznägel 1 a und 1 b sowie 2 a, 2 b und 2 c im Untergrund verankert.

Über dem Südostende des Balkens 2 lag, unmittelbar an den Holznagel 2 c anschließend, Balken 3, jedoch nicht in einem rechten Winkel, sondern in einem schwach spitzen Winkel zu jenem, so daß sich das Flußbett stromabwärts etwas verjüngte. Der spitze Winkel dürfte ursprünglich schwächer gewesen sein, da die in situ vorgefundene Reihe der Pfosten 4 a-4 f zur Abstützung des Balkens 3 gegen das Wasser zu gedient hat, Pfosten 4f jedoch in gleicher Linie mit Balken 3 stand.

Das Gegenstück zu Balken 3 am Nordwestende des Balkens 1 konnte nicht mehr nachgewiesen werden, hingegen noch Holzpfosten 12, der ehemals zusammen mit anderen ebenso wie die Pfosten 4a-4f der Uferbefestigung in diesem Bereich diente.

Rund 0,5 m nach den Balken 1 und 2, also stromabwärts und im SW von diesen, wurden die in den Untergrund eingerammten Pfosten 16, 5, 6 und 7 gefunden, und zwar in einem Abstand von Mitte zu Mitte der Pfosten von etwa 2,5 m und nicht in der Mitte vor den Balken 1 und 2, sondern gegen SO, also in Richtung Balken 3 versetzt.

Weitere vier große, an den unteren Enden zugehackte Holzpfosten (11, 10, 9 und 8) wurden nicht mehr in eingerammtem Zustand, sondern im Südbereich der zerstörten Anlage gefunden. Es ist ziemlich wahrscheinlich, daß diese Pfosten in einem unbekannten Abstand stromabwärts eingesetzte Gegenstücke zu den Pfosten 16, 5, 6 und 7 waren.

Bei allen anderen Hölzern handelte es sich um verhältnismäßig dünne Äste oder schmale Bretter (so z. B. die wegen der Holzbestimmung mitnumerierten Hölzer 13 und 14), die ohne erkennbare ursprüngliche Anordnung im freigelegten Bereich lagen.

Der in der Südostecke der Grabungsgrube gefundene Pfosten 15 war noch in situ, kann aber wegen der Entfernung zu den bisher erwähnten Pfosten nicht unmittelbar mit der einst im Wasser gelegenen Anlage, sondern mit einem bereits am Ufer befindlichen Bau in Zusammenhang gebracht werden.

 

In der Folge werden die einzelnen Holzbalken, Verzapfungen usf. im Detail beschrieben und Maße, Holzbestimrnungen und Radiokarbondaten angegeben.

 

Balken 1: Großer Holzbalken, der wie Balken 2 in den Boden eingegraben war. Erh. L. 5,74 m, wobei das Nordwestende abgesägt war, das Südostende mit dem Nordwestende des Balkens 2 verzapft war (darüber siehe weiter unten). Der Balken war von SO (Unterkante 152,39 m) nach NW (Unterkante 151,96 m) geneigt, wahrscheinlich als Folge nachträglicher Abschwemmungen und Abtragungen. Der Balken war stark erodiert und hatte in der Mitte einen Querschnitt von etwa 0,29 x 0,20 m, am Nordwestende einen solchen von 0,24 x 0,10 m. Balken 1 war durch zwei Holznägel (1 a im NW und 1 b im SO) im Untergrund fixiert.

Holzbestimmung: Ungarische Eiche.

 

Verzapfung 1a: Rechteckige, nach oben zu abgewitterte Ausnehmung in Balken 1 von 0,25 x 0,21 m Größe. Innerhalb der Ausnehmung ein am oberen Ende abgewitterter Holznagel mit einem Querschnitt von 0,11 x 0,07 m. Balken 1 war im Bereich der Ausnehmung, an der flußabwärtigen Seite, ausgewittert (Abb. 6).

Holzbestirnmung: Ungarische Eiche.

 

Verzapfung 1b: Rechteckige, nach oben zu abgewitterte Ausnehmung in Balken 1 von 0,22 x 0,17 m Größe. Die Ausnehmung war nach oben zu abgeflacht. Innerhalb der Ausnehmung ein Holznagel mit einem Querschnitt von 0,12 >< 0,07 n-i Größe, arn oberen Ende abgewittert. Balken 1 war im Bereich der Ausnehmung an der flußabwärtigen Seite ausgewittert (Abb. 7).

Holzbestimmung: Ungarische Eiche.

 

Balken 2: Großer Holzbalken, der wie Balken 1 in den Boden eingegraben war. Erh. L. 8,36 m, wobei das Südostende abgesägt war, das Nordwest- rnit dem Südostende des Balkens 1 verzapft war (darüber siehe weiter unten). Der Balken war nur schwach von SO (Unterkante 152,41 m) nach NW (Unterkante 152,39 m) geneigt. Der Balken war vorzüglich erhalten, nur gegen Nordwesten, also gegen die Flußmitte zu, etwas erodiert. Zurn Querschnitt des Balkens 2 arn Südostende siehe Abb. 8. Die an der flußaufwärtigen Seite des Balkens herausgearbeitete Rast war im Südostbereich, also irn Bereich geringerer Strömung sehr gut erhalten, war aber gegen NW, also gegen die Flußmitte zu immer mehr abgetragen. 4,14 m vom Südostende entfernt war keine Spur dieser Rast mehr zu erkennen. Balken 2 war durch drei Holznägel (2a im NW, 2b in der Mitte, 2c im SO) im Untergrund fixiert. Der Winkel zwischen Oberkante und Horizontale betrug 4°.

Holzbestimmung: Ungarische Eiche.

Radiokarbondatierung (VRI-658): 690 ± 90[9]. DeVries-Korr. nach Suess ergibt ein Kalenderalter von 1280 ± 70 n. Chr.

 

Verbindung Balken 1-Balken 2 (Abb, 9-11): Das Nordwestende des Balkens 2 war oben ausgehackt, um den Oberteil vom Südostende des Balkens 1 aufzunehmen. Im Oberteil des Balkens 1 zwei versetzte, kreisförmige Ausnehmungen, in welchen Holzzapfen saßen, die im Unterteil des Balkens 2 noch zu erkennen waren (Durchmesser 0,03 m). Zur Seitenansicht der Verzapfung siehe Abb. 12.

 

Verzapfung 2a: Rechteckige, nach oben zu abgeflachte Ausnehmung in Balken 2 von 0,17 x 0512 m Größe. Innerhalb der Ausnehmung am oberen Ende abgewitterter Holznagel mit einem Querschnitt von 0,14 x 0,08 m (Abb. 13).

Holzbestimmung: Ungarische Eiche.

 

Verzapfung 2b: Rechteckige, nach oben zu abgeflachte Ausnehmung in Balken 2 von 0,20 x 0,13 m Größe. Innerhalb der Ausnehmung am oberen Ende abgewitterter Holznagel mit einem Querschnitt von 0,15 x 0,11 m (Abb. 14). Der Holznagel reichte mehr als 0,47 m von der Unterkante des Balkens in den schottrigen Untergrund. Eine Weiterverfolgung in größere Tiefe war wegen der Saugwirkung des Grundwassers unmöglich. Auch für die anderen Holznägel ist eine derartige Mindesttiefe anzunehmen.

Holzbestimmung: Ungarische Eiche.

 

Verzapfung 2c: Rechteckige, noch etwas unter Balken 3 reichende Ausnehmung in Balken 2 von 0,20 x 0,913 m Größe. Innerhalb der Ausnehmung ein Holznagel mit einem Querschnitt von 0,09 x 0,07 m Größe (Abb. 15 und 16).

Holzbestimmung: Ungarische Eiche.

 

Balken 3: Großer Holzbalken mit annähernd rechteckigem Querschnitt, einer erh. L. von 3,95m und einer ungefähren Br. von 0,24m. Der schlecht erhaltene Balken lag auf dem ursprünglichen Bodenniveau auf und war über Balken 2 gelegt. Die größte erhaltene H. betrug 0,48 m. Der Balken war von NO (Unterkante 152,98 m) nach SW (Unterkante 152,44 m), also flußabwärts geneigt (Abb. 17).

Holzbestimmung: Kiefer.

Radiokarbondatierung (VRI-659): 520 ± 80[10]). DeVries-Korr. nach Suess ergibt ein Kalenderalter von 1400 ± 50 n. Chr.

 

Pfosten 4a: Etwa rechteckiger Querschnitt (0,11 x 09085 m), nach oben spitz abgemodert, nach unten zugehackt (Abb. 18).

Holzbestimmung: Kiefer.

 

Pfosten 4b: Etwa rechteckiger Querschnitt (0,15 x 0,075m), nach oben spitz abgemodert, nach unten zugehackt (Abb. 18).

Holzbestimmung: Kiefer.

 

Pfosten 4c: Etwa rechteckiger Querschnitt (0,14 x 0,12 m), nach oben spitz abgemodert, nach unten zugehackt (Abb. 18).

Holzbestimmung: Kiefer.

 

Pfosten 4d: Etwa rechteckiger Querschnitt (0,16 x 0,12 m), nach oben spitz abgermodert, nach unten zugehackt (Abb. 18).

Holzbestimmung: Kiefer.

 

Pfosten 4e: Kreisförmiger Querschnitt mit einem Dm. von 0,22 m, nach oben spitz abgemodert, unten zugehackt (Abb. 18).

Holzbestimmung: Ungarische Eiche.

 

Pfosten 4f: Halbkreisförmiger Querschnitt mit einem Dm. von 0,125 m, nach oben spitz abgemodert, unten zugehackt.

Holzbestimmung: Ungarische Eiche.

 

Pfosten 5: Annähernd quadratischer Querschnitt mit einer Seitenlänge von 0,13 m, nach oben spitz abgemodert, unten zugehackt (Abb. 19).

Holzbestimmung: Ungarische Eiche.

 

Pfosten 6: Kreisförmiger Querschnitt mit einem Dm. von 0,18 m, nach oben zu spitz abgewittert, nach unten zugehackt (Abb. 19).

Holzbestimmung: Ungarische Eiche.

 

Pfosten 7: Kreisförmiger Querschnitt mit einem Dm. von 0,18 m. Nach oben zu gespalten und abgemodert, nach unten zugehackt (Abb. 19).

Holzbestimmung: Ungarische Eiche.

 

Pfosten 8: Annähernd rechteckiger Querschnitt, unten dicker (0,20 x 0121 m), oben dünner (0,16 x 0,13 m), nach unten zugehackt. Erh. L. 2,25 m. An der westlichen Längsseite oben eine Nut (Abb. 20).

Holzbestimmung: Ungarische Eiche.

 

Pfosten 9: Annähernd quadratischer Querschnitt mit einer Seitenlänge von 0,18 m. Erh. L. 2,85 m. Nach oben zu schief gewachsen, unten zugehackt. An der südwestlichen Längsseite oben eine Nut ausgehackt (Abb. 20).

Holzbestimmung: Ungarische Eiche.

 

Pfosten 10: Besonders stark verwitterter Pfosten, ursprünglich wahrscheinlich annähernd quadratischer Querschnitt. Unten dicker (Dm. etwa 0,20 m), oben dünner (Dm. etwa 0,17 m), nach unten zugehackt. Erh. L. 2,68 m (Abb. 21).

Holzbestimmung: Ungarische Eiche.

 

Pfosten 11: Besonders stark verwitterter Pfosten, ursprünglich wahrscheinlich annähernd quadratischer Querschnitt. Unten dicker (Dm. etwa 0,18 m), oben dünner (Dm. etwa 0,14 m), nach unten zugehackt. Erh. L. 3,11 m (Abb. 21).

Holzbestimmung: Ungarische Eiche.

 

Pfosten 12: Kreisförmiger Querschnitt mit einem Dm. von 0,24m. Nach oben zu spitz abgemodert, nach unten zugehackt (Abb. 6).

Holzbestimmung: Ungarische Eiche.

 

Pfosten 13: Dünner Pfosten (vielleicht auf Balken 2 aufgelegt) mit kreisförmigern Querschnitt mit einem Dm. von etwa 0,06 m. Zugespitztes Ende. Erh. L. 2,50 m. An einer Stelle eine etwas schräge Nut (Br. 0,04 m, Tiefe 0,03 m) (Abb. 21).

Holzbestimmung: Ungarische Eiche.

 

Pfosten 14: Dünner Pfosten (vielleicht auf Balken 1 aufgelegt) mit kreisförmigem Querschnitt mit einem Dm. von etwa 0,10 m. Zugespitztes Ende. Erh. L. 3,20 m (Abb. 9 und 10).

Holzbestimmung: Ungarische Eiche.

 

Pfosten 15: Annähernd quadratischer Querschnitt mit einer Seitenlänge von 0,16 m. Nach oben zu spitz abgemodert, nach unten zugehackt.

