Die Grabung in den Aulüssen

durch Dr. Horst Adler mit den Fundberichten 1974 - 80

1997 überarbeitet für Beiträge zur Ortsgeschichte von Bernhardsthal und Umgebung von F. Stratjel

Inhalt

Fundstellenkarte Bernhardsthal

Ausschnitte aus den FÖ 1974 - 1980

Fundberichte 13 / 1974, p 99 - 101

Fundberichte 14 / 1975, p 7 - 14 Eine germanische Siedlung der römischen Kaiserzeit in Bernhardsthal

Fundberichte 15 / 1976, p 9 - 17 Ein germanisches Wirtschaftsgebäude aus der Römischen Kaiserzeit

Fundberichte 15 / 1976, p 19 - 27 Zur Datierung einiger Beinkämme aus der Römischen Kaiserzeit in Bernhardsthal

Fundberichte 15 / 1976, p 261 - 264

Fundberichte 16 / 1977, p 414 - 418

Fundberichte 17 / 1978, p 326 - 330

Fundberichte 17 / 1978, p 211 - 214 Ein frühgeschichtliches Gemsenvorkommen im nördlichen Weinviertel

Fundberichte 18 / 1979, p 444 - 448

Fundberichte 19 /1980, p 500 - 503

Wichtigste Ergebnisse:

Germanenzeit - Römerzeit

 

Fotos:

Die Ausgräber
Funde
6-Pfostenhütte
Langhausnachbau in Elsarn

 

Fundstellenkarte Bernhardsthal

fundstellen.gif (32020 Byte)

Überarbeitete Karte aus dem Führer durch das Heimatmuseum der Marktgemeinde Bernhardsthal

Die Ausgräber

 

Dr. Horst Adler und Otto Berger mit freiwilligen Helfern (Hugo Linhart, Otto Kluger, Fredl Sowka u. a.)
bei den Ausgrabungen am Feldl

Ausschnitte aus den FÖ 1974 - 1980

Fundberichte aus Österreich

Herausgegeben vom Bundesdenkmalamt

Schriftleitung: Horst Adler

 

zusammengestellt von F. Stratjel

 

Fundberichte 13 / 1974, p 99 - 101

Bernhardsthal, Gem. Bernhardsthal, BH Mistelbach (Bl. 26, W 111--114 mm, N 153--158 mm). 3,2 km im OSO der Ortschaft liegt direkt an der Thaya die Flur Aulüssen (von der einheimischen Bevölkerung auch „Feldl” genannt), von der bereits seit Jahren germanische Oberflächenfunde des 2. und 3. Jhs. bekannt sind. Im Herbst 1974 wurde vom BDA eine Notgrabung begonnen, da in einigen Jahren an dieser Stelle ein Thaya-Schutzdamm errichtet werden soll.

Es wurden insgesamt 45 Quadranten (3 X 3 m) geöffnet und dabei neben zahlreichen Pfostengruben und Fundamentgräben, die wegen des zu kleinen Grabungsausschnittes noch keine Grundrisse erkennen lassen, Teile von sieben Hütten freigelegt. Diese Hütten waren 20-60 cm in den Boden eingetieft, im Durchschnitt 3 X 4 m groß und wiesen in den meisten Fällen in der Mitte der Schmalseiten je eine tiefe, an den Längsseiten je zwei tiefe Pfostengruben auf. Herdstellen konnten bisher nicht nachgewiesen werden; es wird sich demnach um Arbeits- oder Vorratshütten handeln.

Stratigraphisch konnten zwei Phasen der 2-2,5ha großen Siedlung erkannt werden, wobei die ältere weiter nach N reichte als die jüngere. Nach den bisherigen Ergebnissen dürfte die ältere Phase von der 2. Hälfte des 1. Jhs. bis in das 2. Jh. reichen, die jüngere von der Mitte des 2. Jhs. bis in das beginnende 3. Jh.

Zum Fundmaterial der älteren Phase gehört vor allem „Latène-Ware” wie Kammstrichtöpfe mit und ohne Graphitzusatz, scheibengedrehte Schalen und Schüsseln aus meist hellbraunem, gut geschlämmtem Ton, Töpfe mit breiten senkrechten, aber auch mit tiefen senkrechten Rillen, eine scheibengedrehte Flasche mit zwei Drehrillen auf der Schulter sowie zwei graphithältige kugelige Spinnwirtel, einer davon mit sieben Rillen.

Ein einziges kleines Wandstück aus poliertem schwarzen Ton zeigt neben Rillenverzierung auch Rädchenverzierung.

In das 2. Jh. gehören neben einfachen Töpfen und Schalen Fragmente von Fußschalen, ein Becher, der bis auf eine Rand- und Bodenzone vollkommen mit kleinen Knubben bedeckt ist, eine fragmentierte Schale mit horizontalem schwarzen Schlickerband am Rand und senkrechten Bändern an der Wand, das Fragment eines Miniaturgefäßes aus gut poliertem schwarzen Ton mit Knubben an der Unterseite, das Eckstück eines quadratischen oder rechteckigen Gefäßes mit knopfförmigem Fuß und Wirrfurchenverzierung, der Unterteil eines gequetscht kugeligen Gefäßes mit doppeltem Zickzackband, der Oberteil eines Topfes mit einer von runden Eindrücken unterbrochenen Tonleiste auf der Schulter.

An Verzierungselementen an der Keramik des 2. Jhs. sind zu erwähnen: Schwungbogenköpfe, wobei diese Dekoration in einem Fall auch an der Innenseite eines Gefäßes auftritt, umlaufende Reihen von senkrechten und schrägen Einstichen, schräge Dellen, hängende, mit punktförmigen Eindrücken gefüllte Dreiecke, grobe Fingernageleindrücke mit aufgeworfenen Rändern, Wirrfurchen, rillengefüllte Dreiecke, umlaufende Rillen mit Zickzackbändern und umlaufende Reihen dellenförmiger Eindrücke.

Für die ältere Phase sind noch ein kegelstumpfförmiger und ein doppelkonischer Spinnwirtel sowie ein einfacher Knopfsporn aus Eisen zu erwähnen.

Zum Fundmaterial der jüngeren Phase gehören einfache Töpfe mit gut ausgebildeter Standfläche und S-förmigem Profil, grobtonige Töpfe mit umlaufenden Reihen kleiner senkrechter Einstiche, Omphalosschalen mit eingeritzten Linienbändern, in einem Fall die Zwischenräume mit Keileinstichen gefüllt, ein probtoniges Gefäß mit senkrechten Tonwülsten, Knubhen und Fischgrätenmuster, eine Schale, die bis auf die Randzone vollkommen mit punktförmigen Eindrütken bedeckt ist, eine fragmentierte Schüssel mit von innen herausgedrückten Dellen, der Oberteil eines Topfes mit seichten, etwas schrägen Dellen auf dem konischen Halsteil und kurzen, schrägen Einkerbungen am Schulterumbruch, doppeikonische Schalen, z. T. mit umlaufenden Rillenbändern, ein Deckelfragment, ein fragmentierter Becher mit langen senkrechten Ritzlinien, Randstück eines Topfes mit eingeritzten Andreaskreuzen auf dem umgelegten Mundsaum, ein einfacher Napf, das Bruchstück eines Napfes mit schmalen senkrechten Dellen, eine Wandscherbe, die zwischen zwei schräg gekerbten Leisten schmale schräge Dellen trägt, Fragmente eines Topfes mit umlaufender Rille auf der Schulter, darunter zweizeiliges Zickzackband, wobei die hängenden Dreiecke mit ovalen Eindrücken gefüllt sind. Fragmente eines scheibengedrehten Gefäßes mit umlaufender Reihe von eingeritzten Andreaskreuzen zwischen zwei kleinen Tonwülsten auf der Schulter, Wandstück eines Siebgefäßes sowie ein annähernd doppelkonischer Spinnwirtel.

An Verzierungselementen an der Keramik der jüngeren Phase sind zu erwähnen: schachbrettartige Rillenverzierungen, tiefeingeschnittene grobe Wellenbänder, Keileinstiche, Ränder mit Tupfenleiste, senkrechte und schräge Einritzungen auf Bauch, Schulter, in der Halskehle und am Mundsaum, hohe enge Wellenbänder, grobe horizontale Fischgrätenmuster, umlaufende Bänder schräger Rillen, kleine punktförmige Eindrücke und Zickzackbänder.

Folgende provinzialrömische Keramik ist vertreten: pannonisch-streifenverzierte Ware des 2. und beginnenden 3. Jhs., kleine Bruchstücke von Sigillata, ein großes Fragment einer Sigillataschüssel, Drag. 37, aus dem beginnenden 3. Jh., scheibengedrehte Krüge und Fragmente von Ringschüsseln.

An weiterem Fundmaterial sei noch angeführt: zahlreiche Tierknochen und gebrannte Hüttenlehmstücke, eine Löffeltülle, ein kleiner prober Schmelztiegel, zwei Eisenstifte, Fragmente von Eisenmessern, kleine Schlackenstücke, ein fragmentierter Wetzstein aus Sandstein, Unterlagsplatten, eine Beinnadel mit gelochtem Kopf und eingezogenem Halsteil mit zwei umlaufenden Rillen, eine zweite Beinnadel mit profiliertem Kopf, das kleine Bruchstück eines Knochenkammes, ein halbkreisförmiges Knochengerät mit zwei Lochungen am Rücken (Fellschaber?), eine kleine blaue Glasperle sowie eine kleine flache Bernsteinperle.

Innerhalb des germanischen Dorfes konnten auch Spuren bronzezeitlicher Besiedlung, und zwar aus der Zeit des Böheimkirchner Horizontes festgestellt werden. An der Basis einer großen Grube in Quadrant V/13 fanden sich zahlreiche menschliche Schädel (hauptsächlich von Jugendlichen) und Langknochen, in der Grubenfüllung Fragmente eines großen Vorratsgefäßes mit künstlicher Rauhung und Fingertupfenleiste, eine fragmentierte Henkeltasse mit tiefsitzendem Bauchknick, das Fragment einer Gußform für Spitzen und ein kleines Flachbeil. In Quadrant V/27 ein Henkelkrug mit drei Tonleisten unter dem Henkelansatz. In anderen Quadranten fanden sich immer wieder kleine, abgerollte Bruchstücke von derber, brauntoniger Keramik, die sicher nicht zu der germanischen Siedlung gehören, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit dem Böheimkirchner Horizont zuzuordnen sind.

Die Grabungen in der Flur „Feldl” werden im Frühjahr und Herbst 1975 fortgesetzt. Alle Funde befinden sich im Heimatmuseum, 2275 Bernhardsthal.

Horst Adler

Fundberichte 14 / 1975, p 7 - 14
Eine germanische Siedlung der römischen Kaiserzeit in Bernhardsthal

Im Laufe der nächsten Jahre soll entlang der Thaya, beginnend von der nördlichen Grenze der Gemeinde Bernhardsthal bis zur Einmündung in die March im Gemeindegebiet von Hohenau, sowohl auf österreichischem wie auch auf tschechoslowakischem Staatsgebiet ein Hochwasser-Schutzdamm gebaut werden. Innerhalb des Gemeindegebietes von Bernhardsthal wird dieser Damm einen Teil einer germanischen Siedlung überlagern. Die Fundstelle liegt etwa 3,2 km südöstlich der Ortsmitte in der Flur Aulüssen (von der einheimischen Bevölkerung auch Feldl genannt) direkt an der Thaya (Bl. 26, W 109--114 mm, N 152--158 mm). Die Existenz einer solchen Siedlung ist durch den bekannten Heimatforscher Otto Berger bereits vor Jahren durch Aufsammeln von Oberflächenfunden bekannt geworden. Diese Funde sind im Heimatmuseum Bernhardsthal unter der Inv. Nr. 219 aufbewahrt.

Die Abteilung für Bodendenkmalpflege des Bundesdenkmalamtes führt seit Herbst 1974 eine großangelegte Notgrabung durch, um einerseits das durch den geplanten Schutzdamm gefährdete Gebiet zu untersuchen, andererseits um das erste Mal in Osterreich eine germanische Siedlung aus der Römischen Kaiserzeit systematisch zu ergraben. Auf Grund einer Luftbildaufnahme dürfte die Siedlung annähernd quadratisch gewesen sein und eine Seitenlänge von ungefähr 260 m gehabt haben.

Während der Herbstkampagne 1974 und der Frühjahrs- und Herbstkampagne 1975 wurden insgesamt 140 Quadranten zu 3X 3m geöffnet. Die untersuchten Flächen liegen alle im Ost- und Nordostteil der Siedlung, im Bereich des geplanten Dammes. In der Herbstkampagne 1974 und der Frühjahrskampagne 1975 wurde eine von Norden nach Süden durchgehende Reihe von Quadranten neben einigen wenigen anderen untersucht, in der Herbstkampagne 1975 eine von dieser Reihe ausgehende Doppelreihe von Quadranten Richtung Osten sowie fünf Quadranten im Norden. Damit konnte bereits das Siedlungsende im Norden, Osten und Süden erreicht werden.

Stratigraphisch sind innerhalb der gesamten Siedlung eindeutig zwei Phasen (A und B) zu unterscheiden, wobei beide Siedlungshorizonte durch schwarzbraunes Erdmaterial getrennt sind, dessen Beschaffenheit und Entstehung einer bodenkundlichen Untersuchung bedarf. Innerhalb der jüngeren Phase (B) sind von Fall zu Fall bei Überschneidungen wiederum zwei Abschnitte (B1 und B2) zu trennen.

Eines der wichtigsten Ergebnisse der bisherigen Arbeiten ist der Nachweis einer Befestigung der Siedlung innerhalb der stratigraphischen Stufe B2. Sowohl am Nord-, wie auch am Ost- und Südrand konnte der Rest eines an der Basis ungefähr 10 m breiten Walles festgestellt werden; seine ursprüngliche Höhe kann demnach sicherlich mit 3 - 4 m angenommen werden. Nord- und Südwall sind an den angeschnittenen Stellen heute noch an schwach ausgeprägten Geländerippen erkennbar, der Ostwall durch eine kaum merkliche, etwa 30 cm hohe Geländestufe. In allen drei Fällen fiel die Oberkante des gewachsenen Aulehms und parallel dazu die stratigraphischen Horizonte A und B1 schwach gegen Norden, Osten und Süden ab, nicht jedoch die heutige Oberfläche. Dies ist darauf zurückzuführen, daß vor allem die Nord- und Südseite am Rande des Auwaldes liegen und aus diesem Grund vom Pflug nicht vollständig eingeebnet worden sind. Die Einordnung des Walles in die stratigraphische Stufe B2 ergibt sich einwandfrei durch Uberlagerung von Gruben der Stufen A und B1. Ungewöhnlich ist aber wohl das Fehlen eines zu diesem Wall gehörigen Grabens. An allen drei Seiten wurden die Quadrantenreihen noch um jeweils 68,5m außerhalb des Walles geöffnet, doch fiel auch dort der gewachsene Aulehm gleichmäßig ab; bloß im Norden wurde zum Aufschütten des Walles eine kleine Geländestufe ausgenützt. Leider konnten die Quadrantenreihen an keiner Seite wegen Eintritts von Grundwasser weiter geöffnet werden. Im Ostbereich wurde in der Herbstkampagne 1975 ohnedies bereits eine Tiefe von 1,10m unter dem Grundwasserspiegel erreicht, und dies bei Normalwasserstand der Thaya.

Die Frage, von wo das Aufschüttungsmaterial der mächtigen Wallanlage hergenommen wurde, kann noch nicht beantwortet werden. Doch gibt es an mehreren Stellen des bisher ergrabenen Geländes Hinweise, daß dort die Schichtabfolge nach oben zu nicht vollständig ist, daß also vielleicht auch durch Einebnen von größeren Flächen Erdmaterial zum Aufschütten gewonnen wurde.

Im Südbereich der Siedlung verläuft etwa parallel zum Südwall und von diesem ungefähr 45 m gegen das Zentrum zu entfernt ein Spitzgraben, der ebenso wie die Wallanlage in die allerjüngste stratigraphische Phase B2 gehört. Die Tiefe vom damaligen Siedlungsniveau beträgt etwa 1,60 m, der Winkel der beiden Seitenwände rund 80°. Der Graben wurde während seiner Verwendungszeit dauernd offen gehalten und dürfte erst nach Aufgabe der Siedlung allmählich zugeschwemmt worden sein. Ob ehemals diesem Spitzgraben ein Wall zugeordnet war, kann heute aul Grund der Geländebeschaffenheit nicht mehr festgestellt werden; ein solcher Wall wäre auf alle Fälle durch die jahrhundertelange Bodenbestellung an dieser Stelle vollkommen eingeebnet. Horizontalstratigraphisch aber müßte sich ein derartiges Objekt wohl ausmachen lassen: in einem Bereich von mindestens 6m Breite dürfte sich kein einziges Siedlungsobjekt der stratigraphischen Stufe B1 befinden. Der Grad der Wahrscheinlichkeit für das Vorhanden- oder Nichtvorhandensein eines derartigen Walles wächst naturgemäß mit der Größe der freigelegten Flächen entlang des Spitzgrabens. Zur Zeit muß diese Frage voilkommen offen bleiben. Auch über die Bedeutung und den Zweck des Spitzgrabens kann bei dem momentanen Stand der Geländearbeit keinerlei Aussage getroffen werden. Eine befestigte Freilandsiedlung konnte meines Wissens bisher noch kein einziges Mal in den Niederösterreich benachbarten Gebieten, aber auch nicht im elbgermanischen Gebiet Böhmens oder Mitteldeutschlands entdeckt werden.

Die Siedlung dürfte während der gesamten Dauer ungefähr die gleiche Ausdehnung gehabt haben. Innerhalb des Walles, z. T. noch unter diesen reichend, finden sich zahlreiche Pfostengruben, kreisförmige bis ovale Vorrats- bzw. Abfallgruben verschiedener Größe sowie zahlreiche Grundrisse von Holzbauten. Bisher konnten von diesen drei Arten nachgewiesen werden: rechteckige oder quadratische, 40 - 100 cm vom jeweiligen Siedlungsniveau eingetiefte Häuser mit regelmäßig gesetzten, zum größten Teil sehr tiefen Pfostengruben, annähernd quadratische Bauten mit bis zu 20 cm tiefen Fundamentgräben sowie bloß bis zu 20 cm eingetiefte Objekte mit unregelmäßigem Grundriß und unregelmäßig gesetzten Pfostengruben.

Unter den zuerst genannten Bauten sind vor allem rechteckige Bauten zu nennen, bei denen jeweils in der Mitte der beiden Schmalseiten je ein tief eingerammter Pfosten die Firstpfette und an den beiden Längsseiten je zwei tief eingerammte Pfosten die beiden Seitenpfetten trugen. Da die Pfosten an den Längsseiten nicht in den Ecken standen und alle Pfosten zum besseren Auffangen des Dachschubes etwas gegen das Hütteninnere geneigt waren, kann es sich bei dem Dach nur um ein Satteldach gehandelt haben. Wegen der Tiefe der Pfosteneinrammungen wird es sich kaum um ein sehr steiles Dach, schon gar nicht um ein solches mit bis zur Erdoberfläche reichenden Rofen gehandelt haben, wie es H. Dannheimer für ganz ähnliche Bauten in einer bajuwarischen Siedlung des 7. Jhs. in Kirchheim vielleicht mit Recht postulierte(1). Die Längsachse dieser Hütten war durchwegs annähernd von West nach Ost orientiert. An den Hütten, bei denen durch die Quadranten auch die südliche Längsseite oder zumindest ein Teil dieser angeschnitten worden war, fand sich dort jeweils zwischen den beiden Pfosten eine verschieden große Ausbuchtung, deren Sohle das gleiche Niveau wie der Hüttenboden besaß. In der Mitte der Längsachse sowie im rechten Winkel dazu gegen die erwähnte Ausbuchtung, jedoch noch innerhalb der südlichen Längsseite, konnte immer je eine Pfostengrube ausgemacht werden; beide waren jedoch nur ganz seicht in den Hüttenboden eingetieft. Beide Pfosten könnten eine zweite, kurze, übereckstehende Firstpfette getragen haben, die zusammen mit zwei von dem Mittelpfosten zu den beiden Seitenpfettenträgern reichenden Rofen ein kleines Dach über dem traufseitigen Eingang trugen. Bei den tiefer eingegrabenen Bauten könnte man sich als Einstiegshilfe einen Steigbaum oder eine Leiter vorstellen. Die ebenen Böden bestanden immer aus einer dünnen gestampften Lehmschicht. Die Grundflächen dieser Bauten schwanken zwischen 13,5 und 20,0 m².

Neben diesen vorherrschenden, sowohl in der älteren wie auch in der jüngeren Phase verwendeten Rechteckbauten mit sechs regelmäßig gesetzten Pfostengruben mit nach außen vorgesetzten Firstträgerpfosten gibt es auch einige andere. So wurde in den Quadranten TT/14 und UU/14 der Nordteil eines 45 cm tiefen Grubenhauses der jüngeren Phase angeschnitten, das an der 4,5 m langen Schmalseite zwei sehr tiefe Pfostengruben, jedoch nicht in den Ecken, besitzt. Ein ähnlicher, 40 cm tiefer Bau, jedoch aus der älteren Phase und mit 4,5 m Seitenlänge, wurde in den Quadranten V/12 und V/13 aufgedeckt. Ein 50 cm tiefes Grubenhaus ähnlich den zu Beginn besprochenen, jedoch mit Doppelpfosten, wurde in den Quadranten V/15 und V/16 gefunden. Diese Doppelpfosten dienten sicherlich zur Verstärkung der Konstruktion, wie wir dies von den Häusern 2 und 7 aus Leuben kennen (2). Eines der Grubenhäuser zeigte an den Außenecken der rechteckigen Ausbuchtung an der südlichen Längsseite je eine seichte Pfostengrube zur besseren Abstützung des Eingangsdaches. Die Dachkonstruktion und das Aussehen dieser Bauten wird ähnlich den zuerst beschriebenen gewesen sein.

In der Herbstkampapne 1975 wurde in den Quadranten HH/13, JJ/13, HH/14 und JJ/14 der Südteil eines 70 - 80 cm tiefen Grubenhauses angeschnitten, das in den Ecken und in der Mitte der 4,7 m langen Schmalseite je einen Doppelpfosten und an den Längsseiten je zwei weitere einfache Pfosten besessen hat. Innerhalb der Anlage konnten einige Pfostengruben nachgewiesen werden, die jedoch kein System erkennen lassen. Die Länge des Baues dürfte 7,0 m betragen haben.