Holzbestimmung: Ungarische Eiche.

 

Pfosten 16: Etwa rechteckiger Querschnitt (0,10 x 0,12 m), nach oben abgemorscht, nach unten zugehackt.

Holzbestimmung: Flatterulme.

 

 

Fundvorlage

Bei der folgenden Vorlage der Funde sind die Fundstellenangaben ident mit den Bezeichnungen auf dem Grundplan. Die Fundstücke lagen ausnahmslos im Niveau des Holzbaues in wasserdurchtränktem, lehmigem Material, sind daher nicht stratifiziert und müssen aus diesem Grund als Streufunde gelten.

Wenn nicht anders angegeben, sind die Tongefäße freihändig geformt. Auf den Tafeln sind alle Objekte im Maßstab 1 :2 wiedergegeben. Die Bestimmung der neuzeitlichen Fundgegenstände wird entgegenkommenderweise Herrn Erik Szameit verdankt.

Fundstelle A

Römische Kaiserzeit

Mundsaumbruchstück eines scheibengedrehten Topfes aus schwarzem, glimmer- und graphitgemagertem Ton. Gewulsteter Mundsaum, kurzer gekehrter Hals (Abb. 22).

Kleine Randscherbe einer Terrine aus schwarzem, feingeschlämmtem Ton. Außen- und Innenseite geglättet. Konischer Oberteil mit etwas nach außen verdicktem Mundsaum (Abb. 23).

Randscherbe eines Topfes aus dunkelgrauem bis schwarzem, an der Außenseite dunklem graubraunem, mit kleinen Steinchen und Glimmer gemagertem Ton. Vom Gefäßkörper kaum abgesetzte Randpartie. Auf der Schulter umlaufende feine Ritzlinie, darunter gekreuzte Ritzlinien (Abb. 24).

Randfragment einer Schale aus schwarzem, an der Außenseite dunklem graubraunem, fein mit kleinen Steinchen und etwas Glimmer gemagertem Ton. Kalottenförrniger Gefäßkörper mit einfachem Rand (Abb. 25).

Randscherbe eines Topfes aus schwarzem, mit kleinen Steinchen und etwas Glimmer gemagertem Ton. Kurze, schwach ausladende Halspartie mit einfachem Rand (Abb. 26).

Kleine Randscherbe eines Topfes aus dunkelgrauem, mit Steinehen gemagertem Ton. Kurzer, gekehlter Hals mit außen abgeschrägtem Rand (Abb. 27).

Wandscherbe eines Topfes aus schwarzem, grob mit Steinchen und Glimmer gemagertem Ton. An der Außenseite annähernd umlaufende Reihen breiter Nagelkerben mit aufgeworfenem Rand (Abb. 28).

Wandscherbe eines Topfes aus grauem bis graubraunem, an der Innenseite schwarzem, grob mit Steinchen gemagertem Ton. An der Außenseite umlaufende Reihen von Nagelkerben mit aufgeworfenem Rand (Abb. 29).

Kleine Wandscherbe eines Topfes aus dunkelgrauem, an der Innenseite schwarzem, grob mit Steinchen gemagertem Ton. An der Außenseite Ansätze von Wirrfurchen (Abb. 30).

Fünf uncharakteristische Wandscherben verschiedener Gefäße.

 

Neuzeit

Randscherbe eines scheibengedrehten Topfes aus grauem, schwarz geschlikkertem, feingeschlämmtem Ton. Innenseite und Rand der Außenseite schwarz glasiert. Ausladende, nach oben verdeckte, innen gedellte Randpartie (Abb. 31).

Fundstelle B

Römische Kaiserzeit (?)

Drei Wandscherben von Töpfen aus graubraunem, an der Innenseite dunkel

grauem bis schwarzem, sehr grob mit Steinchen gemagertem Ton. Datierung

nicht sicher.

 

Neuzeit (17. Jh.)

Etwas fragmentierter, scheibengedrehter Henkeltopf aus grauem bis graubraunem, sehr fein gemagertem Ton. Innenseite, Rand und oberer Henkelansatz dunkel-gelbgrün glasiert. Breite Standfläche, schlanker Gefäßkörper und ausladender Mundsaum, von dem ein schwach gedellter Bandhenkel bis zum ersten Gefäßdrittel zieht. An der Außenseite umlaufende Drehrillen. Stfldm. 10,0 cm, Bdm. 16,3 cm, Mdm. 15,3-15,9 cm, H. 21,5 cm, Henkelbr. 2,1 cm (Abb. 32).

Fundstelle C

Jüngere Steinzeit (?)

Fünf Wandscherben eines größeren Gefäßes aus schwarzem, an der Außenseite z. T. rötlichbraunem, sehr grob mit Steinchen gemagertem Ton. Eine Wandscherbe zeigt ausgeprägten Hals-Schulter-Absatz (Abb. 33).

Fundstelle D

Römische Kaiserzeit

Sechs uncharakteristische Wand- bzw. Bodenscherben grob mit Steinchen gemagerter Töpfe.

Fundstelle E

Jüngere Steinzeit

Vier uncharakteristische Wand- bzw. Bodenscherben steinchengemagerter Gefäße.

 

Römische Kaiserzeit

Randfragment einer scheibengedrehten provinzialrömischen Ringschüssel aus

grauem, feingeschlämmtem Ton. Schwach abgesetzter Randwulst und ausgeprägter Gefäßumbruch (Abb. 34).

Randfragment eines Topfes aus schwarzem, an der Außenseite graubraunem, grob mit Steinchen und etwas Glimmer gemagertern Ton. Weit ausladender Mundsaum und bauchiger Gefäßkörper. Am Bauch umlaufende Reihen schwach eingedrückter Nagelkerben (Abb. 35).

Randscherbe eines Topfes aus dunkelgrauem, an der Außenseite grauem bis graubraunem, grob mit Steinchen und etwas Glimmer gemagertem Ton. Annähernd zylindrischer Hals mit etwas ausladendem Mundsaum. Am Hals kleine kreisförmige Delle (Abb. 36).

Kleine Randscherbe eines Topfes aus schwarzem, an der Außenseite graubraunem, grob mit Steinehen gemagertem Ton. Schwach nach außen verbreiterter Mundsaum (Abb. 37).

Kleine Bodenscherbe eines Fußgefäßes aus dunkelgrauem, mit etwas Glimmer gemagertem Ton (Abb. 38).

Wandscherbe eines Topfes aus graubraunem, im Kern schwarzem, grob mit Steinchen gemagertem Ton. An der Wand umlaufende Reihen schmaler Nagelkerben (Abb. 39).

Drei unsignifikante Wandscherben grob gemagerter Töpfe.

Fundstelle F

Römische Kaiserzeit

Randscherbe eines scheibengedrehten provinzialrömischen Topfes aus schwarzem, im Kern grauem, feingeschlämmtem, mit etwas Glimmer versetztem Ton. Ausladender Mundsaum und profilierter Hals (Abb. 40).

Neun uncharakteristische Wandscherben von z. T. grob gemagerten Töpfen.

 

Neuzeit (17./18. Jh.)

Randfragment eines Topfes aus hellem, ziegelrotem, feingeschlämmtem Ton.

Rand und Außenseite grasgrün glasiert. Konischer Gefäßkörper mit durch Eindrücke gebelltem Rand. Knapp unterhalb des Randes umlaufende, durch Kerben gewellte Leiste. Unterhalb dieser und im oberen Gefäßdrittel je eine umlaufende Riefe. Mdm. 13,2 cm (Abb. 41).

Zwei uncharakteristische Wandscherben aus ziegelrotem Ton.

Langer Eisennagel, mit quadratischem Querschnitt und scheibenförmigem Kopf.

L. 26,0 cm, Dm. des Kopfes 2,9 cm (Abb. 42).

Fundstelle G

Jüngere Steinzeit

Zwei uncharakteristische Wandscherben, eine davon mit Bodenansatz.

 

Römische Kaiserzeit

Wandscherbe mit Bodenansatz eines scheibengedrehten provinzialrömischen Gefäßes aus graubraunem, an der Innenseite grauem, an der Außenseite dunkelgrauem, mit kleinen Steinchen und etwas Glimmer fein gemagertem Ton (Abb. 43).

Wandscherbe einer Fußschüssel aus schwarzem, sehr fein mit kleinen Steinchen und etwas Glimmer gemagertem Ton. Eingezogener Unterteil, scharf ausgeprägter Umbruch (Abb. 44).

Kleine Randscherbe eines Topfes aus grauem, an der Innenseite schwarzem, grob mit Steinchen gemagertem Ton. Vom Gefäßkörper kaum abgesetzte Randpartie (Abb. 45).

Zwei Wandscherben eines Topfes aus schwarzem, mit kleinen Steinchen und etwas Glimmer gemagertem Ton. An der Wand tief eingerissenes Fischgrätenmuster (Abb. 46).

Kleine Wandscherbe eines Topfes aus dunklem graubraunem, grob mit Steinchen gemagertem Ton. An der Wand Wirrfurchen (Abb. 47).

Acht uncharakteristische Wandscherben verschiedener Gefäße.

Fundstelle H

Römische Kaiserzeit

Kleine Randscherbe einer Schale aus schwarzem, im Kern dunkelurauem, mit Steinchen und Glimmer gemagertem Ton. Schwach eingezogener Oberteil mit einfachem Rand (Abb. 48).

Wandscherbe eines Topfes aus schwarzem, an der Außenseite graubraunem, mit Steinchen und Glimmer gemagertem Ton. An der Wand unregelmäßig angeordnete, waagrechte Nagelkerben (Abb. 49).

Drei uncharakteristische Wandscherben verschiedener Gefäße.

Fundstelle J

Jüngere Steinzeit (spätes Mittelneolithikum)

Wandscherbe mit Bodenansatz eines Topfes aus graubraunem, an der Innenseite dunkelgrauem, grob mit Steinchen und Glimmer gemagertem Ton (Abb. 50).

Kleine uncharakteristische Wandscherbe aus dunkelgrauem, im Kern schwarzem, grob mit Steinchen gemagertem Ton.

Zusammenfassung

War zu Beginn der Ausgrabungsarbeiten die Funktion der aus Holzbalken und -pfosten gebauten Anlage unklar, so stellte sich bald heraus, daß der Bau nur in unmittelbarem Zusammenhang mit einem wasserführenden Nebenarm der Thaya zu sehen ist. Am naheliegendsten war die Interpretation als Wassermühle, die noch eine gewisse Bestätigung darin fand, daß zu Beginn des 15. Jhs. eine solche an der Thaya innerhalb der heute abgekommenen Ortschaft Geresdorf überliefert ist[11]. Das Gebiet dieser Wüstung kam später zur Gänze zu Rabensburg. Doch soll der historischen Auswertung nicht vorgegriffen werden.

Das Südostufer war durch den Balken 3 und die Pfosten 4a-4f befestigt. Von der Verbauung des Nordwestufers konnte bloß noch Pfosten 12 nachgewiesen werden, der zusammen mit anderen, wie den Pfosten 4a-4f, zur Fixierung eines Gegenstückes zu Balken 3 diente. Der Abstand beider Uferbefestigungen betrug im Bereich der Balken 1 und 2 ungefähr 11,60 m, verjüngte sich jedoch stromabwärts etwas, um ein rascheres Abfließen des Wassers zu erreichen. Wegen der ursprünglich maximalen Höhe von 0,46 m der Balken 1 und 2, die mit Hilfe von Holznägeln tief im Untergrund verankert waren, wegen des Fehlens jeglicher Konstruktionsdetails, die auf höhere Aufbauten schließen lassen und wegen der über die Oberkante der Balken 1 und 2 herausragenden Köpfe der Holznägel 1a, 1b, 2a, 2b und 2c kann die Anlage niemals ein Wehr gewesen sein; die Mühlräder müssen unterschlächtig angetrieben worden sein. Die an der flußaufwärtigen Seite der Balken 1 und 2 herausgearbeitete, mindestens 0,04 m hohe Rast, die nur mehr im Südostbereich erhalten, gegen die Mitte und Nordwesten aber zur Gänze durch die Wasserströmung abgetragen war, diente wahrscheinlich als Widerlager, die schrägen Oberkanten als Auflager dünner Pfosten, wie sie zum Teil im gesamten Grabungsbereich gefunden wurden (Pfosten 13 und 14 sowie andere nichtnumerierte). Diese Pfosten waren mit ihren spitzen Enden flußabwärts schräg in den Boden getrieben, waren ursprünglich sicher dicht aneinandergelegt und dienten zum gleichmäßigen und zusammen mit dem sich flußabwärts etwas verjüngenden Flußbett zum rascheren Abfließen des Wassers. Die rund 0,5 m flußabwärts von den Balken 1 und 2 eingerammten Pfosten 16, 5, 6 und 7 dienten mit den aus ihrer Verankerung gerissenen, an den unteren Enden zugehackten Pfosten 11, 10, 9 und 8, die in einem unbekannten, aber sicher nicht zu weiten Abstand flußabwärts eingeschlagen waren, als Piloten für die Querbalken zur Aufnahme der Mühlradachsen. Aufgrund der Anzahl dieser Piloten muß es sich um drei Mühlräder gehandelt haben, die die schweren Mühlsteine in Bewegung hielten. Das eigentliche Mühlenhaus stand wegen der exzentrischen Lage der genannten Piloten sicher am Südostufer des Thaya-Armes; Pfosten 15 könnte zu jenem Bau gehört haben.

Sind die Grundzüge der Konstruktion des ursprünglich im Wasser gelegenen Teils der Mühle aufgrund der freigelegten und noch vorgefundenen Holzteile ziemlich klar, so können von archäologischer Seite für die zeitliche Einordnung der Anlage kaum Belege beigebracht werden. Schon während der Freilegungsarbeiten war zwar klar, daß die Anlage weder prähistorisch noch frühgeschichtlich sein kann, die Hoffnung jedoch, die Auswertung des geborgenen Fundgutes könnte zumindest Hinweise auf eine Datierung erbringen, erwies sich als falsch. Die geborgenen, zum größten Teil eingeschwemmten Funde, im wesentlichen auch deren zahlenmäßige Zusammensetzung, spiegeln die Verhältnisse im benachbarten Siedlungsareal der Flur Aulüssen wieder. Die meisten Tonscherben sind in das 2. Jh. und -in die erste Hälfte des 3. Jhs. n. Chr. zu datieren und sind Abfallprodukte aus dem germanischen Gehöft. Einige wenige uncharakteristische Scherben sind in das mittlere Neolithikum zu setzen und entsprechen ebenfalls den in der Flur Aulüssen gefundenen[12]. Hingegen wurden innerhalb des freigelegten Bereiches der Flußmühle keine Funde aus den in der Flur Aulüssen außerdem nachgewiesenen frühbronzezeitlichen und slawischen Siedlungsgruben geborgen. Besonders enttäuschend war die geringe Ausbeute an aussagekräftigem mittelalterlichem und frühneuzeitlichem Fundmaterial. Der scheibengedrehte Topf (Abb. 33) von Fundstelle B (knapp stromabwärts des Balkens 2, etwa in der Mitte der Flußbettsohle) und das Randfragment eines Topfes (Abb. 42) von Fundstelle F (am Südostrand der Uferbefestigung) ergeben bloß einen terminus post quem für die endgültige Verlandung und Zuschüttung der nicht mehr in Verwendung stehenden Mühle.

Anhaltspunkte für die chronologische Einordnung der Wassermühle bieten die Radiokarbondaten. Das für Balken 2 errechnete Datum von 1280 ± 70 n. Chr. kann mit Vorbehalt auch als das der Errichtung der Mühle angesehen werden, da die Balken 1 und 2 sozusagen zur Grundausstattung und zu den schwerer auswechselbaren Teilen der Anlage gehörten. Das Datum für Balken 3 mit 1400 ± 50 n. Chr. ist jünger als das erstere. Doch werden gerade die Uferbefestigungen wegen ihrer größeren Korrosionsanfälligkeit ausgewechselt und erneuert worden sein.

Über die Ursache der Nichtweiterverwendung der Wassermühle können von archäologischer Seite ebenfalls kaum Aussagen getroffen werden. Möglicherweise waren Hochwässer für die Aufgabe der Anlage verantwortlich, sei es direkt durch eine nicht wieder gutzumachende Zerstörung, sei es durch Verlagerung des Wasserbettes weiter nach Westen, wofür der heute noch existierende, aber ebenfalls kaum mehr wasserführende Nebenarm der Thaya spricht. Die allmähliche Devastierung der Mühle kann aber auch mit dem Wüstwerden der Ortschaft Geresdorf in Zusammenhang gesehen werden, wenn nicht irreparable Hochwasserschäden letzten Endes für beides verantwortlich waren.

 

Historische Voraussetzungen

Die lokalhistorisch-topographische Ausgangssituation

Zum besseren Verständnis des aufgefundenen Holzbaues ist es zweckmäßig, sich die lokalhistorisch-topographischen Ausgangsbedingungen für die ergrabenen Reste vor Augen zu führen. Die Grabungsstelle befindet sich unmittelbar am Beginn des heute verfallenen, im Gelände nur noch als Kette verwilderter Tümpel erkennbaren ehemaligen Mühlgrabens der Ortschaft Rabensburg[13]. Im betreffenden Bereich weist das Rabensburger Gemeindegebiet eine charakteristische spornartige Ausbuchtung nach Nordosten auf, die sich aus der offenkundigen Absicht erklärt, die Abzweigung des Mühlgrabens samt dem zugehörigen Stauwehr, das im Hauptarm der Thaya lag, kontrollieren zu können[14]. Der neue Bodenfund zeigt nun, daß gerade in diesem doch engbegrenzten Raum noch ein zusätzlicher wichtiger Sachverhalt einzukalkulieren ist, und schließlich darf auch der im franziszeischen Kataster (1821) ausgewiesene lokale Verkehrsweg nicht außer Acht gelassen werden, der hier nicht nur den Mühlgraben, sondern auch die Thaya selbst überbrückte (Abb. 52 und 53)[15].

Zweifellos wären schon die eben skizzierten Einzelheiten für sich allein geeignet, dem vorliegenden Fund überdurchschnittliche lokalhistorische Bedeutung zu verleihen. Nun kommt aber noch hinzu, daß gut die Hälfte des Rabensburger Mühlgrabens an die Flur einer spätmittelalterlichen Wüstung, nämlich die des Dorfes Geresdorf, grenzte. Verschiedene Anhaltspunkte erlauben es, den Standort dieser verschwundenen Dorfsiedlung mit hoher Wahrscheinlichkeit - wenn auch nicht mit allerletzter Gewißheit - auf der Uferterrasse im Westen des Mühlgrabens, ungefähr nach einem Viertel seines Verlaufes, zu lokalisieren (Abb. 52)[16]; weiter unten wird zu fragen sein, ob auch der vorliegende Bodenfund einen Beitrag zur weiteren Klärung der Lokalisierung von Geresdorf zu leisten imstande ist. Dessenungeachtet steht jedoch fest, daß von allen Vorschlägen der Lokalisierung kein einziger den Standort unmittelbar bei der Fundstelle der Mühlenanlage postuliert. Da uns alle angesprochenen Fragenkomplexe in weiterer Folge beschäftigen werden, sollen Einzelheiten aber erst im jeweiligen Sachzusammenhang zur Sprache kommen.

 

Allgemeines zur Anlage von Wassermühlen

Zur Vorbereitung der späteren Überlegungen erscheinen hier auch einige Worte über die Technologie der historischen Wassermühlen angezeigt[17]. Der Wasserantrieb, neben dem Wind und der menschlichen bzw. tierischen Muskelkraft die häufigste Antriebsenergie mittelalterlicher Mühlen, ermöglichte entsprechend den natürlichen oder kulturgeographischen Voraussetzungen den Betrieb horizontal oder vertikal laufender Wasserräder. Letztgenannte Typen von Mühlen werden dem Angriffspunkt des Wassers entsprechend als oberschlächtige, mittelschlächtige und unterschlächtige Wassermühlen (zu denen auch die Schffsmühlen zählen) bezeichnet. Bei unzulänglichem natürlichem Gefälle, wie im Falle der Thaya, kommt ausschließlich der unterschlächtige Antrieb in Frage. Um dabei die erforderliche Wucht des Wassers zu erreichen, waren verschiedene wasserbauliche Einrichtungen nötig, die ein entsprechendes Gefälle künstlich herstellten. Hiezu diente in erster Linie die Errichtung eines Stauwehres im Hauptarm des betreffenden Flusses, von wo das Mühlwasser mit einem um die Stauhöhe vermehrten Gefälle in einen mehr oder weniger langen Seitenarm gelangte (Mühlgraben, Mühlgang, Mühlbach, Abb. 54, 56 und 57)[18]; der etwa 5 km lange Rabensburger Mühlgraben verstärkte den gewünschten Effekt noch durch eine ziemlich direkte Linienführung.

Die Effektivität des Betriebes unterschlächtiger Wasserräder war in sehr hohem Maße davon abhängig, wie das Gerinne (oder "Grundwerk") unmittelbar vor dem Wasserrad ("Obergerinne") sowie in dessen engerem Bereich ("Untergerinne") gestaltet war. Das Obergerinne weist eine charakteristische keilförmige Verjüngung und im Zusammenhang damit eine Befestigung seiner Seitenwände auf. Gegen das Untergerinne hin wird das Obergerinne von einer etwas erhöht im Wasser eingebetteten hölzernen Schwelle, dem "Fachbaum"[19], abgeschlossen. Zweck dieser Konstruktion war es, künstlich einen gesteigerten Wasserdruck zu schaffen, der bei Bedarf durch vertikal geführte Schieber (Schleusen, Sr-hützen und dgl.), die auf den Fachbaum gezimmert waren (das "Grieswerk"), geregelt werden konnte und direkt auf das Wasserrad wirkte. Um diesen Wasserdruck möglichst gut zu nützen, mußte das Untergerinne bis ans Wasserrad mit einem ausreichenden Gefälle ("Stoßgefälle") ausgestattet sein. Das Untergerinne war der Breite nach zweigeteilt: der jeweils in der Flucht eines Rades strömende Wasseranteil bildete das eigentliche "Mahlgerinne", neben dem aber noch ein hinlänglich breites "Wüstgerinne" frei bleiben mußte, um bei Hochwässern oder Eisstößen eine Gefährdung der Mühle zu verhindern.

 

Lokalhistorische Aufschlüsse

Unter Berücksichtigung der beschriebenen wasserbaulichen Grundzüge stellt der ergrabene Holzbau unzweifelhaft die Reste einer Wassermühle dar. Die aufgefundene Anlage ist aufgrund des Standortes mit Sicherheit mit der im Jahre 1414 mehrfach erwähnten, später verschollenen Geresdorfer Mühle zu identifizieren[20]. R. F. Zelesnik suchte sie - noch ohne Kenntnis des nunmehrigen Fundes bereits "am Oberlauf des Rabensburger Mühlgrabens", genauer gesagt "nächst der Abzweigung des Mühlgrabens von der Thaya"[21]. Für diese Lokalisierung besteht zwischen der Mühlstätte und dem Stauwehr ein triftiger Sachzusammenhang, der zur Absicherung unserer Überlegungen etwas breiter auszuführen ist.

Das liechtensteinische Urbar von 1414 und ein gleichzeitiges und teils gleichlautendes Weistum nennen das betreffende Wehr - vielleicht aufgrund personengeschichtlicher Bezüge[22] - Gobolwür, gewol witer und verbinden hiermit die relative Lokalisierung leit (= liegt) ob der mul zw Geresdarff[23]. Der franziszeische Kataster (Abb. 52 und 53) entspricht diesem Sachverhalt wahrscheinlich nicht bis ins letzte Detail, da die Abzweigung des Mühlgrabens und mit dieser auch das ursprüngliche "Gebolf-Wehr" bis ins 15. Jahrhundert ein kleines Stück weiter stromaufwärts situiert gewesen sein dürften[24]; man erkennt aber dennoch, daß die Lagebezeichnung "ob" der Mühle primär auf die Stromrichtung des Mühlgrabens bezogen und funktionell gemeint sein muß, ohne daß sie eine nennenswerte Entfernung auszudrücken braucht. In diesem Sinne ist die eben erwähnte Variante von R. F. Zelesnik als sehr treffend zu bezeichnen. Die von H. Krenn in seiner wertvollen Untersuchung geäußerte Vermutung, diese Mühle sei aus verkehrstechnischen Gründen nahe der Einmündung eines westlichen Muldentälchens in den Rabensburger Mühlgraben zu suchen (Abb. 52)[25], ist demzufolge trotz ihrer weitgehenden Glaubhaftigkeit zu streichen.