Einen besonderen Bau stellt der in der Herbstkampagne 1975 in den Quadranten FF/13, GG/13, FF/14 und GG/14 aufgedeckte dar. Er ist annähernd quadratisch und besitzt eine Seitenlänge von etwa 4,5 m. In den Ecken dieses 70 cm eingetieften Hauses war je ein Pfosten, in der Mitte der Seitenwände waren jeweils drei in einem Abstand von 85 cm eingerammt. Im Nordteil des Baues konnten noch zwei weitere Pfosten festgestellt werden, die von den beiden äußeren der mittleren Pfosten gegen das Innere zu versetzt waren.

Allen hier beschriebenen Bauten sind folgende Eigenschaften gemeinsam: Eintiefung vom jeweiligen Siedlungsniveau zwischen 40 und 90 cm, die Einräumigkeit, regelmäßige Pfostensetzungen, die große Tiefe der Pfosteneinrammungen (35 - 70 cm unterhalb des jeweiligen Hüttenbodens) sowie das Fehlen einer Herdstelle. Grubenhäuser und Grubenhütten wurden oft genug beschrieben(3). Auch der Verwendungszweck dieser Bauten als Arbeitsstätten wurde oft betont(4). J. Herrmann meint, daß sie nicht nur als Webhütten, sondern vielleicht auch für Eisenverarbeitung oder Töpferei gedient haben. Acht solche Objekte in den Siedlungen K III und K IV aus dem 4. Jh. n. Chr. auf dem Lütjenberg in Tornow wiesen auch Herdstellen auf, was doch auf eine Benutzung zumindest als Kochraum weist(5). Ebenfalls eine Herdstelle besaßen ein Bau in Zürau und ein solcher in Stankowitz in Nordwestböhmen (6). Doch muß auch der Fund mehrerer Spinnwirteln in diesen Bauten erwähnt werden.

Es seien hier nochmals die beiden wichtigsten antiken Schriftstellen, die eingetiefte Bauten behandeln, angeführt. C. Plinius Secundus Maior beschreibt in der Naturalis Historia u. a. den Flachs, dessen Anbau und Verarbeitung. Die Textstelle XIX, 1, (1), 9 beginnt folgendermaßen:„ln Germania autem defossae atque sub terra id opus apunt”. In Germanien aber wird diese Arbeit -- gemeint ist die Leinenweberei -- eingegraben und unter der Erde verrichtet. Auch P. C. Tacitus erwähnt in Germania I, 16 unterirdische Räume bei den Germanen, die sie mit einer starken Schicht Dünger wegen der Kälte zu überdecken pflegten und auch als Kornspeicher verwendeten. Als Getreidespeicher dürften sich diese eingetieften Bauten wegen der Feuchtigkeit und der leichten Zugänglichkeit für schädliche Nager kaum besonders geeignet haben, noch dazu, wo wir aus germanischen Siedlungen der Römischen Kaiserzeít sowohl ebenerdige wie auch gestelzte Speicher kennen. Doch soll hier doch die Verwendung eines solchen Baues als Kornspeicher aus Leuben im Nordwesten von Dresden erwähnt werden, wo sich in einer kleinen Grube in der Mitte eine 25 cm mächtige Schicht verkohlter Getreidekörner fand(7). Die Verwendung als mit Dünger abgedeckte Wohnhütten im Winter ist zumindest innerhalb geschlossener Dorfsiedlungen ebenfalls unwahrscheinlich, da der Holzreichtum in unseren Breiten sicherlich eine ausreichende Wärmeversorgung auch in großen Hallenhäusern garantieren konnte. So werden diese Anlagen in der Hauptsache gewerblichen Zwecken gedient haben. Und hier sei auf die besondere Bedeutung des Flachsanbaues zu der damaligen Zeit hingewiesen, ist doch ein großer Teil der Kleidung aus gewobenem Leinen hergestellt worden. In diesem Zusammenhang sei auf die Historia Langobardorum des Paulus Diaconus verwiesen, wo es in Buch I, Kapitel 20 heißt:„HeroIorum vero exercitus dum hac illacque diffugeret, tanta super eos caelitus ira respexit, ut viridantia camporum lina cernentes, natatiles esse aquas putarent; dumque quasi nataturi brachia extenderent, crudeliter hostium feriebantur a gladiis.” Es werden also für den Beginn des II. Jhs. in unseren Gegenden Flachsfelder erwähnt.

Zum zweiten bisher aufgedeckten Typ unter den Holzbauten zählen ebenerdige Bauten, die durch annähernd quadratische, bis zu 20 cm tiefe und bis zu 40 cm breite Fundamentgräben kenntlich sind; die Seitenlänge beträgt zwischen 6,0 und 6,5 m. Bisher konnten erst zwei derartige Bauten aus der jüngeren stratigraphischen Phase B fast vollständig freigelegt, ähnliche Fundamentgräben aus der älteren Phase A hingegen bloß angeschnitten werden. Sie sind ebenso wie die Grubenhäuser annähernd von West nach Ost orientiert. Sie zeigen weder innerhalb der Fundamentgräben noch in diesen selbst tiefe Pfostengruben, so daß wir kaum mit besonders stabilen Bauten rechnen können. Blockbauten sind auszuschließen, da in den Fundamentgräben vereinzelt kleine Pfostengruben nachzuweisen sind. Ein ähnlicher Bau, jedoch 6 X 9m groß und mit Innengliederung, ist aus Haldern in Nordwestdeutschland bekannt(8). Die seichten Pfostengruben innerhalb der beiden vollständig aufgedeckten Fundamentgräben lassen kein System erkennen. Diese Bauten wären als Ställe für Kleinvieh, aber auch für Rinder und Pferde geeignet, ebenso als Speicherbauten für Heu u. ä.

Bei dem dritten bisher in Bernhardsthal nachgewiesenen Bautyp mit unregelmäßigem Grundriß und unregelmäßig gesetzten, relativ seichten Pfostengruben handelt es sich keinesfalls um regelrechte Hütten, sondern bloß um einfach überdachte Arbeitsstellen. Um eine ebene und nicht kotige Arbeitsfläche zu erreichen, wurde ganz einfach die obere Humus- bzw. Erdschicht etwa 20 cm abgetragen. Die bisher nachgewiesenen Arbeitsstellen stammen zum größten Teil aus der stratigraphisch jüngeren Phase B. Ihre Breite schwankt zwischen 4,0 und 5,8 m, die Länge beträgt mindestens 5,0 m. Unter diesen Dächern könnten die verschiedensten Arbeiten verrichtet worden sein: Abriffeln der Samenkapseln des Flachses, Hecheln der Faserbündeln, Entfernung der Ober- und Unterhaut von Fellen, Ausdreschen von Getreide u. v. a. Auch als Schutz für gesammeltes Heu und Holz könnte man sich derartige Objekte vorstellen.

Innerhalb des bisher freigelegten Geländes kamen auch immer wieder größere Gruben zum Vorschein, deren Querschnitt fast ausnahmslos kreisförmig war, der Längsschnitt jedoch rechteckig oder auch birnförmig. Der Durchmesser dieser Gruben schwankt zwischen 1,25 und 2,30 m, die Tiefe vom jeweiligen Siedlungsniveau ungefähr zwischen 0,5 und 1,5 m. Der Zweck dieser Gruben kann von Speichergrube bis Abfallgrube und Abtritt umrissen werden. In Quadrant Y/45 kam in einer derartigen, jedoch annähernd rechteckigen und 1,95 X 1,55 m großen Grube der Läufer einer Handmühle zutage.

Die vielen, zwischen den einzelnen Bauten aufgedeckten Pfostengruben erreichen nie eine größere Tiefe ais etwa 70 cm unter dem jeweiligen Siedlungsniveau, sind bis auf ganz wenige Ausnahmen kreisförmig und besitzen einen Durchmesser von etwa 10 bis 45 cm. Sie lassen sich weder einem der besprochenen Bauten zuweisen, noch kann man aus ihnen Grundrisse ebenerdiger Bauten erkennen. Wozu die vielen Pfosten, deren auf uns gekommene Gruben manchmal ein verwirrendes Bild ergeben, eigentlich gedient haben, kann nur erahnt werden: einfache provisorische Zäune, Pflöcke zum Anbinden von Tieren, Stützen für Behälter wie z. B. Wassertröge, Pfosten zum Aufhängen von Wäschestücken, Tierhäuten, Harfen zum Trocknen von Gras u. ä.

Echte Wohnbauten, also große rechteckige, traufseitig aufgeschlossene Hallenhäuser mit Innengliederung, wie wir sie z. B. aus den beiden aufeinanderfolgenden Siedlung Bo I und Bo II auf dem Borchelt in Tarnow in der Niederlausitz(9), auf dem Bärhorst in Nauen (10), am Großen Wederberg bei Kablow in SO von Berlin (11), aus Wolka Lasiecka in Zentralpolen westlich von Warschau (12) oder aus Haldern (13) kennen, konnten bisher in Bernhardsthal nicht gefunden werden. Derartige große Häuser scheinen aber bisher auch nicht in Böhmen(14), Mähren(15) oder in der Slowakei (16) zutage gekommen zu sein. Die Tatsache ihres Fehlens in Bernhardsthal ist aber nicht weiter verwunderlich, da sich ja die Grabungen bisher ausschließiich am Ost- und Nordostrand der Siedlung bewegten. Die eigentlichen Wohnhäuser sind entweder in der Mitte des Areals oder gar in dessen etwas höher liegendem Westteil zu suchen.

Daß es sich bei der germanischen Siedlung von Bernhardsthal sicherlich nicht nur um ein oder zwei Gehöfte handelt, dürfte bereits durch die Größe des in Frage kommenden Areals und durch die Dichte der bisher aufgedeckten Wirtschaftsbauten klar sein. Über die Anzahl der Wirtschaftseinheiten sowie über den Aufbau und die innere Gliederung können zur Zeit höchstens Vermutungen angestellt werden. Die Größe von 6,5-7 ha dürfte für Siedlungen aus der Römischen Kaiserzeit durchschnittlich sein. Doch werden in der Literatur auf Grund von Scherbenaufsammlungen auch weit ausgedehnte Weilersiedlungen genannt, als Beispiel Pobedím in der Slowakei, dessen Größe mit 100 ha (17) oder Blazice und Sebastovce-Barca in der Südostslowakei, deren Durchmesser mit mehreren km angegeben wird(18). In letzter Zeit ist auch in Niederösterreich, und zwar in der KG Hanfthal, eine derartige Weilersiedlung bekannt geworden(19). G. Behm-Blancke nimmt auf Grund von Angaben der zu Beginn des 8. Jhs. niedergeschriebenen Lex alamannorum für Siedlungen der Römischen Kaiserzeit folgende Bauten an(20): neben dem eigentlichen Wohnhaus sowie einer Spinn- und Webhütte für die Frauen drei verschiedene Vorratsgebäude wie der Kornspeicher, die Scheuer und ein eingetiefter Bau sowie drei verschiedene Ställe, so ein Rinderstall, der entweder unter einem Dach mit den Wohnräumen lag oder abgesondert war, ein Schweinestall und ein solcher für Schafe.

Über die wirtschaftlichen Grundlagen der Siedlung von Bernhardsthal ist zur Zeit kaum eine Aussage möglich. Die vielen Tierknochen zeigen, daß für die Versorgung mit Fleisch die Haustierhaltung die Grundlage bildete. Durch die unmittelbar an den Häusern vorbeifließende Thaya wird natürlich auch dem Fischfang eine gewisse Bedeutung zugekommen sein. An Getreide wird Gerste und Weizen angebaut worden sein. Uber die Wichtigkeit des Flachsanbaues wurde bereits gesprochen. Vereinzelt gefundene Eisenschlacken deuten vielleicht auch auf Eisenverarbeitung. Die in der Siedlung nötigen Gerätschaften, Behälter und Kleidungsstücke wurden sicherlich an Ort und Stelle erzeugt, so möglicherweise Holzgefäße gedrechselt, Körbe und Besen geflochten bzw. gebunden, Holzgeräte hergestellt, Eisengeräte und -werkzeuge geschmiedet, Kämme, Nadeln und Pfriemen aus Hirschgeweihen geschnitten, die benötigten Gefäße getöpfert, Leinen gewoben und zu Kleidungsstücken verarbeitet, Tierfelle gegerbt und aus dem Leder Schuhe, Gürtel und Behälter gefertigt. Die Lage der Siedlung an der Thaya und somit an dem alten Handelsweg der Bernsteinstraße wird sicher auch von Bedeutung gewesen sein.

Das bisher geborgene Fundgut besteht in der Hauptsache aus zerscherbter Keramik, bei der wir insgesamt vier Gruppen unterscheiden können.

  • Die quantitativ größte Gruppe bildet die grob geformte und grob gemagerte germanische Hauskeramik, bei der einfache Töpfe in den verschiedensten Größen überwiegen. Neben unverzierten Exemplaren gibt es auch solche mit Nagelkerben, Wirrfurchen, Schwungbogenköpfen, Wellenbändern, Dreiecken, Keileinstichen und Fischgrätenmustern.
  • Als Uberraschung kann das relativ massierte Auftreten von Keramik in Laténetradition gelten. Kammstrichtöpfe mit und ohne Graphitzusatz waren während der gesamten Siedlungsdauer in Verwendung, scheibengedrehte Schüsseln hingegen nur in der stratigraphisch älteren Phase. Daß unter den bisherigen Aufsammlungen in germanischen Siedlungsarealen Niederösterreichs keine „Latène”-Scherben zu finden sind, dürfte auf die Trennung beider Materialgruppen zurückzuführen sein. Bei neueren Aufsammlungen finden sich beide Keramikgattungen zusammen(21). Der hohe Prozentsatz von Gefäßen in Laténetradition legt auf alle Fälle das Weiterleben einheimischer keltischer oder kelto-illyrischer Bevölkerung unter den im Laufe der 1. Hälfte des 1. Jhs. in das Weinviertel gekommenen Quaden nahe. Eine derartige Feststellung hat bereits M. Lamiová-Schmiedlova für die Südostslowakei getroffen(22).
  • Die dritte Keramikgruppe bildet die feine dünnwandige germanische Ware aus dunkelgrauem, an der Außen- und Innenseite schwarzem, zumeist graphitiertem Ton. In den meisten Fällen handelt es sich um Fußschüsseln, Omphalosschalen, terrinenartige Gefäße und Näpfe. Unter den Dekorationselementen sind schräge und senkrechte Dellen, flächenfüllende Warzenverzierungen, umlaufende Rillen und selten Zahnrädchenmuster zu nennen.
  • Zuletzt ist die provinzialrömische scheibengedrehte Keramik anzuführen: pannonische Streifenware, Ring- oder Leistenschüsseln aus grauem Ton, einige Exemplare auch aus orangefarben geschlickertem Ton, Henkelkrüge, seltener große grautonige Vorratsgefäße, Kragenschalen und Sigillata.

Die nichtkeramischen Funde sind rasch aufgezählt:

  • mehrere Knochennadeln, Knochenpfrieme,
  • ein aus einer tierischen Scapula geschnittenes Gerät, das möglicherweise als Fellschaber gedient hat,
  • zwei etwas fragmentierte Beinkämme aus drei Lagen, der eine mit dreieckigem Rücken, der andere mit halbkreisförmigem Abschluß,
  • in Quadrant V/46 ein Eisensporn mit konischem Knopf aus dem 2. Jh.,
  • neben bereits erwähnten Eisenschlacken, Eisenfragmente unbekannter Verwendung, Eisenmesserfragmente,
  • der Oberteil einer Handmühle
  • und Bruchstücke von Wetzsteinen.

Um das reichhaltige Fundmaterial chronologisch zu durchdringen, wurde versucht, unabhängig von den stratigraphischen Gegebenheiten durch Seriation nur des aus den Gruben geborgenen Fundmaterials eine relative Abfolge einzelner Gefäßformen und Dekorationselemente zu erhalten. Jede Grube, sei es eine Speicher- und Abfallgrube oder eine eingetiefte Hütte, stellt einen geschlossenen Fund dar, wenn auch die Gegenstände nicht wie bei einem Grabfund zur gleichen Zeit in die Erde gelangten. Doch auch der Zeitraum für Abfallablagerung in Gruben ist beschränkt, so daß sich bei genügend auswertbarem Material von einem Iänger besiedelten Platz eine zeitliche Abfolge ergeben muß, wenn es eine solche innerhalb des in Frage stehenden Zeitraumes tatsächlich gegeben hat. Da für die Seriation erst das Fundmaterial der Herbstkampagne 1974 und Frühjahrskampagne 1975 verwertet werden konnte, besitzen die unten stehenden Angaben nur vorläufigen Charakter, obwohl sie der Stratigraphie in keiner Weise widersprechen, im Gegenteil durch diese bestätigt werden. Es wurden nur solche Objekte verwendet bzw. ausgewertet, die mindestens zweimal in verschiedenen Gruben nachgewiesen worden waren.

Es lassen sich drei aufeinanderfolgende Fundstufen (1, 2 und 3) unterscheiden, deren typische Vertreter sich gegenseitig ausschließen, d. h. bisher nie zusammen in einer Siediungsgrube vorgekommen sind.

  • Nur in der Fundstufe 1 gehören z. B. scheibengedrehte Schüsseln in Latènetradition und orangefarben geschlickerte Ringschüsseln; sie treten nur in Siedlungsobjekten der stratigraphischen Stufe A auf.
  • Typische Vertreter der Fundstufe 2, wie z. B. Omphalosschalen, Schalen mit gekehltem Hals und kalottenförmigem Unterteil sowie Keilstichverzierung und kreisförmige bis ovale Dellen, wurden in Siedlungsgruben der stratigraphischen Stufen B1 und B2 nachgewiesen.
  • Der Fundstufe 3 sind becherar'tige Gefäße, steile Wellenbänder und eingekämmte Muster zuzuweisen; sie wurden nur in Gruben der stratigraphischen Stufe B2 gefunden.

Natürlich gibt es auch Funde, die in mehr als einer Fundstufe auftreten. In 1 und 2 gehören u. a. grautonige Ringschüsseln sowie hängende, mit Rillen, Dellen, Kerben oder Keileinstichen gefüllte Dreiecke und schräg gekerbte Tonleisten und in 2 und 3 Fußschüsseln, Schüsseln mit schwacher Halskehlung, Knubbenverzierung, umlaufende senkrechte oder schräge Einritzungen und eingerissene Andreaskreuze. Hingegen laufen Töpfe mit annähernd S-förmigem Profil, einfache Schalen und Schüsseln, pannonische Streifenware, Rammstrichtöpfe, Nagelkerben und Wirrfurchen die gesamte Dauer der Siedlung durch. Eine halbwegs sichere Aussage über die Relativchronologie auf Grund der Seriation wird aber wohl erst nach Auswertung von Fundmaterial einiger weiterer Grabungskampagnen möglich sein.

Was nun die absolute Datierung des Fundmaterials bzw. den Ansatz von Beginn und Ende der Siedlung betrifft, müssen wir uns vorläufig auf die provinzialrömische Importkeramik stützen. In die Fundstufe 1 gehören orangefarben geschlickerte Ringschüsseln, die D. Gábler an das Ende des 1. Jhs. und in die 1. Hälfte des 2. Jhs. setzt(23). Aus einer Grube der stratigraphischen Stufe B2 stammt u. a. das Fragment einer Sigillata-Bilderschüssel der Form Drag. 37. Das Stück kommt aus Westerndorf, ist nach Art des Comitialis gearbeitet und gehört in die ersten Jahrzehnte des 3. Jhs.(24). Der Beginn der Bernhardsthaler Siedlung kann demnach in die Zeit der Wende vom 1. zum 2. Jh. angesetzt werden, das Ende ungefähr in der Mitte der 1. Hälfte des 3. Jhs. Die absolute Datierung der einzelnen stratigraphischen Stufen wie auch der Grund bzw. die Gründe für die Aufgabe des Siedlungsplatzes im 3. Jh. sollen an dieser Stelle noch nicht behandelt werden.

Anmerkungen:

(1) H. Dannheimer, Die frühmittelalterliche Siedlung bei Kirchheim (Ldkr. München, Oberbayern), Germania 51, 1973, 159, Abb. 5.

(2) W. Baumann und K. Kroitzsch, Rettungsgrabung in der kaiserzeitlichen Siedlung von Leuben, Kr. Oschatz, Ausgrabungen und Funde 19, 1972, 102.

(3) W. U. Guyan, Einige Karten zur Verbreitung des Grubenhauses in Mitteleuropa im ersten nachchristlichen Jahrtausend und einige Hinweise auf das archäologische Problem der völkerwanderungszeitlichen Hausformen der Schweiz, Jahrbuch der schweizerischen Ges. f. Urgeschichte 42, 1952, 174ff.
Aus den Niederösterreich unmittelbar benachbarten und ebenso quadisch besiedelten Gebieten seien folgende Arbeiten als Beispiele genannt: T. Kolník, Nové sídliskové nálezy z doby rímskej na Slovensku (Neue Siedlungsfunde aus der Römerzeit in der Slowakei), Archaeologické rozhledy 14, 1962, 344--396 (396--397);

J. Vladár, Vyskum v Branci pri Nitre v roku 1961 (Forschung in Branc bei Nitra im Jahre 1961), Archaeologické rozhledy 14, 1961, 308 - 326 (326 - 327); I. Peskar, Nové poznatky o obytných stavbách na moravských sidlistich z doby rímské (Neue Erkenntnisse hinsichtlich der Wohnbauten in den mährischen Siedlungen aus der römischen Kaiserzeit), Pámatky Archaeologické 52,1961, 414 - 421 (421 - 422).

(4) z. B. R. v. Uslar, Die germanische Siedlung in Haldern bei Wesel am Niederrhein, Bonner Jahrbücher 149, 1949, 139; G. Behm-Blancke, Die germanischen Dörfer von Kablow bei Königs Wusterhausen, Ausgrabungen und Funde 1, 1956, 167; der., Gesellschaft und Kunst der Germanen. Die Thüringer und ihre Welt, Dresden 1973, 89.