Die Lokalisierung der Mühlenstätte "nächst dem Gebolf-Wehr"[26] ist auch noch aus anderen Gründen von Bedeutung. Zum einen folgt nämlich daraus, daß die Mühle an die 1,0-1,5 km nördlich des vermutlichen Standortes von Geresdorf also nicht im unmittelbaren Siedlungsverband - stand; das bedeutet, daß es auch noch eine entsprechende Straßenverbindung zwischen dem Dorf und der Mühle gegeben haben muß (siehe unten). Wie ist dieses Lageverhältnis von Dorf und Mühle am ehesten zu erklären? Zunächst ist festzustellen, daß die isolierte Lage von mittelalterlichen Mühlen grundsätzlich keine Seltenheit war: sie ist etwa im mittelalterlichen Mecklenburg häufig, bei den Mühlen der Burgen im Deutschordensstaat durchwegs zu beobachten[27] und läßt sich für unseren Raum z. B. durch eine Reihe - nicht nur niederösterreichischer - Bildbeispiele aus dem ausgehenden Mittelalter belegen (Abb. 56 und 58 - 62). Im konkreten Fall von Geresdorf spielte bei der Wahl der Dorfstätte sicherlich die flurmäßige Beengtheit eine Rolle. Gegen einen Mühlenstandplatz auf der Höhe des Dorfes durfte aber außerdem auch jene mühlenbautechnische - und daher auch früh ins Wasserrecht eingegangene Einschränkung gesprochen haben, daß vom Rückstau des jeweiligen "Untermüllers" der Betrieb der flußaufwärts nächstgelegenen Mühle nicht beeinträchtigt werden dürfe[28]. Ob dies zu dem Schluß berechtigt, daß der Mühlgraben ursprünglich allein für die Rabensburger Mühle angelegt wurde und daß diese daher älter als die Geresdorfer Mühle sei, muß hier dahingestellt bleiben. Auf den ersten Blick spricht gegen diese Annahme, daß mit der Geresdorfer Mühle wichtige auf das Wehr bezügliche Gerechtsame verbunden waren, die sich

freilich weitgehend eingeschränkt - auch auf die Rabensburger Mühle auswirkten[29]. Andererseits verweist die Radiokarbondatierung des ältesten aufgefundenen Bauteiles die Mühlenanlage im Mittel in das Jahr 1280, und dieser Zeitpunkt liegt rund zwei Jahrhunderte nach der (allerdings nur erschlossenen) Errichtung des "Gebolf-Wehres"[30]. Will man nicht eine innerhalb dieser Zeitspanne liegende vollkommene Neuanlage der Geresdorfer Mühle postulieren, so erweist sich jedenfalls die Annahme F. J. Beraneks, die Geresdorfer Mühle sei in der Kolonisationszeit zentral für einen großräurnigen ländlichen Bereich konzipiert worden[31], als allzu optimistisch.

Zum anderen zeigt sich, daß ein Quellenwortlaut wie mul zw Geresdarff, mullner ze Geresdarff oder mul daselbs,[32] offenbar nicht auf die Dorfstätte selbst, sondern auf die Flur des Dorfes insgesamt zu beziehen ist[33]. Käme man nicht zu dieser Auffassung, so müßten die bisherigen Versuche der Lokalisierung der Wüstung Geresdorf um einen weiteren bereichert werden. Daß dies weitgehend überflüssig ist, läßt sich anhand bisher unbeachteter Argumente aufzeigen. Dazu ist von zwei Thesen auszugehen: nämlich, daß tatsächlich jener nördlich von Rabensburg im Garten des heutigen liechtensteinischen Forsthauses, gelegene Hausberg,[34] der abgekornmenen Siedlung Geresdorf zuzuordnen ist[35] und daß weitere das genannte Forsthaus an der Stelle eines im Jahre 1389 erwähnten (wohl festen) "Hauses" in Geroltzdorff steht[36]. Unter diesen Voraussetzungen ist aufgrund des franziszeischen Katasterplanes (1821) ein Bereich ausfindig zu rnachen, der innerhalb des laut H. Krenn für den einstigen Siedlungsplatz einzig in Frage kommenden Areals liegt und einer Dorfstätte für 20 Ganzlehner[37] gerecht zu werden. Das liechtensteinische Urbar (B. Bretholz, Anm. 18, 234 f.) und das Weistum von 1414 (G. Winter, Anm. 18, Bd. 4, 249) sagen übereinstimmend: Item die Gobolwür, die da Leit ob der mut zw Geresdorff, dieselb wür sol machen des Herings multner zw Geresdorff, so sol im dann der multner ze Rabenspuring darinn ze staten kamen mit dem vierden phenig oder mit dem vierden man, der im die wür hilfft ze pessern. Darin spiegelt sich die Rechtsauffassung, daß der dem Wehr nächstgelegene Müller zu dessen Erhaltung verpflichtet ist und dabei auf die Hilfe des "Untermüllers" rechnen durfte (vgl. hierzu H. Wiemann, Anm. 27, 484-486). Der Fortsetzung des Quellenwortlautes nach zu schließen, scheinen jedoch dem Rabensburger Müller mehr Rechte als Pflichten zugekommen zu sein: vnd ob der mullner ze Geresdorff die wür nicht machen wott, so sol der meiner herrn mullner die bür allein machen vnd sol die panwür aws dem grunt reissen, das im wassers genug werd. Und ob das wer, das der mullner ze Geresdarff die panwür wider machen wollt, das sol er tun mit meiner herrn mullner willen vnd so[ im dannoch all sein schaden abtragen vnd widerchern, die er auf die mut gelegt hat.

 

37) Diese Siedlungsgröße konnte H. Krenn (Anm. 14, 83-85) für Geresdorf auf Grund des maissauischen Lehenbuches aus der Zeit vor und um 1400 (siehe Anm. 33) nachweisen; sie entsprach (wohl aus Raummangel) genau der Hälfte der benachbarten Dörfer Schönstraß (ebenden vermag (Abb. 52): der angesprochene Bereich setzt bei dem trichterförmig nach Süden sich erweiternden Komplex der Parzellen Nr. 1392 und 1396 an. Seine nordwestliche gekrümmte Begrenzung ist als die einstige Straßenachse denkbar, so daß die westliche Häuserzeile in Richtung auf das bereits erwähnte Muldentälchen hin, die östliche bis an den Terrassenabfall gegen den Mühlgraben, wo sich auch der Hausberg befindet, verlaufen wäre. An der möglicherweise gleichfalls vorbauten Südseite erscheint die durch das Forsthaus markierte Lage des "Hauses" von 1389 besonders bedeutungsvoll, weil hier - ein umso sinnfälligerer Standort für ein festes Haus - die Straßenverbindung ins, benachbarte, aber besitzmäßig getrennte Rabensburg ansetzt. Die auffallend bändigen Parzellengrenzen nördlich der angenommenen Dorfstätte scheinen mit einiger Sicherheit auf eine alte, nordwärts gerichtete Fortsetzung dieses Weges hinzudeuten.

Ihr kommt im gegebenen Zusammenhang insofern spezielle Bedeutung zu, als sie in die unmittelbare Nähe der Geresdorfer Mühle führt, zu der ja naturgemäß eine geeignete Verkehrsverbindung vom Dorf her existiert haben muß. Im Kataster zeigt sich allerdings, daß dieser Weg - von der Höhe der Mühle an stromaufwärts nur noch ein kurzes Stück in der ursprünglichen Richtung verfolgbar - die am anderen Ufer des Mühlgrabens gelegene Mühlenstätte bloß passiert und bald darauf im sogenannten "Wehrlehen" unvermittelt unter einem Winkel von 90 Grad in westlicher Richtung nach Bernhardsthal abbiegt (Abb. 53), wobei eine direkte, geradlinige Weiterführung fortan nicht mehr erkennbar ist. Kurz vor diesem zunächst unklar gestaltetem Wegabschnitt bindet jedoch aus Osten - von der Mühle und darüber hinaus aus der benachbarten südmährischen Ortschaft Lanzhot/Landshut, also vom jenseitigen Thayaufer her kommend - ein lokaler Verkehrsweg ein. Ihm wäre zwar allein schon auf Grund der Brückenfunktion spezielle Bedeutung zuzumessen, doch können dasselbe auch zwei separate Straßen (jeweils direkt von Bernhardsthal bzw. Rabensburg nach Lanzhot/Landshut) für sich beanspruchen. Ihnen hat aber die über die Geresdorfer Mühle führende Verbindung zweifellos voraus, daß sie die Thaya im Bereich des "Gebolf-Wehres" überquerte. Diese Anlage reicht bei namenkundlicher Auflösung der Etymologie [38] wohl in die 2. Hälfte des 11. Jhs., d. h. in den Beginn des kolonisatorischen Ausbaues im betreffenden Raume zurück[39]. Von einer Straßenverbindung solchen Alters ist kaum anzunehmen, daß sie sich, kaum am westlichen Ufer der Thaya angelangt, mit einer unzulänglichen Trasse vereinigt hat.

Auch diesbezüglich bietet der franziszeische Kataster eine plausible Erklärung. Denn aus ihm ist klar ersichtlich, daß jener aus Bernhardsthal kommende Weg, der sich bei den drei Tumuli in zwei auseinanderstrebende Äste gabelt, in seiner gedachten Verlängerung direkt auf die problematische Stelle gerichtet ist, also einst offenbar zur Geresdorfer Mühle bzw. zur Brücke beim "Gebolf-Wehr" geführt hat (Abb. 53)[40]; diese Linienführung ist umso wahrscheinlicher, als die Familie der Hering, die Bernhardsthal von ungefähr 1401 bis etwa 1423 innehatte, im Jahre 1411 auch als Besitzer der Geresdorfer Mühle ausgewiesen ist[41].

 

Davon allenfalls eine Wüstung und Hausbrunn. Zu den verschiedenen in diesem Areal zutage gekommenen Bodenfunden siehe H. Krenn, Anm. 14, 81f. und ausführlicher St. Wick, Topographie der abgekommenen Orte in Niederösterreich, Blätter des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich, Neue Folge 27, Wien 1893, 88-91 (Geresdorf an der Thaja).

--erst,en Stück jenes Weges eine irn 15'. Jahrhundert faßbare Verbindung von Bernhardsthal nach Rabensburg abzweigte[42], besaß er offensichtlich schon im Mittelalter überdurchschnittliche Bedeutung.

Alle angeführten Einzelheiten könnten die erwähnten Unstimrnigkeiten im Straßenverlauf etwa in Form folgender Hypothese bereinigen: es bestand ursprünglich eine diagonal über die nochmaligen "Thaläcker" des franziszeischen Katasters verlaufende Straßenverbindung von Bernhardsthal südostwärts[43], an den drei Tumuli vorbei über die Thaya nach Südmähren (und Oberungarn?); mit dieser Straße vereinigte (oder kreuzte?) sich in unmittelbarer Nähe der aufgefundenen Mühle eine entlang der Thaya-Uferterrasse über Geresdorf geführte Route aus Rabensburg. Letztere dürfte sicherlich vor die von R. F. Zelesnik (unter der Bezeichnung "Mühlweg") als "älteste" Verbindung beschriebene direkte Straße Bernhardsthal-Rabensburg zu datieren sein[44]. Sie ist zwar nicht als Teil der alten Bernsteinstraiße anzusprechen, könnte dagegen aber sehr wohl zu jener Parallelroute näher an der March und der Thaya gehören, die in der hochwasserfreien Zeit wahrscheinlich vorgezogen wurde[45].

 

Realienkundlicher Kommentar

 

Nachdem die Entfernung zwischen der eigentlichen Dorfstätte von Geresdorf und dem Standort der Mühle zu einem Exkurs über die Lokalisierungsfrage und das Altstraßennetz geführt hat, steht es nun noch aus, den Mühlenfund selbst aus der Sicht der Sachkulturforschung zu interpretieren. Dieses Ansinnen steht generell unter dem Vorzeichen, daß unter allen Quellen, "die eine Vorstellung von der technischen Einrichtung der mittelalterlichen Wassermühle vermitteln, ... die bildlichen Darstellungen und nicht zuletzt die Ergebnisse der erfolgten Ausgrabungen" hinsichtlich ihrer Aussagekraft vor den "im großen und ganzen nicht sehr ergiebigen schriftlichen Quellen" stehen[46]. Diese Aussage ist nicht bloß als Prämisse für die methodische Au@chtung der folgenden Erörterungen wichtig, sondern sie gestattet, es auch, den vorliegenden Bodenfund als bedeutende Bereicherung einer aussagekräftigen, aber relativ seltenen Quellengattung zur Kenntnis des mittelalterlichen Mühlenwesens zu klassifizieren.

 

Zunächst zum markantesten Bauteil der aufgefundenen Anlage, den beiden in der Längsachse miteinander verzapften Balken 1 und 2 (Abb. 51), welche nach der vorne gegebenen Einführung die mühlenbautechnisch so signifikante Funktion des Fachbaumes innehatten. Die Lagerung bzw. Verankerung seiner zwei Teile im gewachsenen Boden geschah in höchst einfacher Weise, nämlich mittels eingezapfter Pfähle (Nr. la und b sowie 2a-c), die symmetrisch zur Mitte des jeweiligen Balkenteiles und voneinander im Abstand von durchschnittlich etwa 3,0 m[47] in den Untergrund eingerammt waren. Zusätzlich steckten die äußeren Enden des Fachbaumes bei der Geresdorfer Mühle rund 1,25 bzw. 0,75 m tief im seitlichen Uferverbau, auf den noch näher einzugehen sein wird. Alle Elemente des Fachbaumes bestehen bezeichnenderweise aus EichenholZ[48].

Jene vereinfachte Verankerung deutet darauf hin, daß der natürliche Untergrund an der Mühlenstätte von den Erbauern der Anlage für ausreichend hart und fest erachtet wurde. Da nach demselben Kriterium auch die Einschlagtiefe der Verankerungspfähle variierte[49], erscheint es belanglos, daß die gegenständliche Grabung bezüglich dieser Tiefe keine schlüssigen Ergebnisse erbrachte. Daß beide Balken bei der Freilegung an der Unterseite eingegraben erschienen, wird darauf zurückzuführen sein, daß jeder Fachbaum zum Schutz gegen Unterwaschung üblicherweise sowohl zum Ober-, als auch zum Untergerinne hin in pfosten- oder steinbewehrtes, verschlämmtes Schüttmaterial eingebettet wurde[50].

An der nordöstlichen Seite war dem Fachbaum das Obergerinne (auch Herd, Arche) vorgelagert. Seine linke Uferbefestigung ist in Form des Balkens 3 und der Pfosten 4 a-4 f erhalten. Die Flucht von Pfosten 4 a auf 4 e sowie die Ausrichtung von Balken 3 ermöglicht die ziemlich genaue Bestimmung eines Öffnungswinkels von 10 Grad (bezogen auf die Strömungsrichtung, Abb. 63). Ein Öffnungswinkel mußte, wie schon an anderer Stelle gesagt, vorhanden sein, damit der hiedurch entstehende Wasserandrang im Herd erst den erforderlichen größeren Druck auf das Wasserrad erzeugen konnte. Dieser Offnungswinkel ist direkt proportional der Länge des Herdes und dem Wasserbedarf eines Rades[51]. Da bei der Geresdorfer Mühle keine materiellen Anhaltspunkte für ihre technologischen Eigenschaften zutage gekommen sind, bietet dieses Verhältnis die Möglichkeit für einen ersatzweisen Rückschluß. Allerdings ist nicht festzustellen, wie weit stromaufwärts die ehemalige Uferbefestigung bzw. speziell der eigentliche Mühlenherd gereicht hat, so daß einer der beiden möglichen Faktoren jener Proportionalität nicht bekannt ist; auch Abbildungen sind hiefür kein Ersatz, da die jeweilige Geländebeschaffenheit mit ausschlaggebend war. Demnach ermöglicht zunächst nur der Nachweis eines geringen, vielleicht ursprünglich sogar noch spitzeren ÖffnungswinkeIs,[52] des Mühlenherdes die Annahme, daß die Geresdorfer Mühle wahrscheinlich für geringen Wasserbedarf konzipiert war.

Hinsichtlich der Uferverbauung machen es die Pfosten 4a-4e wahrscheinlich, daß offenbar auch hier jenes im mittelalterlichen Bauwesen für Befestigungen und Einfriedungen aller Art gebräuchliche, aus wellennförmig eingespannten und quer zu den lotrechten Pfosten verlaufenden Ästen bestehende Flechtwerk verwendet worden ist und das die Abb. 54/55 und 56 am besten wiedergeben -[53]. Nach dem vorliegenden Ausgrabungsbefund lag der imposante Pfosten 3 in Richtung der Seitenbewehrung des Mühlenherdes so über dem Fachbaum, daß jeweils etwa die Hälfte seiner aufgefundenen Länge dem Ober- bzw. dem Untergerinne angehörte (Abb. 51). Gemäß dieser Anordnung von Pfosten 3 hätte sich die Verengung des Mühlenherdes über den Fachbaum hinweg in das Untergerinne fortgesetzt. Nach der neuzeitlichen Mühlenbautradition, die im allgemeinen noch den mittelalterlichen Stand repräsentiert[54], wäre dies eine unübliche und überdies den Wasserabfluß hemmende Bauart. Vielmehr bildete der Far-hbaum die übliche Grenzlinie für den Übergang des Uferverlaufs aus der Verengung des Herdes in die Parallele des Untergerinnes. Ein solcher Verlauf ist auch für die Geresdorfer Mühle wahrscheinlich: die Verbindungslinie vom rekonstruierten Schnittpunkt von Fachbaurn und Uferverbau zum Pfosten 4f steht annähernd normal auf die Längsachse des Fachbaumes (Abb. 63). Das bedeutet, daß Pfosten 3 sich bei der Freilegung nicht mehr in seiner ursprünglichen Lage befunden haben dürfte, sondern vielmehr mit seinem unteren Ende einst nur bis an den Fachbaum reichte. Für diese Vermutung spricht auch die geringfügige Neigung dieses Pfostens in Richtung des Gefälles: wenn sie wirklich schon rund 2m vor dem Fachbaum eingesetzt haben sollte, wäre dieser selbst in der angegebenen Lage unsinnig; ein allzu großer Gefällsunterschied wäre außerdem für die Rabensburger Mühle von Nachteil gewesen.

Alle bisherigen Aussagen zur Uferbefestigung betrafen das linke Ufer, während an der rechten Seite nur noch Pfosten 12 - ein offensichtliches Gegenstück zu Pfosten 4 e - auf die einstige Bewehrung hinweist. Die Verbindungslinie von Pfosten 4 e zum inneren Rand der Verzapfung 1 a läßt aber wenigstens richtungsmäßig auf analoge Verhältnisse zur gegenüberliegenden Uferseite schließen.

Nach Abzug jener beiden Strecken, um welche die Uferbefestigung der Geresdorfer Mühle die Enden des Fachbaumes überlagerte, hatte das Untergerinne eine Breite von 11,60 m[55]. Dieses Ausmaß erscheint allerdings für den weiteren Verlauf des Mühlgrabens in dieser Größenordnung nicht als repräsentativ, weil sie auf die Dauer einen zu hohen Wartungsaufwand mit sich gebracht hätte. Zwar weist auch der Katasterplan von 1821 eine ansehnliche Breite aus (Abb. 52), doch dürfte diese in der damals weitaus größeren Kapazität der Mühle in Rabensburg (12 Mahlgänge),[56] begründet sein. Im Mittelalter reichten hingegen nach Auskunft von Rechtsquellen bereits Breiten von etwa 1,0-2,5m aus[57]. Im Vergleich zu solchen Maßangaben dürfte für den Rabensburger Mühlgraben, der genannten Breite des Untergerinnes nach zu schließen, sicher mehr zu veranschlagen sein, zumal er spätestens seit dem 3. Viertel des 16. Jahrhunderts auch eine Sägemühle versorgten[58]. Eine Fixierung auf einen verbindlichen Mittelwert ist aber nicht möglich.

Ausgehend vom Fachbaum sind noch anderweitige Aussagen möglich. Sein Neigungswinkel von 4 Grad,[59]) gibt zuverlässig über das Stoßgefälle Auskunft, mit dem die Geresdorfer Mühle arbeitete. Er kommt dem der Ahrensfelder Mühle (56 Grad) [60]nahe, so daß sich die dortige Ausgrabung für Vergleiche und Ergänzungen empfehlen würde; ein Analogieschluß, der auf die absolute Fallhöhe der Geresdorfer Mühle bzw. auf die Länge der Schußstrecke oder gar auf die Situierung eines Wasserrades abzielt, wäre aber nicht angebracht. Die auf dem Fachbaum stromaufwärts ausgesparte Rast in Gestalt einer mehrere Zentimeter starken Feder läßt darauf schließen, daß das Untergerinne mit kräftigen Pfosten ausgelegt war[61], allerdings fehlt von der Befestigung dieses Pfostenbelages am Fachbaum jede Spur.

Die auffallendsten im Untergerinne noch erhaltenen Reste sind die Pfosten 16, 5, 6 und 7, die allem Anschein nach jeweils paarweise je ein Mahlgerinne, also insgesamt deren drei, begrenzt haben. Da diese Pfosten lotrecht eingerammt waren, dürften sie als die stromaufwärts liegenden Stelzen der einzelnen Radauflager[62] fungiert haben. Wenn man für diese Auflager die - von den übrigens durchwegs niederösterreichischen Bildbeispielen (Abb. 56, 58 und 61) - gut veranschaulichte Konstruktionsweise voraussetzt, erweist sich die Vermutung, daß die nicht mehr in situ aufgefundenen Pfosten 8 - 11 flußabwärts gelegene Gegenstücke zu den Pfosten 16 und 5 - 7 darstellen[63], als äußerst treffend. Angesichts des schwachen Querschnittes mancher dieser Pfosten wäre es wahrscheinlich, daß mehr als zwei von ihnen hintereinander angeordnet waren (vgl. Abb. 56 und 61); dafür spricht auch die beträchtliche Höhe, die die Radauflager - und umso mehr erst die Wasserräder selbst aufgrund der ursprünglichen Länge der Pfosten 8 - 11 (mehr als 3,11 m) aufzuweisen hatten. Diese Stelzen galten sicherlich als Verschleißteile, wie die unterschiedlichen Holzarten (Eiche, Ulme) und Pfostenprofile bezeugen[64]. Die äußerste Stelze des Radauflagers (Pfosten 16) muß die Trennlinie zwischen den drei Mahlgerinnen und dem Wüstgerinne markieren. Von dem 11,6 m breiten Untergerinne entfielen demnach nur etwa 2,7 m auf das Wüstgerinne. Die Mahlgerinne waren nach dem wechselseitigen Abstand der Auflagerstelzen jeweils rund 2,25 m breit.

Da ferner sämtliche Auflagerstelzen im gleichen Abstand vom Fachbaum stehen, müssen alle zugehörigen Wasserräder im Verhältnis zueinander ebenfalls auf gleicher Höhe, das heißt auf einereinzigen Welle angeordnet gewesen sein; unter den beiliegenden bildlichen Vergleichsbeispielen ist hierfür Abb. 55 am treffendsten. Die Geresdorfer Mühle hatte demnach zwar drei Räder, aber nur einen einzigen Mahlgang - eine Anordnung, die üblicherweise bei mangelnder Stoßkraft des Wassers als Prinzip der Verstärkung gewählt wurde[65]; auf die schon weiter oben erschlossene Konzeption der Geresdorfer Mühle für geringen Wasserbedarf deutet also noch ein zweites Argument hin.

Wie erklärt es sich, daß das Antriebspotential des Mühlgrabens an dieser Stelle so gering war, obwohl praktisch unmittelbar daneben das Stauwehr lag? Die Ursache dafür scheint die Rücksichtnahme auf die Rabensburger Mühle gewesen zu sein, denn die für sie verfügbare Antriebskraft muß aus physikalischen Gründen umgekehrt proportional zum Gefällsverlust an der Geresdorfer Mühle veranschlagt werden. Diese Gesetzlichkeit mußte zudem aus einem anderen Grund umso stärkere praktische Beachtung finden: eine Rechtsweisung des liechtensteinischen Urbars von 1414 läßt nämlich darauf schließen, daß die herrschaftliche Mühle zu Rabensburg mit (mindestens?) zwei Mahlgängen ausgestattet war[66], was einem entsprechend höheren Bedarf an Wasserkraft gleichkommt; unter Umständen reichte auch die 1570 erwähnte Rabensburger Sägemühle [67] noch ins Mittelalter zurück.

Speziell zu den drei Mahlgerinnen liegen keinerlei bautechnische Aufschlüsse vor. M öglicherweise waren sie nach der aus Abb. 55 ersichtlichen Art in der Flucht der Auflagerstelzen separiert, was freilich - im Gegensatz zu dieser Abbildung - nur im Untergerinne wirklich sinnvoll wäre, urn die gegenseitige Beeinträchtigung der Räder zu vermeiden; wahrscheinlicher ist aber wohl anzunehmen, daß das Mühlwasser im Bereich der drei Räder gänzlich unbehelligt von "strömungstechnischen" Einbauten frei in der Fallinie abströmen konnte, ähnlich wie aus Abb. 61 ersichtlich. Diese Annahme empfiehlt die am Fachbaum ausgesparte Rast[68], die auf einen durchgehend gleichförmigen Wasserabschuß hindeutet. Von einer Bündelung des Wassers auf die Breite der Mühlräder mit Hilfe einer Schußrinne, an die nach dem Beispiel der Ahrensfelder Grabung zu denken wäre[69], kann bei dieser Bauweise allerdings keine Rede sein. Vielmehr kommt jedes Maß, das über die Breite eines Wasserrades hinausgeht, schlechthin einer Vergeudung der Wasserkraft gleich[70], wodurch die Geresdorfer Mühle nicht ihren

potentiellen Wirkungsgrad erreicht haben kann.