(5) J. Herrmann, Der Beitrag der Ausgrabungen in Tornow, Kr. Calau, zur germanischen und slawischen Siedlungs-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte, Ztschr.f. Archäologie 4, 1970, 64.

(6) L. Franz, Neue Germanenfunde in Saaz, Sudeta 11, 1935, 92, Abb. 2 und 94,Abb. 3.

(7) W. Baumann und K. Kroitzsch, a. a. O., 102.

(8) R. v. Uslar, a. a. O., 109, Abb. 3. (9) J. Herrmann, a. a. O., 61 ff.

(10) O. Doppelfeld, Das germanische Dorf auf dem Bärhorst bei Nauen, Prähistor.Ztschr. 28/29, 1937j38, 284 ff.

(11) G. Behm-Blancke, Die germanischen Dörfer von Kablow bei Königs Wusterhausen, Ausgrabungen und Funde 1, 1956, 165.

(12) W. Bender, Un village appartenant à la civilisation de Przeworsk en Pologne centrale (Wolka Lasiecka, district de Lowicz), Archaeologia Polona 4, 1961, 248, Abb. 3.

(13) R. v. Uslar, a. a. O., 11, Abb. 4.

(14) K. Motyková-Sneidrová, Pocátky doby rímské v Cechach, Fontes Archaeo logici Pragenses 6, 1963, 77 f.

(15) I. Peikai-, a. a. O.

(16) T. Kolník, a. a. O.; M. Lamiová-Schmiedlovd, Römerzeitliche Siedlungskeramik in der Südostslowakei, Slovenska Archaeológia 17, 1969, 403 ff.

(17) T. Kolník, a. a. O., 396.

(18) M. Lamiová-Schmiedlová, a. a. O., 486 f.

(19) A. Toriser, FO 14, 1975, 150.

(20) G. Behm-Blancke, Gesellschaft und Kunst der Germanen. Die Thüringer und ihre Welt, Dresden 1973, 89 f.

(21) A. Toriser, a. a. O.; H. Maurer, Fn 12, 1973, 111.

(22) M. Lamiová-Schmiedlová, a. a. O., 462.

(23) D. Gábler, Der römische Gutshof von Fertörakos-Golgota, Acta Arch. Hung. 25, 1973, 156.

(24) Für die Bestimmung sei an dieser Stelle Herrn D. Gábler bestens gedankt.

 

Fundberichte 15 / 1976, p 9 - 17
Ein germanisches Wirtschaftsgebäude aus der Römischen Kaiserzeit

Horst Adler

Seit Herbst 1974 führt das BDA in der Flur Aulüssen der Gem. Bernhardsthal eine Notgrabung durch, um eine durch den geplanten Bau eines Hochwasser-Schutzdammes gefährdete germanische Siedlung aus dem 2. und beginnenden 3. Jh. archäologisch zu untersuchen(1). Während der Herbstkampagne 1976 wurde u.a. im Nordostbereich der Siedlung, knapp innerhalb des Nordwalles, in den Quadranten FF/4, FF/5, GG/4 und GG/5 eine sogenannte Sechspfostenhütte zur Gänze freigelegt. Eine anschließende Rekonstruktion der Hütte im Bereich des Originalbefundes und mit Benützung der negativ ausgenommenen Pfostengruben sollte theoretische Überlegungen über den Aufbau der Hütte prüfen.

In allen vier Quadranten wurden je drei Plana gezeichnet. Von den letzten Plana (Höhe 154,05 m) an, die bereits im Übergangshorizont zum gewachsenen gelbbraunen Schwemmsand lagen, wurde die Hüttengrube bis zu ihrer Sohle (zwischen 153,89 und 153,99 m Höhe), aber auch die einzelnen Pfostengruben negativ freigelegt. Nach Aufnahme aller Profile in den einzelnen Quadranten wurden die Profilriegel innerhalb der Hütte abgetragen und danach noch weitere Profilaufnahmen durchgeführt. Die verbleibenden Riegelreste wurden auf das Siedlungsniveau der Hütte abgetieft. Durch Wegnahme des Füllmaterials im Profilriegel zwischen den Quadranten FF/5 und GG/5 konnte auch der stufenförmige Abgang an der Südseite der Hütte freigelegt werden. Zur besseren Veranschaulichung des Grabungsbefundes wurde eine dreidimensionale Darstellung gewählt, bei der an beiden Achsen Längen und Breiten sowie an den Senkrechten die Tiefen maßstabgerecht abgenommen werden können.

Vom ursprünglichen Niveau war zwischen 54 und 74 cm eine rechteckige Grube mit abgerundeten Ecken eingetieft worden, die an ihrer Sohle eine Länge von etwa 3,50 m, ohne die Eingangsstufung eine Breite von ungefähr 2,80 m und damit eine Grundfläche von annähernd 9,8 m² besaß. Die Längsachse der Hütte ist W-O orientiert. An der südlichen Längswand hatte die Hütte zwischen den Pfostengruben C und D eine Ausbuchtung von rund 45 cm Breite, die zugleich die dritte und letzte Stufe des etwa 1,30 m breiten, 1,80 m südlich der Längsseite ansetzenden Einstieges darstellt.

In der Mitte der beiden Schmalseiten befand sich je eine Pfostengrube (B und E), an den Längsseiten je zwei (A und F sowie C und D), die jedoch nicht in den Ecken gegraben, sondern von diesen rund 85 cm gegen die Mitte der Längsseiten versetzt waren. Die sechs Gruben hatten einen Dm. von 26 - 32 cm und waren von der Grubensohle an gerechnet noch je 56 cm eingetieft. Die Sohltiefe der sechs Pfostengruben aber schwankte bloß zwischen 153,41 und 153,45 m. Die bisherige Beobachtung an Sechspfostenhütten in Bernhardsthal, daß die Achsen der Gruben gegen das Innere zu geneigt sínd, wie dies z.B. bei einer zweiten in der Herbstkampagne 1976, in den Quadranten FF/16 und FF/17 angeschnittenen Hütte der Fall ist, bestätigte sich an der hier zu behandelnden nicht. Einwärts geneigt war bloß die Achse der Grube B, etwas nach auswärts hingegen die Achse der Grube F. Die Achsen der anderen Gruben verliefen annähernd senkrecht. Die Sohle der sechs Pfostengruben war entweder eben oder leicht schräg ausgebildet.

In der Mitte der Längsachse der Hütte fand sich eine kleine Pfostengrube (G) mit etwa 12 cm Dm. und einer Tiefe von 18 cm; die Seitenwände liefen spitz zusammen. Zwischen der Pfostengrube G und dem Eingang konnte noch eine größere, relativ seichte Grube (H) nachgewiesen werden;.sie besitzt einen Dm. von ungefähr 80 cm und eine Tiefe von 17 cm. Zwischen der Eingangsstufung und der Grube H befand sich gegenüber dem umliegenden Hüttenboden eine schwache Eintiefung von einigen Zentimetern.

Die bisher genannten Gruben A--H haben sich -- soweit der jeweilige Bereich freigelegt werden konnte - bei allen derartigen Hütten in der Siedlung von Bernhardsthal gefunden und sind daher untrennbarer Bestandteil dieses Hüttentyps.

Etwas innerhalb der Nordost- und der Südwestecke befand sich je eine Pfostengrube (J und K) mit 19 und 24 cm Dm. Die Wände liefen spitz zusammen und reichten noch 22 und 27cm unter die Grubensohle. Zuletzt seien noch die vier Pfostengruben im Nordwestteil der Hütte erwähnt (L, M, N und P). Sie besitzen alle einen Dm. von 13-18 cm, laufen spitz zusammen und reichen zwischen 13 und 28 cm unter die Hüttensohle. Die Entfernung zwischen den Pfostengruben M und N beträgt 120 cm. Von dieser Linie etwas ins Hütteninnere abgewinkelt liegen die Pfostengruben L und P, von den jeweils benachbarten Pfostengruben 85 bzw. 90 cm entfernt.

Die Pfostengruben J-P gehören nicht zur Grundkonstruktion, sondern zur Innenausstattung bzw. Inneneinrichtung der Hütte.

Bereits früher wurde die Ansicht vertreten, daß die sechs tief eingerammten Pfosten zum Grundgerüst der Hütte gehörten und ein Satteldach trugen. Die kleine Pfostengrube in der Mitte der Längsachse und die etwas größere und seichtere Grube gegen den Eingang zu wurde mit einer zweiten. übereckstehenden Firstpfette in Verbindung gebracht. die zusammen mit zwei von dem Mittelpfosten zu den beiden Seitenpfettenträgern reichenden Rofen ein kleines Dach über dem traufseitigen Eingang trugen(2). Dieser Rekonstruktionsvorschlag kann, wie sich aus dem Folgenden ergeben wird, nicht mehr aufrecht erhalten werden.

Der Gedanke an eine Rekonstruktion der Hütte ergab sich während der Grabungsarbeiten ganz spontan, um aufgetretene Fragen des Aufbaues der Hütte im Experiment zu beantworten. Es wurden von den unmittelbar neben dem Grabungsgelände wachsenden Weiden geeignete Stämme mit Astgabeln abgeschnitten und zu dem Hüttengerüst aufgerichtet, wobei die originalen Pfostengruben Verwendung fanden. Die insgesamt zehn Rofen wurden mit den Gabelenden in die Seitenpfetten eingehängt und mit der jeweils gegenüberliegenden Rofe an der Firstpfette zusammengebunden (4bb. 4). Um die Stabilität zu erhöhen, wurde in die sich kreuzenden Rofenenden ein weiterer Firstbalken eingelegt. Die Dachstangen wurden mit Schnüren, wie sie sicher in ähnlicher Form und Qualität bei den Germanen während der Römischen Kaiserzeit verfügbar waren, mit den Rofen verbunden. Dieses Gerüst zeigte eine vorzügliche Stabilität, die durch keinerlei weitere Pfostensetzungen oder Verbindungen verbessert werden brauchte.

Die Höhe der Seitenpfettenträger von 2,50 m (einschließlich dem eingetieften Teil) wurde so berechnet, daß sich eine 1,70 m große Person ohne Bücken über die Eingangsstufe in das Hütteninnere begeben konnte, wobei aus diesem Grund die südliche Mittelrofe etwas gekürzt wurde und die unterste Dachstange in diesem Bereich unterbrochen blieb. Bei einer angenommenen Dachschräge von etwa 50° ergab sich damit die Höhe der Firstsäulen von 4,00 m (wiederum einschließlich dem eingetieften Teil).

Durch die so entstandene Raumhöhe von 3,40 m im Bereich der 3,50 m langen W-O-Achse wurde die Annahme, die mittlere Grube hätte vielleicht auch zur Aufnahme eines Pfostens zum Abstützen der Firstpfette gedient, hinfällig. Durch die verhältnismäßig große Raumhöhe kam während der Rekonstruktion sofort der Gedanke auf, die Hütte hätte zur besseren Raumausnützung einen zumindest einfachen Stangenboden besessen. Über die Enden der Seitenpfetten wurde je ein Querbalken gelegt und in die Firstsäule eingebunden. Ober diese Querbalken wiederum wurden unmittelbar neben den Seitenpfetten je eine Stange und in der Mitte eine weitere, in die Firstsäulen eingebundene verlegt. Dieser Mittelbalken bedurfte einer Abstützung durch eine Astgabel in der Mitte; damit ergab sich für die Funktion der kleinen Pfostengrube in der Hüttenmitte eine einleuchtende Erklärung

Für die große, relativ seichte Grube innerhalb des Einganges konnte keinerlei Funktion in direktem Zusammenhang mit dem Bau gefunden werden. Da diese Grube jedoch immer beim Eingang liegt und von dorther bei Regen oder Unwetter sicherlich Wasser in das Hütteninnere dringen konnte, wäre eine Interpretation als Wasserauffanggrube, die möglicherweise abgedeckt war, durchaus denkbar. Dafür würde auch die schwach ausgebildete Abstufung beiderseits des Eingangsbereiches innerhalb der Hütte sprechen.

Nach diesem Stadium des Hüttenaufbaues wurde mit der Dachdeckung begonnen, wobei aus mehreren Gründen Schilf als Rohmaterial gewählt wurde: Schilf steht in unmittelbarer Umgebung des Grabungsgeländes in ausreichendem Maß zur Verfügung; schilfgedeckte Heuhütten gab es nach Aussage Ortsansässiger bis in die Zwischenkriegszeit in den Augebieten von Bernhardsthal und Rabensburg; Schilf ist dauerhafter als Stroh und wurde in früheren Zeiten vor allem zum Decken von Wirtschaftsgebäuden verwendet. Das Schilf wurde in gebündeltem und gebundenem Zustand in insgesamt vier Lagen verlegt, wobei die dritte Lage mit ihren Enden jeweils bis in den Raum zwischen Firstpfette und darüberliegenden zweiten Firstbalken reichte. Gleichzeitig mit der jeweils dritten Lage wurden auch die sich an den Enden überkreuzenden vierten Lagen verlegt. Erstaunlich war die für die Dachdeckung benötigte Menge Schilfes: nur für diese eine, doch sehr kleine Hütte mußten über 500 qm Schilffeld abgesichelt werden.

fu75_7.jpg (70252 Byte)

Anschließend an die Dachdeckung wurden die Quadranten FF/4, FF/5, GG/4 und GG/5 außerhalb der Hütte auf deren ursprüngliches Bodenniveau aufgeschüttet. Um dies zu ermöglichen, vor allem um dem Erdreich Zeit zum Setzen zu geben, wurden an den Grubenrändern Holzpfosten eingeschlagen. Da sich entlang des Grubenrandes an der Sohle keine Pfostengrubenreihen fanden, dürfen wir nicht mit durchgehenden Wänden von Sohle bis Dach rechnen. Vielmehr dürften die Wände erst am ursprünglichen Bodenniveau angesetzt haben. Um aber die Grubenränder nicht zu beschädigen, müßten die senkrechten Äste der Wände vor allem in deren Mitte etwas außerhalb des Grubenrandes angesetzt haben. Oben wären sie an den Verbindungsstellen von Rofen und Dachstangen an den Schmalseiten und Rofen und Seitenpfetten an den Längsseiten befestigt gewesen. Unten hätte bloß der zugespitzte Teil in das humose Erdreich montiert werden müssen. Somit ergeben sich leicht schräge, vor allem gegen die Mitte der Hüttenseiten zu schwach gewölbte Wände. Da sich innerhalb der Hütte kein einziges Hüttenlehmstück fand, kann nur auf Grund anderer derartiger Fundstücke in Bernhardsthal auf Flechtwerk geschlossen werden (Abb. 8). Nach dem Grabungsbefund dürften die eingetieften Hüttenteile unverkleidet gewesen sein, wenn auch die Abdeckung mit Schilf- oder Strohmatten durchaus denkbar wäre.

In allen bisher in Bernhardsthal zumindest z.T. untersuchten Sechspfostenhütten fand sich an der Grubensohle ein etwa 1 cm mächtiger Estrich, besser gesagt eine harte Tretschicht. Diese Beobachtung konnte jedoch in der Hütte in den Quadranten FF/4, FFjS, GGj4 und GG!5 nicht gemacht werden. Hingegen zeichnete sich an den Grubenrändern knapp oberhalb der Sohle eine 8-10 cm mächtige graue Schicht ab, die mit kleinen Stückchen verkohlten Holzes versetzt war. An manchen Stellen, wie z.B. im Bereich des Profilriegels zwischen den Quadranten GG/4 und GG/5 reichte diese Schicht noch 10 cm tíef in das gewachsene Erdreich. Diese graue Schicht zog entlang des gesamten Grubenrandes mit Ausnahme des Eingangsbereiches und der Nordwestecke.

Auf Grund der eben angeführten Beobachtungen ist die Annahme eines aus dickeren Ästen verlegten Fußbodens an der Grubensohle nicht von der Hand zu weisen. Das Fehlen der grauen Schicht in der Nordwestecke hängt möglicherweise mit der Inneneinrichtung (Pfosten GP) der Hütte zusammen.

Da die Bedeutung der Pfostengruben J-P innerhalb der Hütte weder auf Grund des Grabungsbefundes noch der Funde einwandfrei geklärt werden konnte, wurden in diese Gruben etwa meterhohe Pfosten mit zugespitzten Enden eingeschlagen, damit einerseits diese Gruben als Befund erhalten bleiben, andererseits auch die Beengtheit des Raumes zur Zeit seiner Benützung deutlich wird .

Alle bisher in Bernhardsthal zur Gänze freigelegten bzw. durch einzelne Quadranten angeschnittenen Sechspfostenhütten haben folgende Merkmale gemein: ein rechteckiger, 10-20 m² großer, annähernd W--O-orientierter Raum, der zwischen 40 und 90 cm vom jeweiligen Siedlungsniveau eingetieft ist, die Einstiegsöffnung an der südlichen Längsseite, die regelmäßige Setzung und tiefe Einrammung der tragenden Pfosten, die kleine Pfostengrube in der Mitte der Hütte, die große seichte Grube knapp innerhalb des Einganges, das Fehlen einer Herdstelle sowie kleinere, relativ seicht eingetiefte Pfosten, die mit der Inneneinrichtung in Zusammenhang gebracht werden müssen.

Das Problem des Aufbaues und Aussehens einer solchen Hütte kann auf Grund der im Herbst 1976 durchgeführten Rekonstruktion im wesentlichen als gelöst angesehen werden. Die Situierung des Einganges an der Südseite der Hütte bedarf keiner besonderen Erklärung: in den eingetieften Raum sollte während des ganzen Tages möglichst viel Licht eindringen. Offen bleibt die Zweckbestimmung solcher Hütten, denn in Bernhardsthal konnten bisher noch keine Funde gemacht werden, die Schlüsse auf ihre Verwendung ermöglichten. Daß aber derartige Hütten in der Regel nicht zum Wohnen gedient haben, dürfte m.E. aus folgenden Erwägungen klar sein: die Eintiefung in den feuchten Untergrund, die für einen Wohnraum ungünstige Lösung des Einganges mit der Möglichkeit leichten Eindringens von Regenwasser in das Innere sowie das Fehlen einer Herdstelle. Von vielen Autoren werden derartige Bauten mit Web- und Spinnhütten in Verbindung gebracht, und zwar wegen des öfteren Vorkommens von Webstuhlgewichten und Spinnwirteln in den Gruben und auf Grund der bekannten Textstelle in der Naturalis Historia des C. Plinius Secundus Maior. Ich möchte die Sechspfostenhütte ganz allgemein als Arbeitshütte ansprechen, in der u.a. sicher auch die Tätigkeit des Spinnens und Webens verrichtet wurde. Ob die vier Pfostengruben G-P gar mit einem Webstuhl in Verbindung zu bringen sein werden, wäre denkbar, ist jedoch nicht konkret zu beweisen.

Bereits an anderer Stelle wurde gesagt, daß die Sechspfostenhütte in Bernhardsthal während der gesamten Siedlungsdauer, also zwischen dem Ende des 1. Jhs. und dem beginnenden 3. Jh. in Verwendung war(3). Die hier besprochene in den Quadranten FF/4, FF/5, GG/4 und GG/5 gehört stratigraphisch in die jüngere Siedlungsstufe B, deren Beginn etwa mit dem zweiten Drittel des 2. Jhs. anzusetzen ist. Auf Grund der in dem eingetieften Teil gemachten Funde war die Hütte jedoch nicht bis zum Ende der stratigraphisch jüngeren Stufe in Verwendung; ihr Ende ist vor der Wallaufschüttung, die wir vorläufig in das letzte Viertel des 2. Jhs. ansetzen, anzunehmen.

Zuletzt ist es für mich nicht nur Pflicht, sondern echtes Bedürfnis, meinem Kollegen J. Offenberger für seine konstruktive Mitarbeit an den Ausgrabungen in Bernhardsthal zu danken; ohne diese wäre weder die theoretische noch die praktische Rekonstruktion der hier besprochenen Hütte möglich gewesen.

Anmerkungen (1) H. Adler, Eine germanische Siedlung der Römischen Kaiserzeit in Bernhardsthal, FÖ 14, 1975, 7 ff.; ders., FO 15, 1976, 261 ff.

(2) H. Adler, Eine germanische Siedlung der Römischen Kaiserzeit in Bernhardsthal, FÖ 14, 1975, 9.

(3) Anm. 2. 9.

Fundberichte 15 / 1976, p 19 - 27

Zur Datierung einiger Beinkämme aus der Römischen Kaiserzeit in Bernhardsthal

Horst Adler

In der im SSO von Bernhardsthal liegenden Flur Aulüssen führt das BDA seit 1974 eine großangelegte Notgrabung durch, die zum Ziel hat, vor dem Bau eines Hochwasser-Schutzdammes eine germanische Siedlung der Römischen Kaiserzeit zu untersuchen. Während der Herbstkampagne 1976 (siehe dazu S. 261ff.) wurde innerhalb der Verfärbung A des Quadranten FF/11 das Bruchstück eines Einlagenkammes mit durchbrochen gearbeitetem Griffteil gefunden. Die Verfärbung A gehört zu einer etwa 4,40 m langen und rund 3,60 m breiten, unregelmäßig rechteckigen Grubenhütte, die sich noch bis in die Quadranten FF/12 (Verfärbung A), GG/11 (Verfärbung A) und GG/12 (Verfärbung A) erstreckt hat. Da derartige Kämme aus Österreich bisher unbekannt geblieben sind, soll das Fundstück an dieser Stelle vorgelegt werden.

Fragment eines Einlagenkammes aus Horn. Der eng gezähnte Teil ist von der Griffplatte durch zwei Rillen getrennt. Die Zahnreihe verläuft gerade. Der durchbrochen gearbeitete, halbkreisförmige Griffteil zeigte ursprünglich stufenförmige Stege. In den Ecken je zwei Kreisaugen. Erh. L. 4,3 cm, erh. H. 6,7 cm, gr. D. 0,85 cm, L. der Kammzinken 2,2 cm. NÖLM (mit Standort Museum Bernhardthal), Inv. Nr. 20.322/1 (Abb. 1)

Der Kamm gehört zum Typ C nach S. Thomas, den sie bis auf das Exemplar aus dem Körpergrab 6 von Noutonice bei Prag in die Stufe B2 nach H. J. Eggers setzt und dessen Hauptverbreitungsgebiet im elbgermanischen Siedlungsraum liegt(1). Auch der Kamm aus dem Römergrab von Lovosice kann auf Grund des mitgefundenen Bronzeblecheimers (Eggers Typ 40), der Kelle und Sieb (Eggers Typ 160) und einer Bronzeblechschüssel (Eggers Typ 72) in die Stufe B2 gesetzt werden(2).

Die Grube FF/11/A--FF/12/A--GG/11/A--GG/12/A gehört innerhalb der Bernhardsthaler Siedlung in die stratigraphisch jüngere Stufe B, die etwa vom Beginn des zweiten Drittels des 2. Jhs. bis in das erste Viertel des 3. Jhs. angesetzt werden kann. Zusammen mit dem Kamm wurden innerhalb der Hütte noch folgende Funde geborgen:

  • Mehrere Wandscherben von Gefäßen pannonischer Streifenware,
  • die Randscherbe eines provinzialrömischen Henkelkruges,
  • eine solche einer provinzialrömischen Schale,
  • Randscherben scheibengedrehter Kammstrichtöpfe,
  • eine Wandscherbe mit schrägem, sich kreuzendem Kammstrich,
  • das Randfragment einer dünnwandigen Schüssel mit eingezogenem Halsteil und kalottenförmigem Unterteil,
  • eine Schüssel mit schwach eingezogenem Hals mit verdicktem Mundsaum, ausgeprägtem Umbruch und eingezogenem, fußschüsselartigem Unterteil,
  • die Randscherbe einer dünnwandigen, schwarztonigen Schüssel mit schwacher Halskehlung und kalottenförmigem Unterteil,
  • das Wandfragment einer schwarztonigen Fußschüssel,
  • das Randfragment einer dünnwandigen, schwarztonigen Fußschüssel, die oberhalb des gut ausgeprägten Umbruches eine kleine gekerbte Tonleiste und hängende, mit punktförmigen Eindrücken gefüllte Dreiecke trägt,
  • die Randscherbe eines schüsselförmigen Gefäßes mit ausladender, etwas abgesetzter Randpartie,
  • Randscherben mehrerer Schüsseln mit weit ausladendem Oberteil,
  • Randscherben einfacher Schalen mit eingezogenem Oberteil,
  • die Randscherbe einer Schale mit umlaueender Rille unter dem einfachen Rand und Knubbenverzierung am Unterteil,
  • zwei Randscherben eines großen schalenförmigen Gefäßes mit gerade abgeschnlttenem Mundsaum,
  • das Bodenstück einer Omphalosschale,
  • zwei Fragmente einfacher Schüsseln,
  • das Bruchstück eines kleinen Napfes, Fragmente von Terrinen,
  • Randscherben von Töpfen mit ausladender und abgesetzter Randpartie sowie hohem Bauchumbruch,
  • zahlreiche Bruchstücke von Töpfen,
  • das Randfragment eines Siebgefäßes von terrinnenartiger Form mit rundstabigem Henkel,
  • eine kleine Wandscherbe mit Keileinstichen,
  • eine Wandscherbe mit Kammstempelmuster, Wandscherben mit senkrechten Riefen in Abstand,
  • eine Wandscherbe mit zwei zart eingerissenen zweilinigen Zickzackbändern mit abgerundeten Spitzen,
  • Bruchstücke mit Schwungbogenköpfen,
  • solche mit viertelkreisförmigen Schwungbogenköpfen sowie
  • Wandscherben mit unregelmäßig angeordneten, mit umlaufenden und senkrechten Reihen von Nagelkerben.

Die Analyse der Gefäßformen und Dekorationselemente der älteren Römischen Kaiserzeit in Mähren durch R. M. Pernicka(3) erbringt für dieses Material keine genauere Datierung als das 2. Jh. Nach der Seriation aller Grubenfunde bis einschließlich der Herbstkampagne 1976 gehört die Grube FF/11/A--FF/12/A-GG/11/A--GG/12/A in die Fundstufe 2 (etwa vom Beginn des zweiten Drittels bis knapp an das Ende des 2. Jhs.), die etwa der älteren Phase 1 der stratigraphisch jüngeren Stufe B entspricht.

Wie bereits eingangs erwähnt, sind aus Österreich bisher keine derartigen Kämme bekannt geworden. Einlagenkämme mit halbkreisförmiger oder halbellipsenförmiger, jedoch nicht durchbrochen gearbeitetem Griffteil gibt es hingegen bereits mehrere. S. Thomas zählt sie zu ihrem Typ A 1, der entweder unverziert ist oder Rillen über der Zahnreihe besitzt; die chronologische Einordnung wird ähnlich wie für den Typ C mit der Stufe B, nach H. J. Eggers und der beginnenden spaten Römischen Kaiserzeit angegeben (4).

Zwischen 1969 und 1972 konnten nördlich des Facihofes in der KG Ringelsdorf, Gem. Ringelsdorf-Niederabsdorf, BH Gänserndorf, sowohl auf einem Gelände der Zuckerfabrik Hohenau (Parz. 1313) wie auch auf dem einer unmittelbar benachbarten Baumschule (Parz. 1314/1) zahlreiche Funde einer römerzeitlichen Siedlung aufgelesen werden: neben einem unverzierten Einlagenkamm mit halbkreisförmigem Griffteil (Abb. 2)

Bruchstücke pannonischer Streifenware, Scherben grautoniger Ringschüsseln, die Randscherbe eines provinzialrömischen Henkelkruges, einige kleine Sigillatafragmente, Bruchstücke von Kammstrichtöpfen, ein kleines napfförmiges Gefäß mit Hohlfuß, eine Randscherbe mit schräg gekerbtem Mundsaum, Wandscherben mit Laufrädchenmuster, das Bruchstück einer Schale mit senkrechten Riefen und flächenbedeckender Knubbenverzierung, Scherben mit Nagelkerben, Schwungbogenköpfen, viertelkreisförmigen Schwungbogenköpfen, Wirrfurchen, an der Wand eingerissenen Andreaskreuzen, mittelsteilen Wellenbändern, Zickzackbändern, Keileinstichen, senkrechten Rillen in Abstand, eine Wandscherbe mit scharfem Umbruch und riefengefüllten Zonen, Knickhenkel und eine silberne Trompetenfibel mit Fußknopf und Bügelkragen(5). Auf Grund der angeführten Funde kann der Beginn der Siedlung mit dem ausgehenden 1. Jh. und das Ende mìt dem beginnenden 3. Jh. angegeben werden.

1953 wurden in der Flur Edeläcker auf den Parz. 168 und 175/2 der KG Ebendorf, Gem. Mistelbach, BH Mistelbach, neben dem Fragment eines Einlagenkammes mit halbellipsenförmigem Griffteil und drei Rillen knapp oberhalb der Kammzinken folgende Funde einer germanischen Siedlung aufgelesen: Fragmente pannonischer Streifenware, die Scherbe einer grautonigen Ringschüssel, die Randscherbe eines schalenförmigen Gefäßes mit kalottenförmigem Unterteil und annähernd zylindrischem, etwas eingezogenem Oberteil, das Bodenstück einer Fußschüssel sowie Scherben mit umlaufenden, aber auch senkrechten Reihen von Nagelkerben, Schwungbogenköpfen, Wirrfurchen und Laufrädchendekor (6). Das Material kann in das 2. Jh. datiert werden.

Zwischen 1940 und 1951 wurde in der Flur Krottenberg der KG Straning, Gem. Straning-Grafenberg, BH Horn, eine germanische Siedlung ausgeplündert. Das Fundmaterial, von dem heute keine Zusammenhänge nach einzelnen Siedlungsobjekten mehr bekannt sind, gehört in die Zeit vom 2. Jh. bis in die 1. Hälfte des 3. Jhs. Folgende Einlagenkämme sind anzuführen: Kamm mit halbkreisförmigem Griffteil und zwei Rillen knapp oberhalb der Kammzinken, das Fragment eines Kammes mit halbellipsenförmigem Griffteil und mehreren Rillen oberhalb der Kammzinken sowie ein weìteres Fragment eines ganz ähnlichen Kammes (7).

Zuletzt sei noch ein weiterer Einlagenkamm erwähnt, der eine halbellipsenförmige Griffplatte und zwei Rillen knapp oberhalb der Kammzinken aufweist. Er stammt aus der Flur „Im Teich” der KG Zaingrub, Gem. Rosenburg-Mold, BH Horn, und wurde 1942 zusammen mit einer Bronzefibel mit umgeschlagenem Fuß und einem kleinen napfförmigen Gefäß, ähnlich dem von Ringelsdorf, jedoch ohne Hohlfuß, gefunden(8). 1973 wurden von dieser Flur weitere Streufunde bekannt: Bruchstücke von Kammstrichtöpfen, Scherben mit Schwungbogenköpfen, Nagelkerben, Wirrfurchen, Keileinstichen und die Randscherbe eines scheibengedrehten provinzialrömischen Gefäßes mit Nagelritzen (9). Auch diese Siedlung kann auf Grund der Oberflächenfunde in das 2. Jh. gestellt werden, wenn auch die Fibel für einen eher späten Ansatz innerhalb dieses Zeitraumes spricht.

Die chronologische Einordnung der bisher aus Österreich bekannt gewordeneEinlagenkämme - sowohl das Exemplar mit durchbrochen gearbeitetem Griffteil aus Bernhardsthal wie auch die fünf Exemplare mit voll gearbeitetem Griffteil - stimmt mit der Datierung, die S. Thomas dafür gibt, im großen und ganzen überein: es kommt der Zeitraum zwischen dem ausgehenden 1. Jh. und dem beginnenden 3. Jh. inFrage. In Böhmen scheinen derartige Kämme jedoch bereits während der Stufe Eggers B1 in Verwendung gewesen zu sein(lO), waren aber auch noch in der Stufe C1 in Gebrauch (11).

Die Gelegenheit soll wahrgenommen werden, auch die drei anderen bisher in Bernhardsthal zutage gekommenen Kämme bekanntzumachen, schon allein deswegen, weil sich die Datierung auf Grund der stratigraphischen Gegebenheiten und der bisherigen Ergebnisse der Endauswertung anders darstellt, als sie in der Arbeit von S. Thomas gegeben wird.

Aus einer nicht zur Gänze ergrabenen, sondern nur durch eine Quadrantenreihe in ihrem nördlichen Bereich im Herbst 1975 angeschnittenen Siedlungsgrube im Quadranten RR/14 stammt folgender Kamm:

Fragmentierter Dreilagenkamm aus Horn. Die sechs gezähnten Mittelteile waren ursprünglich durch elf Bronzenieten mit zwei rechteckigen Griffplatten mit flach-dreieckigem Abschluß verbunden. Die Zahnreihe verläuft etwas bogenförmig und lädt nach beiden Seiten zu etwas aus. Die Ränder der Griffplatte sind mit Kreisaugen verziert. Erh. L. 7,5 cm, H. 4,4 cm, gr. D. 0,65 cm, L. der Kammzinken 1,40 cm. NÖLM (mit Standort Museum Bernhardsthal), Inv. Nr. 20.228/ 11 (Abb. 3)

Kamm3.gif (11256 Byte)

Dieser Kamm gehört zum Typ II der Dreilagenkämme (dreieckige Griffplatte), Variante 2 (gestreckt-dreieckiger Rücken) und Motiv B (Kreisaugen) nach S. Thomas, die sie als typologisch jung ansieht und in das 4., 5. und beginnende 6. Jh. setzt (12); S. Thomas betont aber das Fehlen von geschlossenen Funden mit gut datierbarem Material.

Die Verfärbung A des Quadranten RR/14, eine Hüttengrube mit wahrscheinlich unregelmäßigem Grundriß, die sich auch noch in den Quadranten SS/14 (Verfärbung A) erstreckt hat, gehört wie der Einlagenkamm aus dem Quadrant FF/11 der stratigraphisch jüngeren Stufe B an. Aus der Hüttengrube in den Quadranten RR/14 und SS/14 konnte noch folgendes Fundmaterial geborgen werden:

  • Fragment einer Ringschüssel aus grauem, schwarz geschlickertem Ton, der Oberteil eines provinzialrömischen Henkelkruges,
  • die Wandscherbe pannonischer Streifenware,
  • die Wandscherbe eines Kammstrichtopfes,
  • eine Wandscherbe mit Tannenzweigmuster und senkrechten Bändern aus mit Laufrädchen gezogenen Linien,
  • die Wandscherbe eines feingeschlämmten schwarztonigen Gefäßes mit zwei umlaufenden, einen kleinen Wulst bildenden Rillen,
  • eine Wandscherbe mit flächenbedeckender Knubbenverziehrung,
  • das Randfragment einer Schale mit eingezogenem Oberteil und einem durch eine kleine Stufung abgesetztem Mundsaum,
  • Fragmente von Töpfen mit S-förmigem Profil,
  • Wandscherben eines Topfes mit Wirrfurchen,
  • Wandscherben mit umlaufenden Reihen schräger Ritzlinien,
  • eine Wandscherbe mit senkrechten Rillen in Abstand,
  • ein großes Topfbruchstück mit Schwungbogenköpfen,
  • eine Scherbe mit fischgrätenartig angeordneten tiefen Kerben sowie
  • zwei Wandscherben mit umlaufenden Reihen von Nagelkerben mìt aufgeworfenem Rand.

Dieses Fundmaterial ist nach der bisherigen Auswertung in die Fundstufe 2 zu stellen. Die Datierung dieses Siedlungsobjektes entspricht damit der der Hütte FF/11/A--FF/12/A--GG/11/A--GG/12/A, deren Benützung innerhalb des Zeitraumes vom Beginn des zweiten Drittels bis knapp vor Ende des 2. Jhs. anzusetzen ist.

Das Fragment eines ähnlichen Kammes stammt aus Ravelsbach, Gem. Ravelsbach, BH Hollabrunn. Das Exemplar zeigt an den Rändern der beiden Griffplatten, deren dreieckige Form etwas steiler als bei dem Bernhardsthaler Stück ist, parallele Ritzlinien und halbe Kreisaugen(13). Es wird damit vielleicht eher zu Variante 1 des Typs II von S. Thomas gehören. Leider ist dieser Kamm ein Einzelfund, der für die chronologische Einordnung keine Information liefern kann.

Die Datierung des Bernhardsthaler Kammes entspricht also der des Typs II, Variante 2 von S. Thomas in keiner Weise. Doch wollen wir ihn gar nicht mit den völkerwanderungszeitlichen Exemplaren, vor allem nicht mit denen des ausgehenden 5. Jhs. und des 6. Jhs. in Verbindung bringen. Wir sind eher geneigt, diesen Kamm als Vorläufer der Dreilagenkämme vom Typ I, Variante 1 nach S. Thomas zu sehen.

Eine Zwischenform beider Typen ist aus der Siedlung Straning bekannt(14). Dieser Dreilagenkamm zeigt dreieckige Griffplatten, die am oberen Ende abgerundet sind; er kommt damit der Variante 1 des Typs I nach S. Thomas sehr nahe.

In einer ebenfalls im Herbst 1975 durch Quadrant SS/13 bloß in ihrem äußersten Südwestteil angeschnittenen Hüttengrube (Verfärbung A) wurde folgender Kamm gefunden:

Etwas fragmentierter Dreilagenkamm aus Horn. Die beiden Griffplatten, die in ihrer Form aus einem flachen Trapez und einem Kreissegment bestehen, hielte ursprünglich sieben Mittelteile durch sieben Bronzenieten zusammen: sechs gezähnte Hornplatten, wobei die beiden äußeren abgeschrägten breiter waren als die vier inneren, sowie ein kreissegmentförmiges, nach oben zu dicker wedendes Keilstück. Die Zahnreihe verläuft gerade und lädt nach beiden Seite zu etwas aus. Der untere Abschluß der beiden Griffplatten weist eine schwach ausgebildete Riefe auf, die bogenförmigen Ränder sind mit zwei mit Laufrädchen gezogenen Linien verziert. Erh. L. 10,1 cm, H. 6,8 cm, gr. D. 1,0 cm, L. de Kammzinken 2,8 cm. NÖLM (mit Standort Mus. Bernhardsthal), Inv. Nr. 20.230/ 10 (Abb. 4).

Dieser Kamm gehört zum Typ I der Dreilagenkämme (kreissegmentförmige Griffplatte), Variante 1 (stärker gewölbt) und Motiv C (u. a. eingestochene Linienbänder) nach S. Thomas und ist in die späte Römische Kaiserzeit zu setzen, wobei das Hauptverbreitungsgebiet im Elbe-Saale-Raum und in Böhmen liegt(15). I. Bóna datiert einen derartigen Kamm aus dem Burgus von Nógrád-Veröce in Ungarn in das 3./4. Jh.(16), I. Peskar einen solchen aus Morice in Mittelmähren in das 3. Jh. (17). H. J. Eggers setzt solche Dreilagenkämme (unverzierte und solche mit Laufrädchen- und Kreisaugenverzierung) aus dem Gräberfeld von Pollwitten (= Poiwite, etwa 30 km im SSO vom Elblag) in seine Stufe C1 und etwas später an (18).

Die Verfärbung A des Quadranten SS/13 gehört stratigraphisch der älteren Phase der jüngeren Stufe B, also B1 an, da diese Hüttengrube von dem der Phase B2 zuzuordnenden Wall z.T. überlagert wird. Die Phase B1 kann ungefähr vom Beginn des zweiten Drittels bis zur Mitte der zweiten Hälfte des 2. Jhs. angesetzt werden. Aus dieser Grube stammen noch folgende Funde:

  • Das Bodenfragment einer Sigillataschüssel,
  • die kleine Randscherbe einer scheibengedrehten Schale pannonischer Streifenware,
  • das fragmentierte Töpfchen aus schwarzem Ton mit polierter und graphitierter Oberfläche mit zwei umlaufenden, einen kleinen Tonwulst bildenden Rillen auf der Schulter sowie einem Henkelansatz am Bauchumbruch,
  • zwei Bruchstücke von Schalen mit eingezogenem Oberteil,
  • zwei Randscherben von Schüsseln,
  • die Randscherbe eines Topfes mit ausladender Randpartie, hohem Bauchumbruch und umlaufender Rille knapp oberhalb des Bauchumbruches sowie
  • das Randfragment eines Topfes mit kugeligem Gefäßkörper und kurzer, nicht abgesetzter Randpartie mit einfachem Mundsaum.

Die Seriation des bisherigen Fundmaterials von Bernhardsthal ergibt für dieses Siedlungsobjekt eine relative Einordnung in die Fundstufe 2, die der stratigraphischen Zuordnung zur Phase B1 ungefähr entspricht. Wir müssen also die Verwendungsdauer auch dieses Kammtyps entgegen S. Thomas zumindest bis in die 2. Hälfte des 2. Jhs. vorverlegen.

Ein ähnlicher Kamm ist aus der Mur Teichwiesen der KC Maiersch, Gem. Gars am Kamp, BH Horn, bekannt. Er zeigt jedoch wesentlich höhere Griffplatten, die außerdem noch mit weiteren konzentrisch und auch radial angeordneten Laufrädchenlinien verziert sind. Das Stück wurde in Grube 1 zusammen mit folgenden Funden geborgen: Wandscherbe einer grautonigen Ringschüssel, ein kleines Sigillatafragment, eine hohe Schale mit abgesetzter Standfläche, das Fragment einer kleinen Henkelschale mit halbkugeligem Gefäßkörper und ausladendem Mundsaum, das Fragment einer Schüssel mit kalottenförmigem Unterteil, gekehltem Hals und ausladendem Mundsaum, Fragmente einfacher Schüsseln, der Bodenteil einer Fußschüssel, das Fragment eines konischen Napfes, das Fragment eines doppelkonischen Gefäßes mit ausladendem Mundsaum, das Randfragment eines Topfes mit S-förmigem Profil mit schräg gekerbtem Mundsaum und zwei umlaufenden Reihen von Keileinstichen auf der Schulter, eine Randscherbe mit ausladendem Mundsaum, der gegeneinander gestellte schräge Kerbgruppen trägt, zwei doppelkonische und vier kegelstumpfförmige Spinnwirtel, ein Bronzegriff und Eisenfragmente (19). Die Grube dürfte etwa in die zweite Hälfte des 2. Jhs. gehören, wenn auch andere Funde wie grautonige Drehscheibengefäße mït eingrissenen Wellenbändern oder Scherben mit eingestempelten Rosetten für eine Dauer der Siedlung bis in die zweite Hälfte des 3. Jhs. sprechen. 1978 konnten weitere Tonscherben des 2. Jhs. von dieser Siedlungsstelle aufgesammelt werden (20).

Insgesamt drei Kämme mit der gleichen Griffplattenform, jedoch unverziert, stammen aus der bereits erwähnten Siedlung Straning (21).

In der Frühjahrskampagne 1976 wurde innerhalb der Verfärbung C des Quadranten JJ/6, einer kleinen, bloß in ihrem Nordwestteil angeschnittenen Grube, folgender Kamm gefunden:

Fragmentierter Dreilagenkamm aus Horn. Die beiden Griffplatten, die in ihrer Form aus einem flachen Trapez und einem Kreissegment bestehen, hielten ursprünglich sechs Mittelteile durch sechs Eisennieten zusammen: fünf gezähnte, beim Ansatz der Griffplatten abgestufte Hornplatten sowie ein kreissegmentförmiges, nach oben zu etwas dicker werdendes Keilstück. Die Zahnreihe verIäuft -- sowelt noch erhalten -- gerade. Beide Griffplatten sind gegen die Eisennieten zu durch eine etwas unregelmäßig gezogene Linie und auf diese aufgesetzte halbe Kreisaugen verziert. Entlang der bogenförmigen Ränder sind zwei mit Laufrädchen gezogene Linien angebracht. In der Mitte der Griffplatten ist je ein fünfliniges Kreisauge angebracht, das an beiden Seiten von je einem zweilinigen und drei einlinigen Kreisaugen flankiert wird. Erh. L. 8,7 cm, H. 7,2 cm, pr. D. 1,7 cm, L. der Kammzinken 2,4 cm. NÖLM (mit Standort Museum Bernhardsthal), Inv. Nr. 20.288/3 (Abb. 5).