Die vorigen Aussagen beruhten zugegebenermaßen auf Vermutungen, die zunächst durch den Grabungsbefund wohl inspiriert, aber nicht fundiert erscheinen. Entwickelt man jedoch den Gedankengang folgerichtig weiter, so ergibt sich dennoch sogleich wieder eine Koinzidenz mit den archäologischen Aufschlüssen. Denn wenn tatsächlich keine Schußrinnen vorhanden waren, müssen auch Wirkungsweise und Nutzen einer allfälligen Vorspannung des Mühlwassers mittels Schleusen und Mühlenwehr als höchst fraglich erscheinen. Und hier zeigt sich in der Tat, daß der Fachbaum, der üblicherweise das Grieswerk mit den Schiebern der Schleusen trug, an der Geresdorfer Mühle keinerlei Spuren aufweist, die das seinerzeitige Vorhandensein eines Grieswerkes irgendwie nachweisen würden. Auch die Ansatzpunkte der Verankerung des Fachbaumes (Nr. 1a und b sowie 2 a-c) können hiefür keinesfalls in Frage kommen, weil dies eine völlig ungeeignete Breite der Schleusenschieber bedingen würde und vor allem jegliche Übereinstimmung mit den drei Mahlgerinnen vermissen ließe. All das deutet auf das gänzliche Feh1en eines Grieswerkes an der Geresdorfer Mühle hin. An seiner Statt dürfte der Fachbaum ein Überfallwehr gebildet haben[71].

Eine solche Bauweise mutet gerade bei einem Gewässer überraschend an, das arm an natürlichem Gefälle ist. Umgekehrt ersieht man aus den Abbildungen, die einen Großteil des derzeit beizubringenden Vergleichsmaterials österreicmscher Provenienz ausmachen[72], daß Wehre in unserem Raum offenbar nicht zu den bestimmenden mühlenbaulichen Erscheinungen zählten. Vielmehr könnte man aus dem obigen Nachweis der Konzeption für geringen Wasserbedarf folgern, daß man lieber einen Mühlentyp wählte, der diesen Aufwand gar nicht erst erforderte; dies Auslegung auf geringen Wasserbedarf wäre dann mit anderen Worten nicht aus technischem Unvermögen, sondern mit Absicht zustandegekommen, ja es ist nicht einmal auszuschließen, daß man sich sogar der vorhin festgestellten Vergeudung der Wasserkraft bewußt war. Auch die Folgerung, daß mittelalterliche Mühlen, die an einem gefällsarmen Mühlwasser aufeinanderfolgten, im jeweiligen Typ variierten, ist unter diesen Aspekten vertretbar.

Das Fehlen eines Mühlenwehres mit Grieswerk entspricht dem Beispiel der Bardowicker Mühlengrabung, welche außerdem lehrt, daß dennoch bereits ein Gefälle von 0,30 m - dies entspräche etwa zwei Dritteln der Höhe des Fachbaumes der Geresdorfer Mühle - für den Betrieb einer unterschlächtigen Wassermühle ausreichend war, wenn die Mühle - auch diese Gemeinsamkeit zwischen den beiden Grabungen ist gegeben - unmittelbar am Beginn des Mühlgrabens lag[73]. Hinsichtlich der Fallstrecke ist wieder ein Vergleich mit der schon wiederholt zitierten Abb. 55 am Platz: auf ihr erkennt man im Kontrast zur oberen Begrenzung der Uferbefestigung eindeutig, daß links, also im Obergerinne, ein etwas höherer Wasserstand besteht als stromabwärts von den Wasserrädern, die offenbar tangential zum Wasserabschuß an der Gefällsstufe angeordnet waren. Ganz in dieser Art muß auch die Geresdorfer Mühle angelegt gewesen sein, welcher die genannte Abbildung bezüglich vieler wasserbaulicher Details sichtlich am nächsten kommt. Diese Übereinstimmung darf auch hinsichtlich des Durchmessers der Wasserräder postuliert werden. Die Mühle in Abb. 54/55 weist, wenn der überschlagsmäßige Größenvergleich mit der Person oder dem Bildstock davor gestattet ist, einen Raddurchmesser von gut eineinhalb Mannshöhen oder einen Radius von rund 1,5 m auf. Bei der Geresdorfer Mühle deuteten bereits die über 3 m langen Reste von mutmaßlichen Stelzen der Radauflager ebenfalls auf eine ansehnliche Größe der Räder hin[74]. Selbst wenn diese Stelzen angenommen 1,5 m tief eingerammt gewesen sein sollten, verbleibt als Radius des Wasserrades - gemindert um einen Schätzbetrag für die Wassertiefe -  immer noch eine Länge von jedenfalls 1,5 m. Da die drei Wasserräder nach dem Muster von Abb. 55 nahe an den Beginn der Gefällstufe bzw. an den Fachbaurn herangereicht haben müßten, ist auch die Nähe der vorderen Auflagerstelzen (Pfosten 16 und 5 - 7) zum Fachbaum erklärlich; eine derartige Position gilt bei Wasserrädern nach neuzeitlichen Erkenntnissen als hydrodynamisch besonders effektiv[75]. Es folgt daraus weiter, daß die Wasserräder stromauf- und stromabwärts über den horizontalen Balken des jeweiligen Auflagers hinausgeragt haben müssen und demnach etwa analog zum Beispiel von Abb. 56 konstruiert waren, wo etwa doppelt rnannshohe Wasserräder aufscheinen.

 

Abschließende Wertung

 

Mag auch der vorliegende Mühlenfund auf den ersten Blick dürftig erscheinen, so ermöglicht seine Analyse dennoch überproportional viele Aussagen über bauliche Einzelheiten der Geresdorfer Mühle und ist zudem aufs engste auch mit vielen Sachverhalten von lokalhistorischer Bedeutung verknüpft. Unter diesen Aspekten ist es von untergeordneter Bedeutung, daß gewisse Belange der Mühle nicht dokumentierbar sind: vorn Mühlenhaus selbst, dem vielleicht Pfosten 15 zugehörte, kann aufgrund des völligen Fehlens einer baulichen oder namenkundlichen Tradition angenommen werden, daß es aus Holz bestand[76] und mit Sicherheit auf der Landzunge zwischen dem Mühlgraben und der Thaya lag (Abb. 52). Von der flächenmäßigen Ausdehnung des Mühlengebäudes besteht aufgrund der Schleife des Weges im betreffenden Bereich wenigstens andeutungsweise eine Vorstellung[77]. Völlig offen bleibt, ob, wie in Abb. 55, trotz der Nähe einer Brücke zusätzlich auch unmittelbar oberhalb der Wasserräder ein Steg vorhanden war. Für die Kraftübertragung und das eigentliche Mahlwerk - die dem Prinzip nach konstantesten und daher "weniger" interessanten Bauteile mittelalterlicher Mühlen - kann die zeitgenössische Darstellung des sogenannten Hausbuch-Meisters (um 1480) zur Veranschaulichung dienen[78]; Mühlsteine wurden in Ahrensfelde und in Bardowick gefunden[79], doch erscheinen Analogieschlüsse ohne Berücksichtigung der jeweiligen Antriebsvariante nicht ratsam.

Ein Problemkreis, der noch kurz Beachtung verdient, ist die Frage, auf welche Weise die Geresdorfer Mühle abgekommen ist. Von ihr weiß man zwar, daß sie nach dem mutmaßlichen Wüstfallen der Dorfstätte von Geresdorf noch eine zeitlang im 15. Jahrhundert weiterbestand[80], doch hat sich - ähnlich wie bei der Bardowicker und bei der Ahrensfelder Mühle[81] - außer im Flurnamenbestand keine schriftliche oder rnündliche Tradition ihres Fortbestandes erhalten[82]. Offen bleibt ferner, ob das Verschwinden der Geresdorfer Mühle in direktem Zusammenhang mit dem Wüstfallen des Dorfes stand und inwieweit diesbezüglich die (von der lokalhistorischen Forschung generell gern überbewertete) Katastrophentheorie vor der Agrarkrisen- und der Fehlsiedlungstheorie[83] zum Tragen kommt. Ein Schlüssel zur Antwort auf diese Fragen liegt sicherlich in den noch dunklen Bereichen der Besitz- und Personengeschichte des betreffenden Raumes im Mittelalter. Von der Ausgrabung her ist jedenfalls kein klärender Beitrag hiezu möglich. Insbesondere fehlt jedes Anzeichen für eine absichtliche Zerstörung der Mühle, wie man sie etwa für die Zeit der Hussitenstürme erwarten würde[84]. Außerdem darf nicht übersehen werden, daß neben den Hussiten genausogut noch eine ganze Reihe sowohl innerer, als auch äußerer zerstörerischer Kräfte als auslösendes Moment der Verödung in Frage kommt: Zu denken ist sicherlich bereits an die herzogliche Strafaktion gegen Hans von Liechtenstein und seine Familie (1395); ferner an die kriegerischen Streitigkeiten unter den Söhnen Karls IV. (um 1400), als deren Folge Hohenau zu einem Zentrum des Terrors wurde, dessen Umland so legendären Schreckgestalten wie dem "Scheckel" und dem "Dürrteufel" auf Jahre ausgeliefert war; zudem an die zahlreichen Fehden und Privatkriege der kleineren Geschlechter, die unter Umständen aus der Grenzlage in opportunistischer Gesinnung für sich selbst möglichst viel Kapital zu schlagen versuchten und denen die weiteren Wirren des 15. Jahrhunderts in dieser Hinsicht nur entgegenkommen mußten[85]. Insgesamt wird wohl am ehesten an eine Verkettung von katastrophalen Ereignissen -- als deren Auftakt sicherlich bereits die Pestjahre 1348/50 in Frage kommen - mit besitzmäßigen Veränderungen und flurbereinigenden Maßnahmen[86] zu denken sein. Die diesbezüglichen Untersuchungen bilden aber ein noch sehr weites Brachfeld der landesgeschichtlichen Forschung.

Der Mühlenfund wird hiefür zwar keinen belangvollen Beitrag leisten, doch ändert das nichts an seiner grundsätzlichen Bedeutung für die österreichische Sachkulturforschung, an der auch die diesmal leider unausweichlichen grabungstechnischen Schwierigkeiten nichts ändern können. Diese erste Mühlengrabung auf österreichischem Boden bedeutet einen wichtigen Schritt, der es verdient, als Zeichen des Aufbruches gewertet zu werden: einerseits als Wende zur Aufnahme der systematischen landeskundlichen Erforschung von Mühlen[87], andererseits als Anstoß für die in Österreich so dringliche Intensivierung der interdisziplinären Bearbeitung von Bodenfunden.



[1] Siehe die bisher erschienenen kurzen Vorberichte: H. Adler, FÖ 13, 1974, 99-101; FÖ 14, 1975, 7-14; FÖ 15, 1976, 261-264; FÖ 16, 1977, 414-416; FÖ 17, 1978, 326-330; FÖ 18, 1979, 44-48 ; FÖ 19, 1980, 500-503.

[2] H. Adler, FÖ 17, 1978, 328-329 und FÖ 18, 1979, 444-446. H. Adler, Die Entdeckung eines römischen Marschlagers im norddanubischen Niederösterreich, PAR 29, 1979, 14-16.

[3] H. Adler, FÖ 17, 1978, 329-330.

[4] In diesem Zusammenhang muß der Liechtenstein'schen Gutsverwaltung Hohenau an der March, besonders Herrn Dipl.-Ing. Riedmüller, für das große Verständnis gedankt werden, das den archäologischen Arbeiten entgegengebracht wurde.

[5] An dieser Stelle sei allen an den Ausgrabungen Beteiligten der Dank ausgesprochen

[6] Vor allem sei Herrn Amtsrat Johann Offenberger sowohl für seinen unermüdlichen Einsatz bei den schwierigen Arbeiten wie auch für die zielführenden Diskussionen gedankt.

[7] Beiden Herren sei für die Mitarbeit bestens gedankt.

[8] F. Felgenhaüer, Zum Stand mittelalterarcbäologischer Forschung in Österreich Mitt. d. österr. Arbeitsgemeinschaft für Ur- und Frühgeschichte 25, 1974/75, Teil 2, 245 f.

[9] Die Daten sind auf das Jahr 1950 bezogen

[10] Die Daten sind auf das Jahr 1950 bezogen

[11] Für diesen bereits zu Beginn der Ausgrabungsarbeiten in der Flur Aulüssen der KG Bernhardsthal gegebenen Hinweis sei Herrn Pro£. Robert Zelesnik, Leiter des Mus. Hohenau an der March, verbindlichst gedankt

[12] Im Zuge der Notgrabung in der Flur Aulüssen konnten neben zahlreichen mittelneolithischen Scherben und ganz wenigen Steingeräten, die sich entweder im unteren Bereich des primären Humus oder umgelagert in jüngeren Gruben fanden, bisher eine Siedlungsgrube und ein Grab dieser Zeitstufe nachgewiesen werden. Siehe dazu H. Adler, FÖ 18, 1979, 447 und FÖ 16, 1977, 416.

[13] Zur Verankerung der Grabungsstelle im Kartenbild siehe S. 10, Abb. 1.