Dieser Kamm gehört nach S. Thomas zu den Dreilagenkämmen des Typs I (kreissegmentförmìge Griffplatte), Variante 1 (stärker gewölbt), Motiv A (Kreisaugen und eingestochene Linien), wobei halbe Kreisaugen typisch für skandinavische Kämme sein sollen (22). Datiert wird dieser Typ ebenso wie die Kämme mit Motiv C.

Die Verfärbung C des Quadranten JJ/6 gehört in die stratigraphisch jüngere Stufe B, die etwa vom Beginn des zweiten Drittels bis an den Beginn des 3. Jhs. angesetzt werden kann. Aus dieser Grube stammt kein Begleitmaterial.

Die Datierung des Siedlungsobjektes JJ/6/C muß der Datierung der Kämme I/1/A von S. Thomas nicht unbedingt widersprechen, da die Grube u.U. erst Ende des 2. Jhs. oder zu Beginn des 3. Jhs. angelegt worden sein kann.

Aus der Siedlung von Straning stammen zwei Kämme, deren Griffplatten nur mit Kreisaugen verziert sind, ein weiterer Kamm trägt auf der Griffplatte einige Kreisaugen und mit Laufrädchen gezogene Linien (23).

Im Gräberfeld Enns-Steinpaß kam 1963 ein Dreilagenkamm von der gleichen Form zutage, war allerdings ausschließlich mit Kreisaugen verziert; er wurde in das 3. Jh. datiert(21). H. Deringer datiert einen ebensolchen, jedoch reicher verzierten Kamm, der als Streufund in Enns-Ziegelfeld zutage kam, ins 5. Jh. (25).

Zusammenfassung

Bei den Ausgrabungen in Bernhardsthal konnten bisher vier Beinkämme bzw. Fragmente von solchen gefunden werden. Das Bruchstück eines Einlagenkammes mit durchbrochen gearbeitetem Griffteil, von dem es bisher in Österreich kein Gegenstück gibt, gehört ebenso wie die Einlagenkämme mit vollgearbeitetem, halbkreisförmigem bis halbeilipsenförmigem Griffteil in die Zeit vom Ende des 1. Jhs. bis an den Beginn des 3. Jhs. Diese Datierung stimmt mit der von S. Thomas für ihre Typen A I und C überein.

Für zwei Dreilagenkämme, deren Form der Griffplatten aus einem Trapez und anschließendem Kreissegment zusammengesetzt ist, konnte für Bernhardsthal eine chronologische Einordnung vom Beginn des zweiten Drittels bis in das erste Viertel des 3. Jhs. nachgewiesen werden; eine ähnliche Datierung zwischen zweiter Hälfte des 2. Jhs. und erster Hälfte des 3. Jhs. kommt auch für die anderen derartigen Kämme in Niederösterreich nördlich der Donau in Frage. Damit muß die Verwendungsdauer der Dreilagenkämme vom Typ I, Variante 1 nach S. Thomas zumindest bis in die zwelte Hälfte des 2. Jhs. vorverlegt werden.

Der vierte Kamm aus Bernhardsthal, ein Dreilagenkamm mit flach-dreieckigem Abschluß und Kreisaugenverzierungen entspricht zwar dem Typ II, Variante 2 von S. Thomas, kann aber keinesfalls in die Völkerwanderungszeit gesetzt werden; er war vielmehr etwa während dem zweiten und dritten Drittel des 2. Jhs. in Verwendung. Möglicherweise stellt dieser Typ einen Vorläufer zu den Kämmen mit kreissegmentförmigem Abschluß dar.

Die chronologische Stellung der Einlagenkämme in Österreich entspricfit durchwegs der der Gegenstücke im freien Germanien, für die Dreilagenkämme konnte hingegen ein etwas früherer Beginn ihres Auftretens in Niederösterreich festgestellt werden. Ob das Vorkommen von Dreilagenkämmen bereits im 2. Jh. auf Einflüsse aus dem provinzialrömischen Bereich zuriickzuführen ist, wie dies T. Kolnik für ein unverziertes Exemplar aus Grab 72 von Benesov in der Südwestslowakei annimmt(26), mag bis zu einer Veröffentlichung von Fundma'terialien aus römischen Lagern und Siedlungen an der niederösterreichischen Donau dahingestellt bleiben.

Anmerkungen

(1) S. Thomas, Studien zu den germanischen Kämmen der römischen Kaiserzeit, Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege 8, 1960, 66 ff., 122 ff. und 136 ff.

(2) K. Motyková-Sneidrová, Weiterentwicklung und Ausklang der älteren römschen Kaiserzeit in Böhmen, Fontes Archaeologici Pragenses 11, 1967, 28.

(3) R. M. Pernicka, Die Keramik der älteren römischen Kaiserzeit in Mähren, Opera Universitatis Purkynianae Brunensis, facultas philosophica 112, 1966, 40 ff. und 75 ff.

(4) S. Thomas, Anm. 1, 56 f.

(5) R. Zelesnik, FÖ 9, 1966/70, 203 und 284, FÖ 11, 1972, 102; H. Mitscha-Märheim, Frühgeschichtliche Kleinfunde aus Ostösterreich in verschiedenen Sammlungen, ArchA 50, 1971, 192; M. Schimarofsky, Die germanischen Bodenfunde des ersten bis vierten Jahrhunderts nach Christus im nördlichen Niederösterreich, ungedr. Diss., Wien 1976, 78 ff. (unter Hohenau), 269 f. (unter Ringelsdorf), Taf. 14/1--20 und Taf. 97/1--16.

(6) H. Mitscha-Märheim, FÖ 6, 1951/55, 92f.; M. Schimarofsky, Anm. 5, 42ff. und Taf. 8/1--31

(7) J. Höbarth, FÖ 4, 1940/45, 55f.; M. Schimarofsky, Anm. 5, 291ff. und Taf. 99/8-12 und Taf. 100--127/1--10.

(8) J.Höbarth FÖ4,1940/45,45 und 57; M.Schimarofsky, Anm.5,440 und T.172/13-15

(9) H. Maurer, FÖ 12,1973, 111; M. Schimarovsky, Anm. 5, 440f. und Taf. 172/1624.

(10) K. Motyková-Sneidrová, Zur Chronologie der ältesten römischen Kaiserzeit in Böhmen, Berliner Jahrbuch f. Vor- und Frühgeschichte 5, 1965, 133.

(11) K. Motyková-Sneidrová, Anm. 2, 8.

(12) S. Thomas, Anm. 1, 10lf.

(13) M. Schimarofsky, Anm. 5, 263 und Taf. 95!9.

(14) M. Schimarofsky, Anm. 5, 331 und Taf. 126/17.

(15) S. Thomas, Anm. 1, 92 ff.

(16) I. Bóna, Beiträge zur Archäologie und Geschichte der Quaden, Acta Arch. Hung.15, 1963, 288 und Taf. 52/8.

(17) I. Peskar;, Prirustky moravskych nalezu z doby rímské za rok 1969 (Röme zeitliche Neufunde aus Mähren im Jahre 1969), Prehled výzkumu 1969, Brünn 1971, 21 und Taf. 22, 3.

(18) H. J. Eggers, Das kaiserzeitliche Gräberfeld von Pollwitten, Kreis Mohrungen, Ostpreußen, Jahrb. d. RGZM 11, 196d, 171.

(19) J. Höbarth, Fn 2, 1934/37, 80 und 148; M. Schimarofsky, Anm. 5, 142ff. und Tai. 4/11-15 und Taf. 42/1--16.

(20) H. Maurer, Fn 12, 1973, 98.

(21) M. Schimarofsky, Anm. 5, Taf. 126/15, 16 und 22.

(22) S. Thomas, Anm. 1, 81.

(23) M. Schimarofsky, Anm. 5, Taf. 126/23, 25 und 28.

(24) Ä. Kloiber, Die Ausgrabungen des Jahres 1963 im Gräberfeld Lauriacum-Steinpaß, Jahrb. d. oö. Musealver. 109, 1964, 168 ff. und Taf. V, 1.

(25) H. Deringer, Provinzialrömische und germanische Knochenkämme aus Lauriacum, Jahrb. d. oö. Musealver. 112/I, 1967, 62 und Taf. VIII, 3.

(26) T. Kolník, Pohrebisko v Besenove (Ein römerzeitliches Gräberfeld in Besenov),Slovenskl Archeologia 9, 1961, 281.

Abb. aus Germanen, Awaren, Slawen

 

Fundberichte 15 / 1976, p 261 - 264

Bernhardsthal, Gem. Bernhardsthal, BH Mistelbach (Bl.26, W 111-114 mm, N 153-158 mm). 3.2 km im OSO der Ortschaft liegt direkt an der Thaya die Flur Aulüssen, von der bereits seit Jahren germanische Oberflächenfunde bekannt sind. Da ab 1979 an dieser Stelle ein Hochwasser-Schutzdamm errichtet werden soll, führt das BDA seit Herbst 1974 eine großangelegte Notgrabung durch (siehe dazu bereits H. Adler, FÖ 13, 1974, 99 ff. und ders., Eine germanische Siedlung der Römischen Kaiserzeit in Bernhardsthal, FÖ 14, 1975 7ff.). 1976 wurden innerhalb von zwei Grabungskampagnen 97 Quadranten (3 X 3 m) geöffnet und untersucht; sie lagen alle im Nordost- bzw. Nordbereich der Siedlung.

In Fortsetzung der bereits in der Herbstkampagne 1974 und Frühjahrskampagne 1975 angelegten, N--S-orientierten Quadrantenreihe V wurden im Norden vier weitere Quadranten geöffnet, um an dieser Stelle den Nordwall zu untersuchen. Der Wall war an der Oberfläche kaum erkennbar und dürfte an der Basis ursprünglich etwa 9 m breit gewesen sein. Dem Wall war nach außen kein Graben vorgelagert. Dieser Befund stimmt mit den Ergebnissen der bisherigen Wallschnitte (je einer im Nord-, Ost- und Südwall) überein.

Die bereits in der Herbstkampagne 1975 untersuchte Quadrantenreihe W/14 -- YY/14 wurde gegen Westen mit den Quadranten A/13--D/13 und C/14--U/14 fortgesetzt, um das Westende der Siedlung zu erreichen. Die genannten Quadranten waren fast fundleer und erbrachten außer einigen Pfostengruben keine Befunde. Der Nordwestbereich der Siedlung, durch den die erwähnte Quadrantenreihe gezogen wurde, ist etwas tiefer als das umliegende Gelände und dürfte aus diesem Grund zur Zeit der germanischen Besiedlung feuchter gewesen sein. Die wenigen Pfostengruben, die keine systematische Anordnung erkennen lassen, gehören alle der älteren Siedlungsstufe A an, der jüngeren Stufe B konnte keine einzige Grube zugewiesen werden. Möglicherweise diente der Nordwestbereich der Siedlung wegen seiner Unbenützbarkeit für Wohn- und Wirtschaftsbauten als Viehgehege. Am Westende besagter Quadrantenreihe (Quadranten A/13, B/13, C/13, D/13, C/14 und D/14) konnten innerhalb einer mit Niederholz verwachsenen Baumreihe zwei nur schwach erkennbare, parallel in N--S-Richtung verlaufende Bodenerhebungen ausgemacht werden. Genau zwischen den Bodenerhebungen verläuft die Baumreihe, die gleichzeitig auch die Grenze zwischen den Parz. 1656 und 2041/3 bildet. Die Bodenerhebungen überlagern Pfostengruben und Hüttenlehmschichten der älteren Siedlungsstufe A. Ob es sich bei dem hier kurz beschriebenen Befund um den Westwall und damit auch um das Westende der germanischen Siedlung handelt, muß vorläufig offen bleiben, wenn auch die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme groß ist. Eine endgültige Klärung wird eine Fortsetzung der Quadrantenreihe 14 nach Westen während der Frühjahrskampagne 1977 bringen; sie war aus landwirtschaftlichen Gründen bisher nicht mögich. Andere W-O-orientierte Quadrantenreihen, die im Laufe der nächsten Kampagnen weiter im Süden angelegt werden sollen, werden diesbezüglich weitere Klarheit bringen.

Im Bereich des zukünftigen Schutzdammes wurden innerhalb der Berichtszeit 72 Quadranten (W/15--JJ/15, FF/4--FF/12, GG/4--GG/12, HH/4--HH/12, JJ/4--JJ/12, FF/16-FF/27 und GG/16-GG/27) untersucht. Sie lagen alle im Nordostbereich der Siedlung, in dem keine Wohnbauten, sondern nur Wirtschaftsbauten standen.

An Objekten der älteren Siedlungsstufe A konnten neben Pfostengruben, kleineren kreisförmigen Gruben und einer tiefen, verkehrt trichterförmigen Vorratsgrube ein bereits in der Herbstkampagne 1975 angeschnittener Bau mit quadratischem Fundamentgraben (Seitenlänge etwa 6,40 m) untersucht werden. Außerdem wurde in den Quadranten FF/25, FF/26, GG/25 und GG/26 ein rechteckiges, verhältnismäßig tiefes Siedlungsobjekt angeschnitten, dessen Schmalseite mit etwa 3,60 m angegeben werden kann und dessen Längsseiten mehr als 5,40 m betragen haben.

Die Siedlungsobjekte der stratigraphisch jüngeren Stufe B lagen wesentlich dichter, war ja auch der absolute Zeitraum dafür wesentlich Iänger. Neben ähnlichen Grubenbauten wie in der älteren Stufe kamen noch solche mit unregelmäßigem Grundriß, unregelmäßiger Pfostensetzung und nur geringfügiger Eintiefung vom damaligen Siedlungsniveau zutage, außerdem drei sogenannte Sechspfostenhütten mit rechteckigem Grundriß, sechs regelmäßig gesetzten, tief eingerammten Pfosten und einer Eingangsrampe an der südlichen Längsseite. In der Herbstkampagne 1976 wurde in den Quadranten FF/4, FF/5, GG/4 und GG/5 ein derartiges Wirtschaftsgebäude zur Gänze freigelegt und anschließend unter Verwendung des Originalbefundes rekonstruiert. Darüber siehe den kleinen Beitrag S. 9--17.

In den Quadranten GG/7, GG/8, HH/7 und HH/8 konnte ein annähernd rechteckiges Siedlungsobjekt mit etwas unregelmäßiger Pfostensetzung freigelegt werden. das auf Grund des Fundmaterials als slawisch anzusprechen ist und etwa in der Mitte des 9. Jhs. in Verwendung gewesen sein muß. Quadrant HH/5 erbrachte außerdem eine kleine kreisförmige Grube aus der gleichen Zeit. In diesem Zusammenhang muß die Datierung von zwei Grubenhütten in den FÖ 14, 1975, 9 korrigiert werden. Nach Durcharbeitung des Fundmaterials stellte sich heraus, daß sowohl die quadratische Hütte in den Quadranten FF/23, FF/14, GG/13 und GG/14 sowie die Hütte in den Quadranten HH/13, HH/14, JJ/13 und JJ/14 ebenfalls slawisch und in die Mitte des 9. Jhs. zu datieren sind. Stratigraphisch entspricht das slawische Siedlungsniveau dem der jüngeren germanischen Stufe B. Im 9. Jh. bestanden demnach im Nordostbereich der ehemaligen germanischen Siedlung einige slawische Hütten.

In den im Berichtsjahr geöffneten Quadranten kamen an der Unterkante des primären Humus auch immer wieder z. T. abgerollte Scherben der Lengyel-Kultur zutage. Da diese Funde niemals in Grubenverbänden angetroffen wurden, dürften sie sekundär gelagert sein.

Der Fundanfall war bis auf die bereits erwähnte W--O-orientierte Quadrantenreihe 14 wieder groß. Hauptsächlich handelt es sich um zerscherbte Keramik, unter den anderen Funden sind neben Eisengegenständen unbekannter Verwendung und Knochenpfriemen, das Fragment eines Einlagenkammes mit durchbrochen gearbeitetem Griffteil, ein fragmentierter Dreilagenkamm mit halbkreisförmigen Griffplatten, die mit Kreisaugen und mit Laufrädchen gezogenen Linien verziert sind, sowie ein etwas beschädigtes Vogelgefäß aus Ton zu erwähnen. Zu den zuletzt genannten Kämmen siehe den Beitrag S. 19--27.

Wie bereits in den FÖ 14, 1975, 12 erwähnt, soll durch Seriation des aus Gruben geborgenen Fundmaterials eine relative Abfolge einzelner Gefäßformen und Dekorationselemente unabhängig von den stratigraphischen Gegenbenheiten gewonnen werden. Bis einschließlich der Herbstkampagne 1976 konnte das Material aus 70 Gruben verwertet werden. Die zur Zeit vorliegenden Ergebnisse differieren nur unwesentlich von den in den FÖ 14, 1975, 13 gegebenen, durch die große Zahl der verwerteten Gruben ergibt sich jedoch eine weit größere Menge gut einordenbarer Formen und Verzierungen.

Es lassen sich drei aufeinanderfolgende Fundstufen (1, 2 und 3) unterscheiden, die im großen und ganzen auch den stratigraphischen Stufen, A, B1, und B2 entsprechen. Die typischen Vertreter der einzelnen Fundstufen schließen sich gegenseitig aus, d.h. sie wurden bisher noch kein einziges Mal zusammen in einer Grube gefunden.

Nur in die Fundstufe 1 gehören flaschenförmige Gefäße in Latène-Tradition, scheibengedrehte Schüsseln in Laténe-Tradition, provinzialrömische Ringschüsseln aus rotem Ton sowie senkrechter, durch Glättstreifen unterbrochener Kammstrich.

Für die Fundstufe 2 sind dickwandige Schalen oder Näpfe charakteristisch, Schüsseln mit schwacher Halskehlung, Schüsseln mit weit ausladendem Oberteil und kalottenförmigem Unterteil, senkrechte Reihen von Nagelkerben, viertelkreisförmige Schwungbogenköpfe, zart eingerissene Zickzackbänder mit abgerundeten Spitzen sowie pannonische Streifenware mit Wellenlinien.

Der Fundstufe 3 sind konische Becher zuzuordnen, Töpfe mit zylindrischem Halsteil und kugeligem Gefäßkörper, an der Wand eingerissene Andreaskreuze, kreisförmige bis ovale Dellen und doppelkonische Spinnwirtel.

Sowohl während der Fundstufe 1 als auch während der Fundstufe 2 waren Siebgefäße in Gebrauch, Keileinstiche, Punktverzierung und Knickhenkel.

In die Fundstufen 2 und 3 gehören Fußschüsseln, provinzialrömische Henkelkrüge, Omphalosschalen, Schüsseln mit Halskehlung und kalottenförmigem Unterteil, Terrinnen, Töpfe mit ausladender Randpartie und hohem Bauchumbruch, Töpfe mit kurzer Randpartie und kugeligem Gefäßkörper, kegelstumpfförmige Spinnwirtel, Fischgrätenmuster, flächenbedeckende Knubbenverzierung. Schwungbogenköpfe, Kammstempelmuster, umlaufende senkrechte oder schräge Ritzlinien und mittelsteile Wellenbänder.

Während der gesamten Siedlungsdauer waren Kammstrichtöpfe in Benützung. grautonige Ringschüsseln, einfache Schalen und Schüsseln, Töpfe mit annähernd S-förmigem Profil, Töpfe mit ausladendem, abgesetztem Oberteil, senkrechte und schräge Dellen, gefüllte Dreiecke, umlaufende oder unregelmäßig angeordnete Nagelkerben, pannonische Streifenware und Wirrfurchen.

Durch eine Vereinbarung zwischen dem Grundeigentümer, der Gem. Bernhardsthal als Rechtsträger des dortigen Heimatmuseums und dem NÖLM geht das gesamte Fundmaterial jeweils ins Eigentum Ietztgenannter Institution über, mit der Auflage, das Fundmaterial bis auf Widerruf im Heimatmuseum Bernhardsthal zu belassen. Dafür übernimmt das NÖLM die gesamte Restaurierung und Aufarbeitung des Materials.

Horst Adler

Fundberichte 16 / 1977, p 414 - 418

Bernhardsthal, Gem. Bernhardsthal, BH Mistelbach (Bl.26, W 111-114mm, N 153--158mm). 3,2 km im OSO der Ortschaft liegt direkt an der Thaya die Flur Aulüssen, von der bereits seit Jahren germanische Oberflächenfunde bekannt sind. Da ab 1980 an dieser Stelle ein Hochwasser-Schutzdamm errichtet werden soll, führt das BDA seit Herbst 1974 eine großangelegte Notgrabung durch (siehe zuletzt H. Adler, FÖ 15, 1976, 261--264). 1977 wurden innerhalb einer sechswöchigen Kampagne 50 Quadranten (3 X 3 m) geöffnet.

Drei Quadranten wurden auf Parz. 2041/1 in westlicher Fortsetzung der bereits im Frühjahr 1976 geöffneten Reihe A/13--D/13 und C/14--U/14 untersucht, um endgültig die Westgrenze des kaiserzeitlichen Siedlungsareals festzustellen; die drei Quadranten waren vollkommen fundleer und enthielten auch keinerlei Spuren irgendwelcher Bauten. Damit kann die in den FÖ 15, 1976, 262 angenommene Vermutung, die Westgrenze der germanischen Siedlung befinde sich innerhalb der Baumreihe an der Grenze zwischen den Parz. 1656 und 2041/1, als gesichert gelten. Nachdem nun alle Grenzen der Siedlung bekannt sind, kann die Größe mit etwas über 3 ha angegeben werden.

Im Südwestteil des Siedlungsbereiches, der am höchsten liegt und in dem schon immer die eigentlichen Wohnbauten vermutet worden waren, wurden 47 Quadranten untersucht (C/47--U/47, G/48--U/48, G/49--N/49, T/42--T/46 und U/42-U/46).

Im Bereich der Quadrantenreihen H, J, K und L konnte ein großer rechteckiger Bau freigelegt werden, der mit Vorbehalt als Wohnbau interpretiert werden darf. Er ist ungefähr 10,70 m lang und 5,80 m breit. Die Längswände bestehen aus zehn bis zu 35 cm in den Boden eingetieften Pfosten und Flechtwerk, an den Schmalseiten standen je drei Doppelpfosten. Ober den Pfosten der Längsseiten müssen Seitenpfetten und Querräger gelegt gewesen sein. In die Seitenpfetten waren die Rofen eingehängt, wobei die jeweils gegenüberliegenden miteinander verzapft waren und sich daher gegenseitig abstützten oder zusätzlich noch durch Firststiele gehalten wurden. Innerhalb dieses Baues konnte keine Herdstelle gefunden werden, doch waren der West- und Südteil durch jüngere Anlagen gestört. Im Bereich dieses Baues wurden u. a. eine Einsprossenfibel aus Eisen mit breitem Bügel und eine knieförmig gebogene Fibel ohne Kamm aus Eisen gefunden. Beide sind in die 2. Hälfte des 2. Jhs. zu datieren. Außerhalb der Südwestecke des Baues lagen in einer kleinen seichten Grube drei eiserne Henkel und zwei Eisenreifen von Holzeimern sowie ein 34 cm langes Blatt einer eisernen Sichelsense.

Im Bereich der Quadrantenreihen T und U wurden Teile von mehreren Bauten nachgewiesen, deren Pfostenwände in bis zu 35 cm tiefen Fundamentgräben standen. Durch den noch zu geringen Grabungsausschnitt ist eine Aussage über das Aussehen und den Verwendungszweck noch nicht möglich.

Weiters konnten Teile von fünf „Arbeitsplätzen” untersucht werden. Es handelt sich dabei um Objekte mit unregelmäßigem Grundriß und unregelmäßig gesetzten, seichten Pfostengruben. Die Objekte waren nur bis zu 30 cm vom damaligen Niveau eingetieft.

In den Quadranten T/48 und U/48 wurde ein rechteckiger, 3,60 X 2,00 m großer und etwa 0,90 m eingetiefter Bau freigelegt, der ähnlich den sogenannten Sechspfostenhütten in der Mitte der beiden Schmalseiten je eine tiefe Pfostengrube und an den beiden Längsseiten je zwei tiefe, von den Ecken gegen die Mitte zu versetzte Pfostengruben besaß. Genau in der Mitte des Objektes fand sich eine weitere Pfostengrube. Im Gegensatz zu den „Sechspfostenhütten” hatte der hier besprochene Bau jedoch keinen stufenförmigen Einstieg in der Mitte der Südseite. Wir gehen aber kaum fehl, wenn wir wie die Sechspfostenhütten auch dieses Objekt ganz allgemein als Wirtschaftsbau ansprechen.

Außer den bereits besprochenen Bauten konnten wiederum mehrere kreisförmige, nach unten zu ausladende Gruben gefunden werden, die ursprünglich wohl als Speicher dienten. Zahlreiche Pfostengruben zwischen den einzelnen Objekten könnten verschiedenen Zwecken gedient haben.

Der Fundanfall war sehr groß. Besonders hervorzuheben ist die verhältnismäßig große Zahl an ganzen Gefäßen, die aus den Scherben zusammengesetzt werden konnten, weiters eine provinzialrömische Riemenzunge aus Bronze, ein eisernes Sichelblatt, das Fragment eines eisernen Knopfsporns und Eisenschlacken. Mehrere Gruben mit „spätlatènezeitlichem” Material machen es wahrscheinlich, daß es sich bei der Siedlung der stratigraphischen Stufe A eher um eine einheimische keltoillyrische handelt, die aber aufgrund einiger Schalen- und Topfformen sicher bis ins 1. Jh. n. Chr. reichte. Eine endgültige Interpretation wird aber erst nach der Untersuchung weiterer Siedlungsobjekte und nach eingehendem Studium des Fundmaterials möglich sein.

In Quadrant K/49 wurde die Körperbestattung eines Jugendlichen in gestreckter Rückenlage gefunden. Aufgrund der fünf mitgegebenen Tongefäße (Fußbecher, fragmentiertes eiförmiges Gefäß, Topf mit schräg ausladender Randpartie, Napf mit zwei kleinen Knubben und Fragmente eines grobtonigen Topfes mit ausladender Randpartie) kann das Grab in die Spätphase des mittleren Neolithikums datiert werden.

Das gesamte Fundmaterial ist im Eigentum des NÖLM mit Standort Museum Bernhardsthal. Die Grabungsarbeiten werden im Frühjahr und Herbst 1978 fortgesetzt.

Horst Adler

Fundberichte 17 / 1978, p 326 - 330

Bernhardsthal, Gem. Bernhardsthal, BH Mistelbach (Bl. 26, W 111-114mm, N 153-158mm). Ab 1980 soll entlang der Thaya ein HochwasserSchutzdamm errichtet werden, welcher in der Flur Aulüssen, etwa 3,2 km im OSO des Ortes, eine germanische Siedlung aus dem 2. Jh. und der ersten Hälfte des 3. Jhs. überlagern wird. Aus diesem Grund führt das BDA seit Herbst 1974 unter Leitung des Berichterstatters und unter Mitarbeit des Grabungstechnikers Johann Offenberger eine großangelegte Notgrabung durch (siehe dazu zuletzt H. Adler, FÖ 16, 1977, 414 - 416).

Während des Frühjahrs und Herbstes 1978 (siebente und achte Grabungskampagne) wurden im Südbereich des Siedlungsareals und außerhalb davon 92, in den allermeisten Fällen 3 X 3 m große Planquadrate bis zum gewachsenen, hellen graugelben Aulehm geöffnet. Damit erhöhte sich die Gesarntzahl der untersuchten Quadranten auf 379.

Im Bereich der Quadranten P/49 - U/49, T/50 -T/57 und U/50 - U/57 konnten ein Teil einer sogenannten Sechspfostenhütte sowie der Rest einer solchen, bereits in der Frühjahrskampagne 1975 angeschnittenen freigelegt werden (zur Rekonstruktion einer derartigen Hütte siehe H. Adler, FÖ 15, 1976, 9-17), außerdem Teile von Bauten mit annähernd quadratischem Grundriß und bis zu 0,30 m tiefen Fundamentgräben, welche möglicherweise zur Aufnahme hölzerner Grundschwellen gedient hatten, weiters nur wenig eingetiefte Siedlungsobjekte mit unregelmäßigem Grundriß, einige mehr oder weniger tiefe, annähernd kreisförmige Gruben und zwischen den einzelnen Objekten zahlreiche Pfostengruben, welche jedoch keine systematische Anordnung erkennen ließen.

In den Quadranten T/58 und U/58, welche beide zwar noch innerhalb des germanischen Siedlungsareals, jedoch bereits am Südrand des mit Hütten verbauten Geländes lagen, konnte der bereits in der Frühjahrskampagne 1975 in den Quadranten V/58, CC/58 und EE/59 angeschrlittene, annähernd W-0-verlaufende Spitzgraben untersucht werden. Seine Breite betrug, 0,40 m unter der heutigen Humusoberkante, rund 2,50 m, seine Eintiefung etwa 1,80 m. Im Gegensatz zu der in den FÖ 14, 1975, 8 vertretenen Meinung gehört der Graben aufgrund urnfassender stratigraphischer Beobachtungen und der vorläufigen Auswertung des Fundmaterials in die ältere Phase der germanischen Siedlung, jedoch keinesfalls in deren Beginn, weil der Graben im Quadrant T/58 eine kleine kreisförmige, germanische Grube geschnitten hat. Im Quadrant G/57 wurde das Füllmaterial des Spitzgrabens vom etwa 0,50 m langen Heizschlauch eines kreisförmigen Backofens mit etwa 1,50 m Durchmesser überlagert, welcher in die jüngere germanische Siedlungsphase zu datieren ist.

Bei der Weiterverfolgung des Spitzgrabens gegen Westen stellte sich heraus, daß dieser etwa 10,5m westlich des germanischen Siedlungsareals in einem Winkel von 75° nach Süden abbog. Für die Datierung des Spitzgrabens war von Bedeutung, daß dieser im ausgehenden 2. Jh., als der germanische Hochwasserdamm rund um die Siedlung aufgeschüttet wurde, bereits verfüllt war und von diesem überlagert wurde. Durch die Feststellung des am Südrand des germanischen Siedlungsareals gelegenen, bisher auf eine Länge von 100 m nachgewiesenen Spitzgrabens als Nordseite einer Befestigungsanlage aus der zweiten Hälfte des 2. Jhs. blieb dafür nur eine Interpretation möglich: es handelt sich um ein römisches Marschlager aus der Zeit der sogenannten Markomannenkriege. Die Nordwestecke selbst konnte leider nicht zur Gänze ergraben werden, da genau über ihr eine mächtige Eiche steht. Trotz dieser Schwierigkeit gelang es, zumindest die Außenseite der Grabenecke freizulegen und zu dokumentieren.

Im Herbst 1978 konnten 90 m (Luftlinie) des Verlaufes der Westfront des Lagers, ausgehend von der Nordwestecke, fixiert werden. Dieser Nachweis war deswegen nicht einfach, weil der Graben nicht ganz gerade verlief, der Graben im nördlichen Abschnitt der Westfront durch humose Überprägungen erst in größerer Tiefe einwandfrei zu erkennen war und im südlicheren Abschnitt in heute gegenüber dem germanischen Siedlungsareal tieferem Gelände und daher bis in jüngste Zeit vor allem im Spätwinter oft überschwemmtem Gebiet zu dokumentieren war. Ungefähr 42 m südlich der Außenseite der Nordwestecke machte der Graben einen schwachen Knick gegen Osten, bog nach weiteren 24 m nach Osten ab und bildete die ungefähr 5 m lange Nordwange einer Toranlage, deren Durchlaß etwa 2,40 m breit war. Die südliche, allerdings annähernd von Nord nach Süd ziehende, 6-7 m lange Grabenwange setzte sich in dem nun zum Nordgraben in einem Winkel von 65° verlaufenden Westgraben fort. Die Weiterverfolgung des Westgrabens nach Süden und die Lokalisierung der Südwestecke, welche für 1979 vorgesehen sind, werden sich entweder als überaus schwierig gestalten oder überhaupt unmöglich sein, da das Gelände im Süden noch tiefer liegt und immer Überschwemmungsgebiet der Thaya war.

Gegen das Lagerinnere folgte ursprünglich dem Spitzgraben ein mit dessen Aushubmaterial aufgeschütteter Wall, welcher vielleicht mit Holzpalisaden versehen war. Nach den bisherigen Beobachtungen dürfte das Lager mit großer Wahrscheinlichkeit sofort nach Abzug des römischen Militärs geschleift worden sein, wie dies einerseits die verhältnismäßig einheitliche Grabenfüllung andeutet, andererseits der noch im ausgehenden 2. Jh. errichtete germanische Hochwasserdamm, dessen Westteil im südlichen Abschnitt dem ehemaligen römischen Lagerwall unmittelbar benachbart gewesen sein muß; dieser wäre sicher in den Hochwasserschutz einbezogen worden, hätte er noch bestanden, ebenso der römische Nordwall als südlicher Hochwasserdamm.

Einen direkten Nachweis für die Anwesenheit römischen Militärs im Lagerbereich gibt es bisher nicht; eine knapp außerhalb der Nordwestecke gefundene Eisenfibel mit tordiertem Bügel der Form A 15 (sogenannte Soldatenfibel) und zwei südlich des Nordgrabens gefundene Riemenzungen aus Bronze mit profiliertem Ende können dafür nicht zwingend herangezogen werden, weil derartige Gegenstände auch als Import ins Freie Germanien gelangt sein können.

Zu Beginn der Herbstkampagne 1978 war der genaue Verlauf des Westgrabens noch nicht genau bekannt. Um den Graben möglichst weit im Süden nachweisen zu können, wurde 150 m südlich der Nordwestecke des Lagers eine 0-W-orientierte Quadrantenreihe (AAA/100, A/100-S/100) geöffnet. Es konnte zwar nicht der an dieser Stelle vermutete Graben gefunden werden, weil er entweder durch den extrem spitzen Winkel zur Nordfront weiter im Osten verläuft oder aber - was wahrscheinlicher ist - weiter im Norden nach Osten umbiegt, so ergaben doch die genannten Planquadrate germanische Siedlungsgruben aus dem 2. Jh. und der ersten Hälfte des 3. Jhs. Da an dieser Stelle das Gelände gegenüber der Umgebung etwas höher liegt, dürfte im Laufe der Zeit Erdmaterial abgeschwemmt worden sein: der gewachsene Boden kam dort verhältnismäßig nahe an die heutige Ackeroberfläche heran, so daß von den Siedlungsgruben nur mehr der untere Teil erhalten war. Aus diesem Grund war das daraus gewonnene Fundmaterial sehr spärlich. Zwischen dem germanischen Siedlungsareal in der Flur Aulüssen und der Quadrantenreihe AAA/100-S/100 konnten sonst keine Siedlungsgruben gefunden werden, so daß, allerdings mit dem nötigen Vorbehalt, angedeutet werden kann, daß mit der Quadrantenreihe 100 vielleicht der Nordrand des nächsten, im Süden anschließenden germanischen Gehöites angefahren worden ist. Möglicherweise liegt damit an der Thaya ein ähnlicher Fall von dicht aneinandergereihten Gehöften vor wie an der Pulkau in der Laaer Gegend (siehe dazu A. Toriser, FÖ 14, 1975, 150-156). Damit wäre aber das römische Marschlager genau zwischen zwei germanischen Gehöften angelegt worden.

Im Südbereich des Siedlungsareals Aulüssen wurde mit Hilfe der Quadranten Katzelsdorf/64 - K/72 zum zweiten Mal der Südwall des germanischen Hochwasserdammes und das nördlich davor liegende Gelände geschnitten. Wie bei allen bisherigen WallUntersuchungen konnte auch an dieser Stelle festgestellt werden, daß das Erdmaterial zum Aufschütten des Dammes nicht durch Ausheben eines vorgelagerten Grabens, welcher ja erst recht abzuwehrendes Wasser angezogen hätte, sondern durch flächiges Abtragen eines etwa 35 m breiten Steifens auf dem Siedlungsgelände gewonnen worden war.

46 m östlich des im Frühjahr 1975 geöffneten Quadranten EE/59 wurden im Herbst 1978 die Quadranten UU/59 und UU/60 untersucht, um den nördlichen Spitzgrabenverlauf des römischen Marschlagers weiter im Osten zu gewinnen. Beide Quadranten lagen bereits in den Thaya-Auen. Der Boden bestand dort ausschließlich aus Schwemmaterial: aus Sand und Au-Gley. Vorerst kann daher nicht gesagt werden, ob der Spitzgraben in diesem Bereich durch zahlreiche Hochwässer ausgeschwemmt worden ist oder ob er bereits weiter im Westen nach Süden abbiegt.

Im Quadrant UU/60 wurde knapp unter dem Grundwasserspiegel ein aus der südlichen in die westliche Profilwand laufender, bearbeiteter Holzbalken aufgedeckt. Bei näherer Untersuchung stellte sich heraus, daß er nicht, wie zuerst angenommen, eingeschwemrnt war, sondern in situ lag. Er maß etwa 40 X 40 cm im Querschnitt, besaß an der Oberseite außen eine etwa 4 cm hohe, aus dem Stück herausgearbeitete Leiste und an einer Stelle eine rechteckige Ausnehmung, in welcher ein senkrechter Holzpfosten zur Fixierung des Balkens im Untergrund saß. Möglicherweise handelt es sich dabei um den Teil eines Schwellenbaues, ähnlich den in den österreichischen Salzkammergutseen festgestellten Befunden aus der Zeit des späten Neolithikums (J. Offenberger, Die oberösterreichischen Pfahlbauten. Die Untersuchungen des Bundesdenkmalamtes in den Jahren 1970-1974, ArchA Beih. 13, 1976, 261 ff.). Über Zeitstellung und Zweck des Balkens kann jedoch zur Zeit keinerlei Aussage getroffen werden; eine Untersuchung des „Baues” ist für 1979 geplant.

Der Fundanfall war 1978, vor allem in der Herbstkampagne, durch die Konzentration der archäologischen Untersuchungen im Randbereich der Siedlung gegenüber früheren Jahren etwas geringer. Die Funde entsprechen durchaus den bisher gesicherten Materialien. Sie befinden sich im Eigentum des NÖLM, sind aber im Mus.Bernhardsthal deponiert.

Horst Adler

Fundberichte 17 / 1978, p 211 - 214

Ein frühgeschichtliches Gemsenvorkommen im nördlichen Weinviertel

Petra Wolff

Im Gemeindegebiet von Bernhardsthal wird wegen des geplanten Baues eines Hochwasserschutzdammes entlang der Thaya in der Flur Aulüssen seit einigen Jahren von der Abteilung für Bodendenkmalpflege des Bundesdenkmalamtes unter Leitung von Dr. Horst Adler eine germanische Siedlung aus dem 2. Jh. und der ersten Hälfte des 3. Jhs. systematisch ausgegraben. Die geborgenen Tierreste werden jeweils der Archäologisch-zoologischen Sammlung des Naturhistorischen Museums zur Bearbeitung übergeben. Das Fundgut der Grabungskampagnen der Jahre 1974 bis einschließlich 1977 konnte dank der Mithilfe Helmut Rainers bereits bestimmt werden. Es handelt sich um gewöhnlichen Siedlungsabfall von bisher ingesamt 11.183 Molluskenschalen, Fisch-, Reptilien-, Vogel- und Säugerknochen, daneben auch, über das Grabungsareal verstreut, 85 menschlichen Knochen.

Über die Hälfte der Säugerknochen stammte von Rindern (Bos primigenius f. taurus), darunter zumindest einige Knochen von Uren (Bos primigenius). Als weitere Haustiere sind Schwein (Sus scrofa f. domestica), Schaf (Ovis amrnon f. aries), Ziege (Capra aegagrus f. hircus), Pferd (Equus ferus f. caballus), Hund (Canis lupus f. familiaris) und auch Esel (Equus africanus f. asinus) nachgewiesen. Häufigstes Wildtier ist das Wildschwein (Sus scrofa), gefolgt von Rothirsch (Cervus elaphus) und Reh (Capreolus capreolus). Mehr oder weniger durch Einzelfunde sind weiters Biber (Castor fiber), Wildkatze (Felis silvestris), Feldhase (Lepus europaeus), Hamster (Cricetus cricetus), Dachs (Meles meles), Schermaus (Arvicola terrestris) und wahrscheinlich Elch (Alces alces) belegt. Eine ganz unerwartete Bereicherung der Faunenliste bringt das Vorkommen von Knochen der Gemse (Rupicapra rupicapra) im vorliegenden Fundmaterial.

Die Trennung der meisten Gemsenknochen von den entsprechenden Resten der kleinen Hauswiederkäuer Schaf und Ziege ist schwierig, doch konnte ich mich wegen der vielen Gemsenknochen im Tierknochenmaterial der Mondseer Pfahlbauten in diese spezielle'Unterscheidung einarbeiten (1).

Einwandfrei Gemse ist der aufsteigende Ast eines rechten Unterkiefers (1 a), an welchem die Alveole eines noch nicht durchgebrochenen M3 zu sehen ist, sowie der abgespaltene Teil eines Metatarsus (2). Der Vorderteil einer Mandibel (1b), in derselben Verfärbung eines Quadranten gefunden wie der eben genannte Unterkiefer, ist mit größter Wahrscheinlichkeit ein Bruchstück des horizontalen Astes desselben. Zwei weitere Bruchstücke sind nicht im gleichen Maß charakteristisch. Auf sie allein die Diagnose Gemse zu stützen, wäre zu gewagt. Gegen ihre Zuordnung bestehen angesichts des Vorhandenseins charakteristischer Elemente aber keine Bedenken. Es handelt sich um ein relativ kleines und deshalb nicht eindeutig kenntliches Bruchstück eines Hornzapfens (3) und ein weiteres Fragment eines Unterkiefers (4). Bei 1a ist die Alveole des Pd4, bei 4 dieser Milchzahn selbst vorhanden. Obwohl diese Stücke von verschiedenen Körperseiten stammen, scheinen sie mir zwei verschiedene, junge Individuen zu repräsentieren. Auch wurden die Gemsenknochen (außer den beiden wohl zusammengehörigen Bruchstücken 1 a und 1 b) weit voneinander entfernt gefunden, was die Wahrscheinlichkeit, daß mehr als eine Gemse erlegt worden war, erhöht.

Dieser Gemsennachweis in einer Siedlung, welche fast 100 km vom nächsten gegenwärtigen Vorkommensgebiet entfernt ist, verlangt eine Deutung. Eine Erklärung fände sich in der Erlegung eines spontan weit in die Ebene gewanderten Individuums. Nach A rn o n (2) wurden im niederösterreichisch-nordburgenländischen Raum innerhalb von nur elf Jahren vier Gemsen weitab von Gemsenrevieren abgeschossen: am 23. 8. 1923 bei Altlichtenwarth nächst Poysdorf (s. Karte, Nr. 5)am 5. 12. 1915 bei Höflein an der Donau (Nr. 6) am 8. 8. 1925 bei der Heiligenkreuzer Wiese bei Baden (Nr. 7; auch Bl. f. Naturk.12,1925, p. 131) im Jahre 1920 bei Landsee, Bgld. (Nr. 8).

Bei allen diesen Abschüssen handelte es sich um Böcke. Auch vom südlichen Burgenland gibt es Meldungen von unerwarteten Gemsenerlegungen (hier ohne Ge-schlechtsangabe): 1886 bei Oberpetersdorf sowie um 1900 und 1932 am Geschriebenstein (3). C o u tu r i e r (4) erwähnt sogar den Abschuß eines Gamsbockes bei Caniia, Nacykanizsa, in Ungarn, 300 km vom nächsten Gemsenvorkommen entfernt. Von derartiger Wanderlust werden vor allem alte, einzelgängerische Böcke erfaßt. Da aber wahrscheinlich zwei junge Gemsen, dazu möglicherweise noch zwei weitere Individuen in Bernhardsthal belegt sind, befriedigt diese Deutung wenig.

Ein anderer Erklärungsversuch bietet sich bei der Betrachtung der Verbreitungsgeschichte an. Während der Vergletscherung der Gebirge im Pleistozän bewohnte die Gemse zusagende Standorte im periglazialen Bereich des engeren und weiteren Alpenvorlandes. Sie ist in Niederösterreich in drei Höhlen des Waldviertels - 1) Gudenushöhle (5), 2) Eichmaierhöhle (6) und 3) Schusterlucke (7) - sowie 4) in der Paläolithstation Hundssteig bei Krems (8) für das Spätpleistozän belegt. Bei C o u t u r i e r (9) wird sie überdies als Bestandteil der Fauna von Willendorf bei Spitz an der Donau genannt, doch liegt hier vielleicht eine Verwechslung vor; in den Bearbeitungen der Willendorffauna von W o l d r i c h (10) und T h e n i u s (11) fehlt sie nämlich.