[14] H. Krenn, Die Bedeutung der Wüstungen für das Siedlungs- und Flurbild des nordöstlichen Weinviertels, phil. Diss. Wien 1964, 73 und 82 (mit Anm. 2).

[15] Originale im Niederösterreichischen Landesarchiv, Wien (Bernhardsthal: UM 27, Bl. 7; Rabensburg: UM 319, Bl. 1 und 4).

[16] H. Krenn, Anm. 14, 80-82 unter Kritik älterer Versuche. Vgl. auch R. F. Zelesnik, Heimatbuch der Marktgemeinde Bernhardsthal, unter Einbeziehung der Schwesterngemeinden Reinthal und Katzelsdorf, Wien 1976, 469.

[17] Umfangreiche Literaturangaben hierzu bei R. Moldenhauer, Mühlen und Mühlenrechte in Mecklenburg, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, germ. Abt. 79, Weimar 1962, 195, Anm. 1 und bei H. Gleisberg, Technikgeschichte der Getreidemühle (Deutsches Museum, Abhandlungen und Berichte 24/3), München und Düsseldorf 1956. Der folgende Überblick basiert auf Gleisberg und vor allem auf J. G. Krünitz, Art. Mühle, in: ökonomischtechnologische Encyklopädie usw. 95 und 96, Berlin 1804 (bes. 95, 198-206 und 246-252; darin 95, 467 ff. auch ein Verzeichnis der "vorzüglichsten Werke über den Bau von Wassermühlen"). Für den Hinweis auf dieses Werk und andere einschlägige Literatur bin ich Herrn Dr. I. Kropac (Graz) zu herzlichem Dank verpflichtet; andere Literaturhinweise verdanke ich Herrn Dr. K. Lohrmann (Archiv der Stadt Wien).

[18] Das liechtensteinische Urbar (1414) kennt neben dem Ausdruck mulgraben (für Rabensburg) auch den Terminus mulwasser (für Unter-Wisternitz): siehe B. Bretholz (Hrsg.), Das Urbar der liechtensteinischen Herrschaften Nikolsburg, Dürnholz, Lundenburg, Falkenstein, Feldsberg, Rabensburg, Mistelbach, Hagenberg und Gnadendorf aus dem Jahre 1414 (Sudetendeutsche Geschichtsquellen 3), Reichenberg und Komotau 1930, 142 und 39. Die Terminologie der niederösterreichischen Weistümer erstreckt sich auf die Ausdrücke milgang (1433, für Grafenwörth), mühlgang und mihlpach, 1585 für St. Andrä an der Traisen) sowie mullgraben (1441, für Neulengbach): siehe G. Winter (Hrsg.), Niederösterreichische Weistümer 2, Wien und Leipzig 1896, 665 sowie ebd. 3, Wien und Leipzig 1909, 328 und 124 (in der Reihenfolge der Aufzählung). Die Bezeichnung "Mühlgraben" deutet - zumal im Flachland - offenbar darauf hin, daß das betreffende Gerinne in der Regel eigens angelegt - "gegraben" - oder unter ähnlichem Aufwand aus einem natürlichen Seitenarm (wie im Falle von Rabensburg wahrscheinlich) umgestaltet werden mußte (vgl. auch R. Moldenhauer, Anm. 17, 202, Anm. 17). Zweifellos hängen mit diesem Sachverhalt auch die teils rigorosen Vorschriften zur periodischen Wartung und laufenden Instandhaltung zusammen (vgl. 0. Peterka, Das Wasserrecht der Weistürner, Prag 1905, 64ff. und R. Moldenhauer, Anm. 17, 221, bes. Anm. 64). - Unter Umständen wurden Mühlgräben einfach auch nur deswegen angelegt, weil die Breite des Flusses für die Errichtung eines Mühlenwehres zu groß war. Dieser Fall ist offenbar in Abb. 56 und 57 gegeben, wo jeweils in der Gesamtansicht der Hauptarm gut erkennbar ist. Die Mühle auf Abb. 57 fand (offenbar infolge ausreichenden natürlichen Gefälles) mit einem äußerst kurzen Mühlgang das Auslangen, so daß das linke Gebäude auf eine Insel zu stehen kam.

[19] Für die Herleitung dieses Wortes gibt es zwei Erklärungen: entweder davon, daß diese Schwelle das Gerinne gewissermaßen in zwei "Fächer" (= Abteilungen) teilt, oder wohl besser davon, daß das strömende Wasser durch sie - im Sinne des Rückstaues - "gefangen" wird (mhd. vähen): vgl. A. Schmeller, Bayerisches Wörterbuch 1, München 1872, Ndr. Leipzig 1939, 685 bzw. G. Winter. Anm. 18, Bd. 4, Wien 1913, 639 f.

[20] Siehe Anm. 23.

[21] R. F. Zelesnik, Anm. 16, 408 und 481, Anm. 29 (vgl. auch unten Anm. 26)

[22] F. J. Beranek, Wer war Gebolf?, JbLkNö, Neue Folge 34 (Festschrift zum 60. Geburtstag von A. Klaar), Wien 1960, 49-70. - Es erschiene jedoch einer Prüfung wert, ob nicht auch eine andere Etymologie der betreffenden Ausdrücke denkbar wäre, etwa mit folgenden Ansätzen: gewagt, gewald (vgl. M. Lexer, Mittelhochdeutsches Wörterbuch 1, Leipzig 1872, Ndr. Stuttgart 1974, 972), wodurch sinngemäß eine Parallele zum geläufigen Ausdruck "Bannwehr" gegeben wäre, den übrigens das liechtensteinische Urbar (1414) gerade für das in Rede stehende Wehr gebraucht: vgl. B. Bretholz, Anm 18, 325 (panwür, siehe Anm. 29); wal(e)n, wälzen, rollen (M. Lexer, ebd. 3, Leipzig 1876, Ndr. Stuttgart 1974, 656), was ein Bezug auf das Hineinwälzen von Steinen in den Fluß zwecks Stauung (vgl. Gleisberg, Anm. 17, 25) ergäbe;

gewallen, Perfektpartizip zu wallen, sprudeln, wogen (M. Lexer, Anni. 22, Bd. 3, 954 f.), was zu einem Überfallwehr passen würde;

kobel, Behältnis (A. Schmeller, Anm. 19, 1216 f.) im Sinne von "Wasserstubell, "Kasten" u. dgl.

[23] B. Bretholz, Anm. 18, 144 und 234 f. bzw. G. Winter, Anm. 18, Bd. 4, 247-250 (Taiding zu Rabensburg, 1414; bes. 249). Zum betreffenden Wortlaut siehe unten Anm. 29.

[24] R. F. Zelesnik, Anm. 16, 408 nach F. J. Beranek, Anm. 22, 63. Zum Folgenden vgl. A. Schmeller, Anm. 19, 16.

[25] H. Krenn, Anm. 14, 82.

[26] R. F. Zelesnik, Anm. 16, 470 (vgl. auch Anm. 21)

[27] H. Wiemann, Beiträge zur Geschichte des Mühlenrechts. Dargestellt an den Mühlen der Herrschaft Crimmitschau vom 14.-17. Jahrhundert, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, germ. Abt. 66, Weimar 1948, 478 (nach C. Koehne) und R. Moldenhauer, Anm. 17, 215 f.

[28] Siehe die Zusammenfassung der diesbezüglichen Rechtslage bei 0. Peterka, Anm. 18, 64 ff. und bei R. Moldenhauer, Anm. 17, 219 f. (mit Anm. 62); vgl. auch H. Wiemann, Anm. 27, 497 f.

[30] Siehe unten Anm. 39. Die urkundlichen Erstnennungen von Rabensburg und Geresdorf (1255 bzw. 1287, siehe R. F. Zelesnik, Anm. 16, 479) erbringen hiezu keine bedeutenden Aufschlüsse, wenngleich viele Anhaltspunkte auf eine wesentlich frühere Gründung von Rabensburg hindeuten (vgl. ebd. 486 f.).

[31] F. J. Beranek, Anm. 22, 69. Zusätzliche mühlenbautechnische Bedenken siehe unten S. 41 und 43.

[32] Wie Anm. 23; ferner B. Bretholz, Anm. 18, 141 und 232.

[33] Zur Dorfflur von Geresdorf siehe H. Krenn, Anm. 14, 80 f. - Ähnlich darf (vgl. ebd. 80) die Standortangabe Gerestorf bei der Tey ebensowenig "wörtlich" genommen werden (die genannte Lagebezeichnung bei J. Chmel, Maissauisches Lehenbuch, in: Notizenblatt. Beilage zum Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen 7, Wien 1857, 352); vgl. in derselben Quelle auch die Angabe "Geresdorf bei Rabensburg" (ebd. 95 und 335).

[34] J-1. P. Schad'n, Die Hausberge und verwandten Wehranlagen in Niederösterreich, Ein Beitrag zur Geschichte des mittelalterlichen Befestigungswesens und seiner Entwicklung vom Ringwall bis zur Mauerburg und Stadtumwehrung, Prähistorische Forschungen 3, Wien 1953, 121 f. (unter "Rabensburg").

[35] R. F. Zelesnik, Anm. 16, 469; H. Krenn, Anm. 14, 81 f.; F. J. Beranek, Anm. 22, 63.

[36] Vgl. R. F. Zelesnik, Anm. 16, 469 f. und F. J. Beranek, Anm. 22, 63. Das liechtensteinische Urbar (1414) gebraucht den Terminus haws durchwegs mit Bezug auf die Herrschaft und im Sinne von "Schloß" (siehe auch B. Bretholz, Anm. 18, 443).

[38] Vgl. Anm. 22

[39] F. J. Beranek, Anm. 22, 63 und vor allem 68

[40] Vgl. ähnlich ebd. 69.

[41] Zu den Hering, ihren Vorgängern und Nachfolgern als Inhaber von Bernhardsthal siehe R. F. Zelesnik, Anm. 16, 33 f. Das liechtensteinische Urbar und das Weistum von 1414 nennen des Herings mullner zw Geresdarff (siehe Anm. 29), der allerdings der liechtensteinischen Gerichshoheit unterworfen war: Nota: das darff Gerasdarff ist öd, vnd mein herrn von Liechtenstain sind gewaltiger richter von aim gemerkch hincz dem anderen; vnd die mul daselbs leit in meiner herren gericht (B. Bretholz, Anm. 18, 232).

[42] R. F. Zelesnik, Anm. 16, 358; vgl. auch unten Anm. 44.

[43] Der Flurname "Thaläcker" leitet sich nicht etwa von einer Absenkung des Geländeniveaus her, sondern hängt mit dem Verbum "teilen" zusammen und ist gleichbedeutend mit der Bezeichnung schidungen (von "scheiden"), die für dieselbe Flur bereits im Urbar von 1414 begegnet (H. Krenn, Anm. 14, 97). Demnach ist die zunächst naheliegende Vermutung, daß vielleicht erst eine neuzeitliche "Teilung" der Ackerflur zum Verschwinden jenes diagonalen Wegabschnittes geführt hat, nicht zielführend.

[44] Vgl. oben Anm. 42. Für R. F. Zelesnik leitet sich die Bezeichnung "Mühlweg" von der Rabensburger Mühle und erst aus der Zeit nach dem Verschwinden der Geresdorfer Mühle her. - Von der äußeren Erscheinung damaliger Straßen vermitteln die Abb. 54 und 58 eine Vorstellung.

[45] Vgl. R. F. Zelesnik, Anm. 16, 356 f. nach A. Becker, Heimatkunde von Niederösterreich,

2. Heft (Viertel unter dem Manhartsberg), 1924. - An dieser Stelle muß kurz auf eine mündliebe M@eilung von Dr. H. Adler eingegangen werden. Danach weist eine Luftaufnahme des Bundesdenkmalamtes eine weitere von den drei Tumult ausgehende Altstraße aus, die in südöstlicher Richtung bis in die Rabensburger Flur hinein verfolgt werden kann, wo sie allerdings ein abruptes Ende nimmt. Dieser Ast, in dessen Nähe zwei hellere runde Flecken (die von einstigen Grabhügeln herrühren könnten) auszunehmen sind, ist etwa auf den Geresdorfer Hausberg hin gerichtet. Es wäre eine spezielle Untersuchung wert, ob Dr. Adlers Vermutung zutrifft, daß hier eine Altstraße vorliegt, die sich an frühgeschichtlichen Flurdenkmälern orientierte!