Mit dem Rückzug der Gletscher zog sich die Gemse in die Berge zurück. Diese Rückkehr ist natürlich nicht als gerichtete Wanderung zu sehen. Es handelt sich dabei vielmehr um eine ganz allmähliche, in einem Zeitraum von rund 10.000 Jahren parallel mit dem postpleistozänen Klima-, Vegetations- und Faunenwandel einhergehende Arealverschiebung und wohl auch -schrumpfung. Im Neolithikum war dieser Rückzug wohl weitgehend beendet, jedenfalls dürfte die Gemse auch die Hochlagen des derzeitigen Verbreitungsgebietes eingenommen habei-i. So sind viele der holozänen Gemsenreste aus 53 niederösterreichischen und steirischen Höhlen (an der Säugetiersammlung des Naturhistorischen Museums Wien, unpubl.) zusammen mit Skelettresten des Elches gefunden worden. Diese Vergesellschaftung mit dem Elch deutet an, daß viele dieser Funde aus der Zeit des postpleistozänen Klimaoptimums stammen dürften, welches mit dem Neolithikum zusammenfällt.

Es überrascht also keineswegs, daß die Gemse den Bewohnern der spätneolithischen Pfahlbauten des Mondsees (12) als häufiges Jagdobjekt dienen konnte. Die von Couturier als neolithische Reste zitierten Gemsenfunde in der Tischoferhöhle im Kaisertal in Tirol (13) gehören allerdings alle dem Pleistozän an (14).

Auch jetzt noch lebt dieses scheinbare Charaktertier des Hochgebirges an geeigneten Fels-Standorten am Rande des Verbreitungsgebietes in Mittelgebirgslagen wie z. B. den Salzburger Hausbergen und, unserem Fundort relativ am nächsten, im südlichen Wienerwald.

So ist es durchaus denkbar, daß sich kleine Restpopulationen auch an relativ begrenzten Lokalstandorten innerhalb des ehemals weiteren Verbreitungsraumes über lange Zeit gehalten haben. Im Aktionsbereich der Bernhardsthaler Jäger böte sich ein in Frage kommender bergig-felsiger, den Ansprüchen der Gemse wohl genügender Landstrich an: die sogenannte Klippenzone. Bernhardsthal am nächsten liegt der Galgenberg in einer Entfernung von etwa 23 km. Ob sich hier kleine Restbestände bis in den Beginn historischer Zeit halten konnten, wie ich aufgrund dieser Funde annehmen möchte, läßt sich im Augenblick nicht endgültig klären. Doch harren bereits die Tierknochen der beiden Grabungskampagnen 1978 aus Bernhardsthal einer Bestimmung, und weitere Grabungen sollen folgen. Weitgehende Klärung könnte das neolithische Tierknochenmaterial vom Schanzboden bei Falkenstein in unmittelbarer Nähe des Galgenberges bringen, das uns bereits avisiert worden ist.

Anmerkungen:

(1) P. Wolff, Die Gemse. In: Die Jagd- und Haustierfauna der spätneolithischen Pfahlbauten des Mondsees, 100-119, ungedr. Diss. Wien 1975.

(2) R. Amon, Die Tierwelt Niederösterreichs, Geographische Verbreitung, 40 Karten, Verlag Optische Werke Reichert, Wien 1931.

(3) F. Sauerzopf, Liste der bisher im Burgenland aufgefundenen freilebenden Säugetiere, Burgenl. Heimatbl. 16,1954,13.

(4) M. A. J. Couturier, Le Chamois, 548, Grenoble 1938.

(5) H.Oberrnaier und H.Breuil, Die Gudenushöhle in Niederösterreich, MAG 38, 1908, 277-294.

(6) J.N. Woldrich, Reste diluvialer Faunen und des Menschen aus dem Waldviertel Niederösterreichs, Denkschr. math.-naturw. Kl. Akad. Wiss. Wien 60, 1893, 565-634.

(7) J.N. Woldrich, Anm. 6.

(8) J. Strobl und H. Obermaier, Die Aurignacienstation von Krems (NÖ.), Jb. f. Altertumskunde 3,1909,129-148.

(9) M. A. J. Couturter, Anm. 4, 278.

(10) J.N. Woldrich, Anm. 6.

(11). E. Thenius, Die jungpleistozäne Wirbeltierfauna von Willendort In der Wachau, Niederösterreich, Mitt. Präh. Komm. österr. Akad. Wiss. 879,1965-1958,133-170.

(12) P. Wolf£, Die Jagd- und Haustierfauna der spätneolithischen Pfahlbauten des Mondsees, Jb. OÖ. Mus.-Ver. 122, 1977, 269-347.

(13) M. A. J. Couturier, Anm. 4, 278.

(14) M. Schlosser, F. Birkner und H.Obermaier, Die Bären- oder Tischoferhöhle im Kaisertal bei Kufstein, Abh. Bayr. Akad. Wiss., math.-phys. Kl. 24, 1910, 386-506.

(15) L. Smidt, Zur Verbreitung und Bejagung des Gamswildes in Österreich, in: H. Margl, K.Meister, L. Smidt, W. G. Stagl und W. Wenter, Beiträge zu Fragen der Wildstandsbewirtschaftung, Mitt. forstl. Bundes-Versuchsanst. Wien 122, 1977, 51-61.

Fundberichte 18 / 1979, p 444 - 448

Bernhardsthal, Gem. Bernhardsthal, BH Mistelbach (Bl.26, W 111 - 114mm, N 153 -158mm). Seit Mitte 1979 ist entlang der Thaya zwischen der österreichisch-tschechoslowakischen Grenze im Norden und Hohenau an der March im Süden ein Hochwasser-Schutzdamm in Bau, der innerhalb der KG Bernhardsthal auf den Parz. 1655 und 1656 der Flur Aulüssen, etwa 3,2 km im OSO des Ortes, ein germanisches Gehöft aus dem 2. Jh. und der ersten Hälfte des 3. Jhs. überlagern wird. Aus diesem Grund führt das BDA seit Herbst 1974 eine großangelegte Notgrabung durch (siehe dazu bereits H. Adler, FÖ 13/1974, 99 - 101; FÖ 14/1975, 7 - 14; FÖ 15/1976, 261 - 264; FÖ 16/1977, 414 - 416; FÖ17/1978, 326 - 330).

Im Jahre 1979 wurden wiederum zwei Grabungskampagnen (neunte und zehnte Kampagne) durchgeführt, wobei insgesamt 88, in den meisten Fällen 3 X 3m große Planquadrate bis zum gewachsenen Boden geöffnet werden konnten. Die Gesamtzahl der untersuchten Quadranten erhöhte sich somit auf 467.

Während des Frühjahrs 1979 konzentrierten sich die Arbeiten wie in den vergangenen Kampagnen im Südbereich des Siedlungsgeländes und außerhalb davon, um den Spitzgraben des aus der Zeit der sogenannten Markomannenkriege stammenden römischen Marschlagers weiter zu verfolgen. Wie bereits in FÖ 17/1978, p 328 vermutet, konnte bedauerlicherweise der Westgraben Richtung Süden bloß noch etwa 10 m erkannt werden. Von dem das Lager umgebenden Spitzgraben sind somit rund 100 m der Nordfront, die Nordwestecke und ebenfalls etwa 100 m der Westfront mit einer kleinen Toranlage ergraben. Andere Teile der Befestigung werden wegen des zu tief liegenden, von der Thaya durch Jahrhunderte abgeschwemmten Geländes nicht mehr nachgewiesen werden können. Das in Bernhardsthal durch Zufall entdeckte Marschlager belegt jedenfalls den von Kaiser Marcus Aurelius mit seinen Truppen im Jahre 172 benutzten Weg von Carnuntum entlang der March und Thaya in das Markomannenland.

Im Südwestbereich des germanischen Siedlungsgeländes konnte neben mehreren Vorratsgruben und nur wenig eingetieften Arbeitsplätzen auch eine zweiphasige Sechspfostenhütte (in den Quadranten J/60, J/61, K/60 und K/61) untersucht werden. Während der jüngeren Verwendungszeit (etwa 1. Hälfte des 3. Jhs.) war sie ganz sicher als Webhütte in Verwendung; in ihrem Nordostteil fanden sich auf engstem Raum, in einer Lage, rund 50 Webstuhlgewichte. Es ist dies damit der erste derartige Nachweis in Bernhardsthal.

Mit den Quadranten K/73-K/76 wurde der bereits im Herbst 1978 begonnene Schnitt durch den gegen Ende des 2. Jhs. aufgeworfenen Südwall (FÖ 17/1978, p 329) des germanischen Gehöftes beendet. In Quadrant K/73 wurde, mit der Sohle bereits unter den Grundwasserspiegel reichend, eine kreisförmige Vorratsgrube aus dem ausgehenden mittleren Neolithikum entdeckt.

Knapp nördlich des römischen Nordgrabens konnte innerhalb des Quadranten N/57 eine kleine Grube mit kreisförmigem Querschnitt aufgedeckt werden, die wegen des, allerdings spärlichen, Fundmaterials in die Übergangszeit von früher zu mittlerer Bronzezeit zu datieren ist.

In Verfolgung des Nordgrabens des römischen Marschlagers Richtung Osten wurde bereits zu Ende der Herbstkampagne 1978 ein in situ liegender Holzbalken gefunden, über dessen Zweck und Datierung damals noch keine Aussage getroffen werden konnte (F17/1978, 329 - 330). Während der Frühjahrskampagne 1979 wurde der gesamte Bereich geöffnet. Die Fundstelle liegt bereits auf dem Gebiet der KG Rabensburg. auf den Parz. 1762 und 1764/2. Aufgrund der bei den im Herbst 1978 geöffneten Quadranten UU/59 und UU/60 gewonnenen Erkenntnis, aus dem angeschwemmten Material über dem Holzbalken sei keine Stratigraphie zu gewinnen, wurde das gesammte Erdmaterial maschinell entfernt.

Als vorläufiges Ergebnis kann festgehalten werden, daß an einem heute verlandeten Thaya-Arm etwa im 14. Jh. eine Flußmühle errichtet worden ist, die möglicherweise mit der historisch überlieferten der abgekommenen Ortschaft Geresdorf, zwischen Rabensburg und Bernhardsthal gelegen, ident ist. Die geborgenen, nicht sehr zahlreichen Funde können leider für eine Datierung nicht herangezogen werden; sie stellen angeschwemmtes Material dar, das wahrscheinlich einige mittelneolithische, bronzezeitliche, germanische und frühneuzeitliche Gefäßbruchstücke umfaßt. Ein innen glasierter Henkeltopf, der an der Sohle der Anlage gefunden worden ist, ist nach freundlicher Auskunft von Herrn Erik Szameit bereits in das beginnende 17. Jh. zu setzen, so daß damit ein terminus ad quem für die Verlandung bzw. Zuschwemmung der Anlage gegeben ist. Eine Veröffentlichung dieser Anlage mit zwei C-14-Daten ist in Zusammenarbeit mit Herrn Dr. Helmut Hundsbichler vom Inst. f. mittelalterliche Realienkunde der Osterr. Akad. d. Wiss. für den nächsten Band der FÖ geplant.

Während der Herbstkampagne 1979 konzentrierten sich die Arbeiten auf die Mitte und damit auf den höchsten Bereich des Sìedlungsgeländes, wo wegen der bereits früheren Beobachtungen von bis zu 0,30 m eingetieften Fundamentgräben annähernd quadratischer Bauten mit den eigentlichen Wohnbauten des germanischen Gehöftes zu rechnen war.

Im Bereich der Quadranten P/39-P/42, Q/39--Q/42, R/39--R/42 und S/39- S/42 konnte ein annähernd quadratischer (zu einem Parallelopramm mit Winkeln von etwa 80°, 99°, 80° und 101° verschoben) Bau mit einer äußeren Seitenlänge von ungefähr 8,0 m aufgedeckt werden. Der Bau hob sich vorerst durch einen durchschnittlich 0,30 m breiten, mit graugelbem, lehmhältigem Material verfüllten Graben ab, der sich aber bald in einzelne, dicht gereihte Pfostengruben, die bis knapp 1,00 m ab heutiger Humusoberkante eingetieft waren, auflöste. Der „Graben” war bloß an der Ostseite, und zwar knapp nördlich der Südostecke, auf eine Länge von rund 0,80 m unterbrochen; es kann sich dabei nur um den Eingang in das Haus handeln. An der West- und Ostseite verlief in etwa 0,50 m Entfernung von den Seitenwänden je eine Reihe kleinerer Pfosten, die wahrscheinlich zum Abstützen der von der N--S-orientierten Firstpfette ausgehenden Rofen gedient hatten. Von der Nordwestecke ging ein 2,30 m langes, rund 0,50 m breites und etwa 0,80--0,90 m tiefes Fundamentgräbchen aus, das sich im Gegensatz zu den Hausfundamenten nicht in Pfostengruben auflöste, aber verhältnismäßig viel Fundmaterial, so mindestens drei Fußschüsseln, enthielt. Die Funktion des Gräbchens ist zur Zeit noch ungeklärt, kann aber mit dem tragenden Gerüst des Baues nicht in Zusammenhang stehen. Der rund 7,00 X 7,00 m große Innenraum des Hauses erbrachte eine Fülle größerer und kleinerer Gruben verschiedener Besiedlungsphasen, die eine Innenteilung nicht erkennen ließen. Eindeutig dem Wohnhaus zuzuordnen ist im Südwestteil eine rechteckige, 3,40 X 2,00 m große, W--O-orientierte, 0,70--0,80 m vom Niveau eingetiefte Grube, die wohl als Keller zu interpretieren sein wird.

Nach dem stratigraphischen Befund gehört der Wohnbau in die älteste germanische Siedlungsphase, dürfte aber möglicherweise noch nicht an deren Beginn bestanden haben (ungefähr zweite Hälfte des 2. Jhs.). Dieser Wohnbau wäre damit zeitgleich mit einem im Frühjahr 1977 freigelegten, rechteckigen, 10,70 X 5,80 m großen Ständerbau, der damals mit Vorbehalt als Wohnbau angesprochen wurde (FO 16, 1977, 414-415), und einem quadratischen Fundamentgraben im Bereich der Quadranten U/50, V/50, W/50, U/51, V/51, W/51 und V/52 (FÖ 17, 1978, 328). Möglicherweise sind diese fast in Dreiecksform angeordneten Bauten als Wohnhaus, großer Speicherbau und Stall zu interpretieren.

Während der Herbstkampagne 1979 konnten noch mehrere kreisförmige Vorratsgruben, Gruben mit unregelmäßigem Grundriß sowie zahlreiche Pfostengruben aufgedeckt werden. Außerdem wurde die während der Herbstkampagne 1976 rekonstruierte Sechspfostenhütte (FÖ 15, 1976, 9--17) experimentell abgebrannt.

Der Fundanfall war vor allem im Herbst 1979 sehr groß. So war z. B. der Boden einer ovalen, ursprünglich 0,80 m tiefen Grube dicht mit Fragmenten zahlreicher Kochgefäße aus Ton bedeckt. Die Funde sind Eigentum des NÖLM, werden aber im Mus. Bernhardsthal aufbewahrt.

Horst Adler

Fundberichte 19 /1980, p 500 - 503

Bernhardsthal, Gem. Bernhardsthal, BH Mistelbach (Bl.26, W 111-114 mm, N 153--158 mm.) Die seit Herbst 1974 durchgeführten archäologischen Untersuchungen auf den Parz. 1655 und 1656 der Flur Aulüssen wurden am 20. 11. 1980 abgeschlossen. Die Grabung war wegen des damals geplanten Baues eines Hochwasser-Schutzdammes entlang der Thaya notwendig geworden. In der Zwischenzeit ist der Damm in diesem Bereich bereits fertiggestellt. Weiterer Grund für diese von der Abt. f. Bodendenkmalpflege des Bundesdenkmalamtes vorgenommene Notgrabung war, zum ersten Mal in Österreich eine germanische Siedlung aus der Römischen Kaiserzeit zumindest zum Teil systematisch zu ergraben.

Im Jahre 1980 wurden 69 Planquadrate zu je 3 X 3m geöffnet, so daß sich nun die Gesamtzahl auf 536 erhöht (siehe die bisherigen Vorberichte: H. Adler, FÖ 13, 1974, 99-101; FÖ 14, 1975, 7-14; FÖ 15, 1976, 261-264; FÖ 16, 1977, 414--416; FÖ 17, 1978, 326--330; FÖ 18, 1979, 444-448).

Die Quadranten U/11-U/41, die unmittelbar westlich an die bereits während der ersten Grabungskampagne geöffnete Reihe V anschlossen, bestätigten die bereits Iänger angestellte Vermutung, das Siedlungsareal wäre in zwei Teile gegliedert gewesen: einen nördlichen, ausschließlich aus Wirtschaftsbauten bestehenden Teil und einen südlichen, aus Wohngebäuden und Wirtschaftsobjekten bestehenden. Innerhalb der etwa 20 m breiten Zwischenzone, die allerdings nur durch zwei Quadrantenreihen aufgeschlossen ist, sind bloß einzelne Pfostengruben nachgewiesen worden.

Durch die 1980 geöffnete Quadrantenreihe U wurden wiederum mehrere Wirtschaftsobjekte, wie z. B. Sechspfostenhütten, freigelegt, z. T. auch solche, die bereits während der ersten Kampagne im Herbst 1974 angeschnitten worden waren. Auf der Sohle eines nur wenig eingetieften Siedlungsobjektes in den Quadranten U/22 und U/23 konnten mehrere, teilweise zur Gänze erhaltene Tongefäße geborgen werden.

Im rechten Winkel zur Reihe U wurden die Quadrantenreihen 25 und 26 geöffnet. Westlich von U/25 waren die Quadranten T/25, S/25 und R/25 mehr oder weniger fundleer, ein weiterer Beweis, daß der etwas tiefer liegende NW-Bereich des Siedlungsareals unverbaut war. Gegen Osten zu wurde die Doppelquadrantenreihe 25 und 26 bis weit in fundleeres, wesentlich tiefer und gegen die Thaya zu liegendes Gebiet gezogen. Im Bereich der Quadranten P, Q, R/25 und 26 konnte zum zweiten Mal der oberflächlich kaum, in den Profilen aber eindeutig erkennbare Ostwall aufgeschlossen werden; wie bei allen Wallschnitten wurde auch an dieser Stelle kein vorgelagerter Graben festgestellt.

Zwischen der Quadrantenreihe U bzw. V und dem gerade erwähnten Ostwall wurden zahlreiche Wirtschaftsobjekte untersucht: Sechspfostenhütten, seicht eingetiefte Objekte, Vorratsgruben. Die Funktion einiger kleinerer, eingetiefter Objekte, die mit Flechtwerk und Lehm verkleidet waren, könnte vielleicht mit Trockenspeichern umschrieben werden. Ein etwas größeres Objekt, das wegen seiner nur geringen Eintiefung ziemlich zerstört war, könnte als Dörranlage gedient haben.

Neben den erwähnten Bauten der germanischen Siedlung konnten auch wieder solche der einheimischen, kelto-illyrischen, untersucht werden.

Das Fundmaterial war sehr umfangreich, bestand aber natürlich hauptsächlich aus zerscherbter Keramik. Besonders hervorzuheben sind ein kleines Bronzebecken, drei Fibeln, ein fragmentierter Einlagenkamm aus Bein mit durchbrochen gearbeiteter Griffplatte und Beinnadeln.

In Quadrant M/25 wurde ein Körpergrab aus der ausgehenden Frühbronzezeit aufgedeckt. Innerhalb eines annähernd rechteckigen, 1,40 X 0,65m großen und rund 1,50 m tiefen Schachtes lag, bereits im Grundwasser, ein rechtsseitiger Hocker; Orientierung ungefähr SSW--NNO, Blickrichtung gegen Osten. Vor dem Gesichtsschädel lag eine Schale, knapp westlich der Fußenden standen zwei Henkelgefäße.

In der Folge seien die wichtigsten Ergebnisse aus sieben Jahren Feldarbeit in Bernhardsthal, in denen zusammen mit Riegelabtragungen zwischen einzelnen Quadranten etwa ½ ha des Siedlungsareals in Ausschnitten untersucht worden ist, kurz angeführt:

  • Nachweis mittel- bis spätneolithischer Funde und eines Körpergrabes mit Gefäßbeigaben.
  • Nachweis einiger Siedlungsobjekte und eines Hockergrabes aus der ausgehenden Frühbronzezeit. Nachweis einer spätlatènezeitlichen, kelto-illyrischen Siedlung aus dem 1. vor und 1. nachchristlichen Jahrhundert.
  • Nachweis eines germanischen Gehöftes aus der Römischen Kaiserzeit, dessen Dauer von den ersten Jahrzehnten des 2. Jhs. n. Chr. bis um die Mitte des 3. Jhs. angegeben werden kann.
  • Nachweis eines römischen Marschlagers aus der Zeit der sogenannten Markomannenkriege am Südrand des germanischen Gehöftes. Es wurde möglicherweise im Jahre 172 angelegt und war nur kurz in Verwendung.
  • Nachweis einiger slawischer Hütten aus dem 9. und 10. Jh. n. Chr im NO-Bereich des Siedlungsareals.
  • Nachweis einer spätmittelalterlichen Wassermühle mit unterschlächtigen Rädern an einem heute verlandeten Thaya-Arm, bereits auf dem Gebiet der KG Rabensburg gelegen (siehe dazu den Beitrag von H. Adler und H. Hundsbichler, S. 9 ff.).

Hauptanteil während der Grabungsarbeiten hatte wegen der großen Zahl der Siedlungsobjekte die Untersuchung des germanischen Gehöftes, wenn auch die Verfolgung des Spitzgrabens des römischen Marschlagers wegen dessen Unregelmäßigkeit und dessen Lage in ungünstigem Gelände unverhältnismäßig viel Zeit beanspruchte.

Wichtigste Ergebnisse:

Aufgrund stratigraphischer Beobachtungen Feststellung einer Zweiphasigkeit des germanischen Gehöftes. Es war während der älteren Phase unbefestigt, wurde aber gegen Ende des 2. Jhs. n. Chr. von einem Wall umgeben, dem an keiner einzigen Stelle ein Graben vorgelagert war und der demnach als Hochwasser-Schutzdamm gedeutet werden muß. Aufgrund zahlreicher Detailbeobachtungen läßt sich sagen, daß im Laufe des 2. Jhs. n. Chr. eine geringfügige Klimaverschlechterung und damit verbunden ein Anstieg des Grundwasserspiegels und erhöhte Hochwassergefahr einsetzten. Erste Gegenmaßnahme war der vorhin erwähnte Bau eines Schutzdammes. Um die Mitte des 3. Jhs. dürfte dieser Schutz nicht mehr ausgereicht haben; das Siedlungsgelände wurde von den Germanen endgültig aufgegeben. Aufgrund einer neuen, kritisch durchgeführten Kartierung aller einschlägigen Funde aus der Römischen Kaiserzeit in Niederösterreich nördlich der Donau wurde die Erkenntnis gewonnen, daß auch für die anderen germanischen Siedlungen dieses Gebietes zumindest ähnliche Bedingungen wie in Bernhardsthal geherrscht haben.

Siedlungsarchäologisch ergibt sich somit eine Dreiteilung des norddanubischen Niederösterreichs während der Römischen Kaiserzeit.

  • Während des 1. Jhs. n. Chr. geringe germanische Besiedlungsdichte und mehr oder weniger ungebrochenes Weiterbestehen der Siedlungen der einheimischen, kelto-illyrischen Bevölkerung.
  • Um 100 n. Chr. und während der folgenden Jahrzehnte Einströmen großer germanischer Kontingente, wahrscheinlich swebischer Markomannen aus Böhmen. Diese Einwanderer setzten sich fast ausnahmslos an Flüssen und Bächen fest, an Stellen, die heute noch oder bis vor kurzer Zeit. versumpft waren, ein weiterer Beweis, daß die klimatischen Verhältnisse zur damaligen Zeit bessere waren.
  • Alle diese neuangelegten Siedlungen wurden jedoch um die Mitte des 3. Jhs. aus bereits erwähnten Gründen aufgegeben. Während der zweiten Hälfte des 3. Jhs. und im 4. Jh. lagen die germanischen Siedlungen nicht mehr in unmittelbarer Nähe von Gewässern, sondern an höheren Stellen. Da während dieser Spätzeit die Siedlungsdichte ìm norddanubischen Niederösterreich wesentlich geringer war als vorher, müssen wir auch mit einem Teilabzug dieser Germanen rechnen. zumindest z. T. in römisches Reichsgebiet.

Im Zuge der Ausgrabungsarbeiten konnten zahlreiche Bautypen des germanischen Gehöftes nachgewiesen werden: Wohnbauten, ein rechteckiger Speicherbau in Ständertechnik, kleine rechteckige Wirtschaftsgebäude (sogenannte Sechspfostenhütten), von denen eines im Herbst 1976 an Ort und Stelle unter Verwendung des originalen Grabungsbefundes rekonstruiert und wieder aufgebaut wurde, seicht eingetiefte Arbeitsplätze, Speichergruben. Interessant ist, daß nicht das gesamte Gelände verbaut war, sondern bloß ein von NNO nach SSW streichender Rücken. Vor allem der NW-Bereich war bautenfrei; es ist nicht auszuschließen, daß gerade dieser der Tierhaltung im Freien diente.

Die Veröffentlichung der Ergebnisse aus der Grabung Bernhardsthal wird wegen des enormen Umfanges nur in mehreren Teilbänden erfolgen können, wobei an die von der Abt. f. Bodendenkmalpflege des Bundesdenkmalamtes herausgegebene Reihe „Fundberichte aus Osterreich, Materialhefte” gedacht ist. Da zur Zeit noch das Fundmaterial der letzten drei Grabungskampagnen inventarisiert und gezeichnet werden muß, wird ein Beginn der Publikation nicht vor 1983 möglich sein.

Alle Funde aus den Grabungen in Bernhardsthal befinden sich im Eigentum des NÖLM, werden aber im Heimatmuseum Bernhardsthal deponiert.

Horst Adler

Germanenzeit - Römerzeit

Aus „Von den Quellen bis zur ersten Besiedlung - Bernhardsthal und Umgebung” von F.Stratjel

Während die Römer im Jahre 15 v. Chr. mit dem Königreich Norikum das südliche Niederösterreich ihrem Weltreich relativ friedlich eingliederten, wichen die im Maingebiet siedelnden Markomannen und Sueben nach einem Niederwerfungsversuch durch Drusus, einem der Stiefsöhne des Augustus, nach 9 v. Chr. nach Osten aus. Die Markomannen unter König Marbod ließen sich in dem von den keltischen Bojern geräumten Böhmen („Bojohaemum” = Bojerheim) nieder und rückten erst später in Niederösterreich bis zur Donau vor. Marbod, anfangs sicher ein Fürst von Roms Gnaden, wird in den mir vorliegenden deutschsprachigen Quellen einmal als langjähriger Söldner im röm.Heeresdienst, einmal als 16-jähriger Fürstensohn und anderwärts wieder als in Rom erzogene Geisel bezeichnet. Die Sueben unter ihrem König Tudrus zogen in das südliche Marcheinzugsgebiet und stießen an der Donau wieder auf die Römer, von denen sie erstmals als Quaden erwähnt werden.

Fast wäre dann auch unsere Gegend dem Römerreich einverleibt worden. Der beginnenden Konzentration germanischer Stämme unter Marbod wollte Augustus mit einer von 12 Legionen geführten Zangenoperation von Rhein und Donau aus zuvorkommen. Die Reichsgrenze sollte an March und Elbe vorgeschoben werden. 6 n.Chr. überschreitet Tiberius, der zweite Stiefsohn des Augustus, mit 60.000 Mann bei Carnuntum die Donau. Aufstände an seiner Ostflanke, in Pannonien und Dalmatien, zwingen ihn aber zur Umkehr. Die Bekämpfung bindet ihn bis 9 n.Chr., wo weitere Besetzungspläne des Gebiets nördlich der Donau mit dem Desaster im Teutoburger Wald für längere Zeit enden. Drei Legionen und ebensoviel Reitergeschwader sowie 6 Kohorten werden von germanischen „Partisanen” unter Arminius vernichtet. Letzterer versuchte nun seinerseits eine Germanenkonföderation und stieß mit Marbod zusammen, siegte, worauf 19 n.Chr. Marbod mit seiner Gefolgschaft in römische Schutzhaft floh (und 18 Jahre in Ravenna lebte). Sein Nachfolger Katwald teilte 2 Jahre später ein ähnliches Schicksal, er wurde vom hermundurischen König Vibilius vertrieben und zog nach Gallien in Schutzhaft.

Den Römern waren anscheinend die großen Gefolgschaften der Exilfürsten im Reichsgebiet nicht ganz geheuer. Sie siedelten diese zwischen March und Waag an und unterstellten sie dem Quadenkönig Vannius. In guter Tradition ereilte Vannius das gleiche Schicksal, 50 n.Chr. vertrieben ihn seine Neffen Sido und Wangio unter Mithilfe des Hermundurenkönigs Vibilius. Auf Geheiß des Kaisers Claudius setzte ihn die römische Donauflotte über die Donau und siedelte die Gefolgschaft zwischen Leithagebirge und Neusiedlersee an.

Einer der frühesten (1.Hälfte 1.Jh.) Germanennachweise unserer Gegend könnte eine in Rabensburg gefundene sog. Ancissafibel sein.

An der Wende zum zweiten Jahrhundert wandern aus Böhmen Markomannen ins östliche Wald- und westliche Weinviertel ein. Sie siedeln hauptsächlich an den größeren Flüssen aber auch an kleineren Gerinnen („Sumpfgermanen”). Der Geograph Claudius Ptolemäus (150 n. Chr.) berichtete, daß damals an der March große Ansiedlungen bestanden haben, von denen aus ein reger Tauschverkehr mit den Römern gepflegt wurde.

Die Aufklärung dieser Wanderbewegungen und Siedlungsentwicklungen ist nicht zuletzt der Ausgrabung an der Thaya zu verdanken. 1974 bis 1980 wurde vom Bundesdenkmalamt unter der Leitung von Horst Adler in der Flur Aulüssen - Feldl eine Notgrabung durchgeführt. Ziel war, zum ersten Mal in Österreich eine germanische Siedlung aus der Römischen Kaiserzeit zumindest zum Teil systematisch zu ergraben.

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Grabung des Bundesdenkmalamtes 1974 - 1980
Archeologische Vermessung: Dr.H.Adler

römisches Marschlager 2.Hälfte 2.Jh.
germanischer Hochwasserdamm Ende 2.Jh.
spätmittelalterliche Flußmühle
Grabungsflächen

Die umfangreiche Grabung, insgesamt wurden 536 Quadranten zu je 3 X 3 m geöffnet, brachte neben einer Unmenge von Fundstücken wertvolle Erkenntnisse zur Siedlungsarchäologie. Nachweisbar ist eine zeitliche Dreiteilung des norddanubischen Niederösterreichs während der Römischen Kaiserzeit:

  • Während des 1. Jhs. n. Chr. gibt es nur eine geringe germanische Besiedlungsdichte und das mehr oder weniger ungebrochene Weiterbestehen der Siedlungen der einheimischen kelto-illyrischen Bevölkerung.
  • Um 100 n. Chr. und während der folgenden Jahrzehnte strömen große germanische Kontingente, wahrscheinlich suebischer Markomannen aus Böhmen, ein. Diese Einwanderer siedelten fast ausnahmslos an Flüssen und Bächen, an Stellen, die bis vor kurzer Zeit. versumpft waren oder heute noch sind. Ein weiterer Beweis, daß die klimatischen Verhältnisse zur damaligen Zeit besser, zumindest trockener, waren.
  • Alle diese neuangelegten Siedlungen wurden jedoch um die Mitte des 3. Jhs. auch wegen der zunehmenden Bedrohung durch Überschwemmungen aufgegeben. Während der zweiten Hälfte des 3. Jhs. und im 4. Jh. lagen die germanischen Siedlungen nicht mehr in unmittelbarer Nähe von Gewässern, sondern an höheren Stellen. Während dieser Spätzeit war die Siedlungsdichte im norddanubischen Niederösterreich wesentlich geringer als vorher. Die Germanen waren durch den langen Krieg und die Entsendung von Hilfstruppen in zum Teil weit entfernte Gebiete des römischen Reichs stark dezimiert. Über 80 in Niederösterreich bekanntgewordenen Siedlungsplätzen des 2.Jhs. stehen nur 20 des 3.Jhs. gegenüber.

Rekonstruierte und später experimentell abgebrannte Sechspfostenhütte

Unsere Kelto-Illyrer-Germanensiedlung am Ufer der Thaya war ein größeres Gehöft. Es war während der älteren Phase, während der kelto-illyrischen (Spät La-Tène) Besiedlung unbefestigt. Gegen Ende des 2. Jhs. n. Chr. wurde es aber von einem Wall umgeben, dem an keiner einzigen Stelle ein Graben vorgelagert war und der demnach als Hochwasser-Schutzdamm gedeutet werden muß. Aufgrund zahlreicher Detailbeobachtungen läßt sich sagen, daß im Laufe des 2. Jhs. n. Chr. eine geringfügige Klimaverschlechterung und damit verbunden ein Anstieg des Grundwasserspiegels und erhöhte Hochwassergefahr einsetzten. Erste Gegenmaßnahme war der vorhin erwähnte Bau eines Schutzdammes. Um die Mitte des 3. Jhs. dürfte dieser Schutz nicht mehr ausreichend gewesen sein, das Siedlungsgelände wurde von den Germanen endgültig aufgegeben.

Noch vor der Erbauung des Schutzdammes wurde südlich des Gehöfts ein römisches Marschlager errichtet. Es wurde möglicherweise im Jahre 172 angelegt und war nur kurz in Verwendung. Ergraben hievon wurde je 100 m eines Grabens und ein Eingang. Das Lager legt in einer Kette solcher Lager, die Lage von etwa 20 davon bis Muschau-Musov ist bekant, die nächsten in Unter-Themenau und Feldsberg.

Querschnitt des Spitzgrabens

Derartige Lager, manchmal nur wenige Tage verwendet, waren meist durch einen Graben und eine Aufschüttung oder Palisade geschützt. Größere röm. Funde sind bei einem kurzfristigen Militärlager nicht zu erwarten. Der V-förmige Spitzgraben wurde nach Abzug der Römer mit Siedlungsabfällen verfüllt. Als alle sichtbaren Spuren des Lagers verschwunden waren, dehnte sich das Gehöft auch über einen Teil des Lagers aus und bedeckte wahrscheinlich 2 ha.

Im Zuge der Ausgrabungsarbeiten konnten zahlreiche Bautypen des germanischen Gehöftes nachgewiesen werden: Wohnbauten, ein rechteckiger Speicherbau in Ständertechnik, kleine rechteckige Wirtschaftsgebäude (sogenannte Sechspfostenhütten), von denen eines im Herbst 1976 an Ort und Stelle unter Verwendung des originalen Grabungsbefundes rekonstruiert und wieder aufgebaut wurde, seicht eingetiefte Arbeitsplätze, Speichergruben. Interessant ist, daß nicht das gesamte Gelände verbaut war, sondern bloß ein von NNO nach SSW streichender Rücken. Vor allem der NW-Bereich war bautenfrei; es ist nicht auszuschließen, daß gerade dieser der Tierhaltung im Freien diente.

Die gefundene Keramik zeigt die typischen handgeformten Gefäße, oft mit Fingernagelkerben, Knubben und Rillen versehen, weiters polierte schwarze Ware, mittels Rollrädchen fein verziert und auch römisches Tafelgeschirr, terra sigillata, und dessen einheimische Imitationen. Die meist recht eng gezahnten Kämme aus Knochenplatten weisen auf ihre Hauptverwendung als „Lausrechen” hin.

Germanishe Töpfe

Die Töpfer unseres Gehöfts kannten die schnell rotierende Töpferscheibe nicht

Die nachgewiesenen Haustiere, Pferd, Rind, Schweine, Schafe, Ziegen, Hühner und Gänse waren meist kleiner als die heutigen Rassen, so hatten die Pferde etwa eine Widerristhöhe von 115 cm, die Körperhöhe der Rinder lag knapp über 1m und die Schweine erreichten ein Schlachtgewicht zwischen 30 und 60 kg. Die Feldfrüchte, Gerste, Roggen, Weizen und Hirse sowie Erbsen und Bohnen wurden in mit Lehm ausgekleideten Speichergruben eingelagert, deren Versiegelung nach oben den Sauerstoffzutritt und damit die frühzeitige Keimung des Saatguts behinderte. Das zum täglichen Gebrauch bestimmte Erntegut bewahrte man in so genannten gestelzten Speichern, kleine lehmverputzte Holzbauten, auf. Die Sense und die Handmühlenart, ein beweglicher Läufer auf einem Bodenstein, übernahmen die Germanen von den Kelten.

Die Funde vom Feldl befinden sich im Museum für Frühgeschichte in Traismauer, wo ihnen ein eigener Raum, der als Hauptstück eine Hüttenrekonstruktion zeigt, gewidmet ist.

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1 und 2: Beinkämme, 3: Vogelgefäß aus Ton, 4: Bruchstück eines scheibengedrehten Gefäßes in La-Tènetradition.

Weitere Funde aus der Zeit der Germanen konnten an mehreren Örtlichkeiten des Gemeindegebietes geborgen werden. 1932 wurden beim Föhrenwald germanische Siedlungsfunde aus dem 2. Jh. n. Chr. sichergestellt. In der Flur Thallüssen wurden germanische Siedlungsfunde aus dem 3. bis 4. Jh. geborgen. Siedlungsfunde dieser Zeit, und zwar aus dem 2. Jh., befinden sich im Museum Mistelbach; sie stammen aus der Sandgrube (beim Johannes) an der Straße nach Reintal. Auch im Naturhistorischen Museum in Wien befindet sich in Bernhardsthal gefundene germanische Siedlungskeramik des 2. Jahrhunderts n. Chr..

1969 wurden im Zuge von Straßenbauarbeiten südlich des Hamelbaches, etwa an der Abzweigung der neuen Ortseinfahrtsstraße von der Bundesstraße Nr. 49, besonders interessante Gefäßbruchstücke geborgen, die der Zeit vom Ende des 1. bis zur Wende vom 2. ins 3. Jh. angehören.

Ebenfalls 1969 wurden unweit jener Stelle im Föhrenwald, wo schon 1932 germanische Funde festgestellt worden waren, bei Erdarbeiten zur Vorbereitung einer Tiefbohrung germanische Siedlungsgruben zerstört; es konnten Gefäßbruchstücke aus der Zeit des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr. geborgen werden.

Die umfangreichen Funde verleiten dazu das (kriegs-)historische Umfeld, das zur Errichtung des Marschlagers führte, näher zu betrachten:

Die anscheinend friedlichen Zeiten zwischen dem Vorstoß des Tiberius und dem Beginn der Völkerwanderung wurden in den Jahren von 166 bis 180 n. Chr. durch den Markomannenkrieg unterbrochen. Markomannen, Sueben und Quaden in Gemeinschaft mit den iranischen Sarmaten und Jazygen und weiteren Stämmen überrannten zur Jahreswende 166/67 mit 6.000 Kriegern die befestigte Donaugrenze bei Brigetio (bei Komorn). Nur der sofortige Einsatz römischer Kavallerie unter einem schneidigen Kelten namens Macrinius Vindex konnte die Offensive vorerst abwehren. Elf Stämme unter dem Markomannenkönig Ballomar baten bei dem römischen Statthalter in Carnuntum, Iallius Bassus, um Frieden.

Ab 169 liefen die Vorbereitungen für eine römische Gegenoffensive, Marc Aurel bezieht sein Winterquartier in Sirmium (Sremska Mitrovica). Doch die Markomannen und Quaden kommen ihm zuvor. Sie überwinden im Frühjahr bei Carnuntum die Donaubefestigung, die Quellen berichten von 20.000 toten Römern, und dringen mit großer Wucht bis Aquilea und Verona vor. Nur unter Einsatz letzter Reserven - eine aus dem Osten eingeschleppte Pestepidemie hattee Truppen und Bevölkerung dezimiert - konnte Marc Aurel sie stoppen. Im Gegenschlag stand er im Herbst wieder an der Donau, die Quaden unter ihrem erst 12-jährigen Gesandtschaftsführer Battar schließen einen Sonderfrieden und lassen 13.000 Gefangene frei, den Markomannen droht eine Strafexpedition.

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Zwei Szenen von der Markussäule

Mit der nun folgenden Überschreitung der Donau beginnt die Darstellung im Reliefband der Markussäule auf der Piazza Colonna in Rom. Schon das erste Bild zeigt wahrscheinlich die feindliche Residenz- und Festungsstadt nahe der Marchmündung. In 116 Einzelbildern zeigt die steinerne Kriegswochenschau bis in eine Höhe von 30 m die tragischen Ereignisse der auch heute noch üblichen brutalen Kriegsführung gegen die Zivilbevölkerung. Mord, Getümmel, zum Himmel schreiende Greise, brennende Hütten, eine junge Frau mit ihrem Kind an der Hand wird an den Haaren in Gefangenschaft geführt, dahinter der sich am Boden wälzende Vater.

Der Beginn ist 172 für die Römer nicht gerade erfolgreich. Mehrmals half bei Aktionen, die wahrscheinlich an der Thaya oder March stattfanden, nur göttliches Eingreifen, so zumindest nach der antiken Berichterstattung. Am Vormarsch wurde ein Marschlager der Römer unter Benutzung einer großen hölzernen Belagerungsmaschine angegriffen. Der Kaiser konnte aber durch ein Gebet einen die Maschine zerstörenden Blitz erreichen. Bei einer folgenden Schlacht im Weinviertel, am durch Funde am Pfaffenberg belegten Datum 11. Juni 172, waren die Legionäre in der sommerlichen Hitze vom Feind eingekreist und dem Zusammenbruch nahe. Ein plötzlicher Wolkenbruch mit Hagel und Blitz rettete die römische Armee vor dem Untergang. Dem für das „Regenwunder” zuständigen Wettergott dankte die Zwölfte Legion, wobei sie ihrem Spitznamen „Fulminata” („Blitzeschleuderer”) alle Ehre erwies, am Pfaffenberg bei Carnuntum durch die Errichtung von Denkmälern.

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Suebenkopf aus Muschau (Mušov)

Dennoch setzte sich die römische Heeresmacht durch. Im Zuge des Vormarsches entlang der March - Thaya könnte es zur Anlage des am Feldl ergrabenen Marschlagers gekommen sein.

In der Folge mußten sich die Germanen, zusätzlich zur Räumung eines Grenzstreifens von 5 römischen Meilen, auch damit abfinden, daß in ihrem Lande Zwingburgen mit römischer Besatzung errichtet wurden (Stillfried, Stampfen-Stupava in der Slowakei, Oberleiser Berg, Muschau-Mušov u. a.), von denen aus die Bewohner unter Druck gehalten wurden. Neuere Forschungsberichte deuten die oben genannten Fundstätten eher als Repräsentativanlagen germanischer Klientelfürsten, die von römischen Baumeistern als (militärische?) Entwicklungshilfe errichtet wurden, auch in Richtung der bestehenden Einverleibungabsicht als neue Provinz. Jedenfalls erhoben sich die Quaden und andere Germanen nach einem harten römischen Friedensdiktat im Jahre 177/178 noch einmal.

Marc Aurel schlug sie ein zweitesmal und ließ das Land mit insgesamt 20.000 Mann Legionären und fremden Hilfstruppen belegen. Der Tod Marc Aurels am 17.März 180 verhinderte seine weitergreifenden Pläne „Marcomannia” als neue Provinz dem Weltreich einzugliedern. Bis vor kurzem wurde Vindobona als Sterbeort Marc Aurels angenommen, einige Quellen weisen jetzt auf Bendobona bei Sirmium an der Save hin - Sein erst 19-jähriger, und, bescheiden gesagt, eher genußfreudiger Sohn Commodus, Gerüchten zufolge am Tod seines Vater nicht ganz unschuldig, beendete den Rachefeldzug der sogenannten „expeditio germanica secunda” und hiemit den für beide Seiten sehr verlustreichen 14-jährigen Markomannenkrieg.