[46] H. Gleisberg, Anm. 17, 35. Da die Geresdorfer Mühle unterschlächtig war, war dieser Umstand in der Bildauswahl vorrangig zu berücksichtigen

[47] J. G. Krünitz, Anm. 17, Bd. 95, 198 empfiehlt 4 Ellen, also etwa 2,5 m. Die Stärke dieser Pfähle entspricht im Durchschnitt etwa den laut Krünitz (ebd. Tafel 55-60) ausreichenden Dimensionen für die Zapfen eines Fachbaumes. Unserem Bodenfund kommt hinsichtlich des Abstandes der Verankerungspfähle der Befund aus der Ahrensfelder Grabung (zwei Pfähle für einen 4,5 m langen Grundbaum) sehr nahe (vgl. V. Kellermann, Die Ausgrabung der mittelalterlichen Wassermühle von Ahrensfelde, Hammaburg 9, 1953, 67 und Tafel XXIV).

[48] Die Rechnungen des Salzburger Bürgerspitals (Salzburger Landesarchiv, Nr. 97 ff.) weisen in den Jahren 1498/99, 1501/02, 1505 und passim wiederholt aichen Holz in wasserbaulicher Verwendung auf

[49] Vgl. hierzu und zum Vorigen J. G. Krünitz, Anm. 17, Bd. 95, 199 und 202 f.

[50] Ebd. 200.

[51] Ebd. 202, vgl. oben S. 36.

[52] Vgl. S. 12.

[53] Ähnlich auch bei der um 1300 erbauten Wassermühle von Ahrensfelde (vgl. V. Kellermann, Anm. 47, 67 und H. Issleib, Die Betriebsanlagen der alten Wassermühle am Ahrensfelder Teich, Hammaburg 9, 1953, 69).

[54] H. Gleisberg, Anm. 17, 38 und R. Moldenhauer, Anm. 17, 198.

[55] Vgl. oben S. 33 und 41.

[56] R. F. Zelesnik, Anm. 16, 501.

[57] H. Wiemann, Anm. 27, 494 spricht für das Pleißner Land im Deutschordensstaat von drei bis vier Ellen; das Banntaiding von Herzogenburg (vor 1500) nennt eine Breite von drei daumöllen: vgl. H. L. Werneck, Beiträge zur Geschichte der Wasserkraftanlagen an der mittleren und unteren Traisen, Fladnitz, Perschling (Mühlen, Hammer, Großgewerke) von 885-1965, Herzogenburg-Horn 1965, 6 und 11 f.

[58] R. F. Zelesnik, Anm. 16, 502

[59] Siehe oben S. 14.

[60] V. Kellermann, Anm. 47, Tafel XXIV

[61] Siehe oben S. 33 und Abb. 8. Zur folgenden Feststellung vgl. ausführlicher S. 44.

[62] Auf den ohne Zweifel sinnvolleren Begriff "Radstuhl", den etwa auch V. Kellerrnann (Anm. 47, 67) gebraucht, wird hier verzichtet, da J. G. Krünitz (Anm. 17, Bd. 95, 257) darunter die Wangen der Wasserräder und ihre Verspeichung versteht.

[63] Siehe oben S. 33.

[64] Vgl. obige Holzartenbestimmungen. Auch bei der 1933/34 in Bardowick (Kreis Lüneburg, BRD) ausgegrabenen Wassermühle kamen teils runde, teils polygonal behauene, teils anderweitig bearbeitete und zweifellos sekundär verwendete Pfosten zum Vorschein (F. Krüger, Eine frühmittelalterliche Wassermühle in Bardowick, Mannus 26, Leipzig 1934, 344 und 346). Eine andere Vergleichsmöglichkeit betrifft die Länge der ausgegrabenen Balken. Sie betrug in Bardowick 2,5-4,0 m (ebd. 344).

[65] Vgl. hierzu R. Moldenhauer, Anm. 17, 198 f. und 207

[66] Vnd ob es als vol wer von lanntpaurn, so sol man vns das ain rad gen lassen, das die gemain nicht gesawmbt werd (B. Bretholz, Anrn. 18, 234). Auch hier klingt gleichsam eine Vorrangstellung der Rabensburger Mühle an - zwar kein zwingendes Indiz für die relative Chronologie der beiden Mühlen, aber doch ein Argument gegen die Annahme einer zentralen Funktion der Geresdorfer Mühle in einem gedachten herrschaftlichen Großraum: mit nur einem Mahlgang ist ihre Kapazität, mit den drei Rädern ihr Wirkungsgrpd für eine solche Zweckbestimmung als viel zu gering einzustufen. Eher hätte demgegenüber die Rabensburger Mühle - zumindest in der Zeit um 1414 - sowohl nach der Intention ihrer Besitzer, als auch nach ihrer technischen Konzeption die entsprechenden Voraussetzungen aufgewiesen! - Zu Mühlen mit mehreren Mahlgängen seien folgende Vergleichsbeispiele genannt: eine liechtensteinische Mühle mit vier Rädern (1414) in Fröllersdorf laut B. Bretholz, Anm. 18, 124; eine Mühle curn septem rotis (um 1300) bei Meran und eine mit zwei Rädern (1298) in Meran laut 0. Stolz, Geschichtskunde der Gewässer Tirols, Schlern-Schriften 32, Innsbruck 1936, 320; ein motendinum cum duabus Rotis (1408) bei Neumarkt/Südtirol laut E. Langer, Die Thunische Familie in der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts (3. Abteilung der mittelalterlichen Hausgeschichte der Familie Thun), 1. Teil: Die Simeonische und Bertoldische Linie, Wien 1906, 47*.

[67] Vgl. Anm. 58.

[68] Vgl. oben S. 33. Ähnlich auch die Bauweise an der Ahrensfelder Mühle (siehe H. Issleib, Anm. 53, 69).

[69] V. Kellermann, Anm. 47, 67 (mit Tafel XXIV).

[70] J. G. Krünitz, Anm. 17, Bd. 95, 213

[71] Zur Breite von Schleusenschiebern vgl. ebd. 201; zur Funktionsweise des Überfallwehres

R. Moldenhauer, Anm. 17, 199 f. (Anm. 12) sowie ausführlicher J. G. Krünitz, Anm. 17, Bd. 95, 249-252. - Nach dem letztgenannten Autor erforderte ein Überfallwehr keine prinzipielle Änderung der oben (S. 36) beschriebenen Gerinnekonzeption (Mühlenherd, Fachbaum, Stoßgefälle), sondern im wesentlichen bloß die Weglassung des Aufziehwehres - und dies entspricht genau dem bei der Geresdorfer Mühle aufgedeckten Bestand!

[72] Als vorläufige Ergänzungen zu diesem Bestand sind innerhalb der Austriaca in der I-landschriftensammlung der österreichischen 1%Tationalbibliothek zwei Belege zu nennen: cod. 485 (Leben Jesu, lavierte Federzeichnung, mährisch, um 1430) weist auf fol. 47v (Jesus weint über Jerusalem) eine an der Brücke zur Stadt situierte kleine Mühle mit einem unterschlächtigem Wasserrad auf, deren Radauflager voll und ganz jenem in Abb. 58 gleicht; cod. 3085 (Planetenbilder innerhalb einer Sammelhandschrift, lavierte Federzeichnung, süddeutsch, 1475) enthält auf fol. 26r eine offenbar freistellende, ebenfalls eingängige Mühle mit unterschlächtigem Antrieb.

[73] Vgl. F. Krüger, Anm. 64, 352 und 353 f.

[74] Siehe oben S. 43. - Nachfolgend einige willkürlich aufgezählte Beispiele zum Größenvergleich: Das bei der Ahrensfelder Mühlengrabung aufgefundene Fragment des Wasserrades ergab rechnerisch einen Raddurchmesser von rund 4,5 m (V. Kellermann, Anm. 47, 67 und H. Issleib, Anm. 53, 69). In Abb. 56 der vorliegenden Arbeit deutet die Figur im Vordergrund auf ein Maß von mindestens zwei Mannshöhen (siehe unten). Andere Bildquellen weisen auch nur sehr kleine Wasserräder aus: dies gilt etwa für Abb. 64, wo der mit 45 bis 60 cm Seitenlänge zu veranschlagende Querschnitt des Wellbaumes (vgl. H. IssIeib, Anm. 53, 69 bzw. H. Gleisberg, Anm. 17, 37), der durch das Quadrat im Zentrum des Rades repräsentiert wird, einen guten Größenvergleich ermöglicht; vgl. hiezu auch das Mühlrad im Siegel Ottos des Herbersdorffers, Steiermärkisches Landesarchiv Graz, Urk. 4014, 1400 VI 4 (freundlicher Hinweil von Dr. G. iaritz, Krems). Eine süddeutsche Quelle bringt für das Jahr 1468 zwei Darstellungen ähnlich kleiner Wasserräder: vgl. W. Treue u. a. (Hrsg.), Das Hausbuch der Mendelschen ZwöIfbrüderstiftung zu Nürnberg. Deutsche Handwerksbilder des 15. Und 16. Jahrhunderts (Bildband), München 1965, 133.

[75] Abb. 65, in der beim Rechen eine ähnlich kleine Gefällstufe erkennbar ist, weist (vielleicht auch bloß aus zeichnerischem Unvermögen) die sehr nachteilige Anordnung des Wasserrades in zu großer Entfernung von der Gefällstufe (J. G. Krünitz, Anm. 17, Bd. 951 217) auf.

[76] Vgl. Abb. 58 und 61 sowie Anm. 77.

[77] Das Illustrationsmaterial zur vorliegenden Arbeit (Abb. 55-62 und 65) zeigt, daß die Architektur der Mühlhäuser ungemein reich an Spielarten war. Der bei der Ahrensfelder Mühlengrabung vorgefundene Hausgrundriß (V. Kellermann, Anm. 47, 66 mit Tafel XXIV) kann daher nur als singuläres Beispiel angesprochen werden, das bloß eine unverbindliche Vergleichsmöglichkeit bietet.

[78] Vgl. H. Bossert und W. F. Storck, Das mittelalterliche Hausbuch, Leipzig 19121 Tafel 46, abgebildet u. a. bei W. Horn, Water power and the Plan of St. Gall, in: Journal of Medieval History 1/3, Amsterdam 1975, 235, Abb. 14 sowie bei H. Gleisberg, Anm. 17, 26, Abb. 5.

[79] V. Kellerrnann, Anm. 47, 66 bzw. F. Krüger, Anm. 64, 346.

[80] R. F. Zelesnik, Anrn. 16, 408. Ähnlich könnte auch die Bernhardsthaler Mühle "zwischen 1455 und 1458 zugrundegegangen sein" (ebd. 407)

[81] F. Krüger, Anm. 64, 351 und V. Kellermann, Anm. 47, 67

[82] "An die nach dem Ödwerden des Ortes weiter bestehende Geresdorfer Mühle erinnert bis heute der Flurname Müllnerfleck am obersten Laufe des Mühlbaches, gleich unterhalb seiner

Abzweigung von der Thaya" (F. J. Beranek, Anm. 22, 63).

 

[83] Vgl. W. Abel, Die Wüstungen des ausgehenden Mittelalters (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte 1) Stuttgart 31976 (bes. 60-65, 98-103 und 179-181).

[84] Die Hussiten verheerten im Jahre 1428 das Land östlich von Wien und schluegen all n2ült auf der Thonaw ab. Da sie sich 1426 in Lundenburg festgesetzt hatten und von dort aus in einem Umkreis von sechs Meilen (= 42 km) - also auch bis Geresdorf hin - die Landbevölkerung abgabepflichtig hielten und das Land heimsuchten (G. E. Friess, Herzog Albrecht V. von Österreich und die Husiten, in: XVII. Programm des k. k. Ober-Gymnasium der Benedictiner in Seitenstetten, Linz 1883, 48 und 57), wäre für das Verschwinden der Geresdorfer Mühle allenfalls an einen analogen Vorgang zu denken. Aber abgesehen davon, daß die Grabung keinerlei Hinweis darauf erbrachte, erschiene die Zerstörung eines Produktionsmittels in einem abgabepflichtigen Landstrich widersinnig

[85] K. Gutkas, Geschichte des Landes Niederösterreich. 1. Teil: Von der Eingliederung ins Frankenreich bis zum Beginn der Reformation, St. Pölten 1957, 79 f., 87 f. und 98 ff.

[86] Die Liechtensteiner machten Rabensburg allmählich zu einem "Mittelpunkt ihrer zwischen Taya und Zaya ... gelegenen Besitzungen" (B. Bretholz, Anm. 18, LXXX). Da die Liechtensteiner 1414 bereits die Gerichtsbarkeit über die Geresdorfer Mühle hatten (siehe Anm. 41) und die Geresdorfer Dorfflur nachmals zu Rabensburg geschlagen wurde (H. Krenn, Anm. 14, 94-98), könnte das "Abkommen" der Dorfstätte und der Mühle von Geresdorf ganz einfach auch als herrschaftsinterne Flurbereinigung zu erklären sein.

[87] Hier ist neurdings die an der Universität Graz gearbeitete Dissertation von I. Kropac über Mühlen und Mühlenrechte in der Steiermark während des Mittelalters zu nennen.