o. Univ. Prof. Dr. Richard Georg Plaschka
800 Jahre Geschichte Bernhardsthals sind 800 Jahre Geschichte einer Ortsgemeinschaft in einer Grenz- und Brückenposition an einem zentralen Punkt Europas. Immer wieder war es mehr als das Schicksal der Ortsbewohner allein, das hier entschieden worden ist, - immer wieder war es gesamteuropäische Bewegung, die den Platz erfasste. Nacheinander tauchten sie im Thaya-March-Bereich auf- lllyrer und Kelten, Quaden und Heruler, Hunnen und Langobarden, Slawen und Awaren, Baiern und Franken, Magyaren und Mongolen, Hussiten und Utraquisten, Heiducken und Schweden, Türken und Kurutzen, Franzosen, Preußen und Russen. Sie rodeten und missionierten, erpressten und brandschatzten, blieben oder zogen vorbei gleich einer wilden Jagd. Zwischen Auseinandersetzung und Durchdringung, Aufbau und Zerstörung, Angst und Hoffnung tritt ein Jahr als fixer Punkt: die erste urkundliche Nennung des Ortes - 1171.
1171 - was geschah in Europa in dieser Zeit? Im römisch-deutschen Reich herrschte Kaiser Friedrich I. Barbarossa. Es war die Zeit der Burgen und Ritter und klösterlicher Kultur, der Grundherrschaften und Stadtrechtsentwicklung und neuer deutscher Siedlungswellen, die selbst Böhmen erfassten und das ferne Siebenbürgen. Eben, 1156, hatte der Kaiser Österreich zum Herzogtum erhoben und zwei Jahre spater, 1158, hatte der Herrscher jenseits der Grenze, der Böhmenherzog Vladislav II., für treu Hilfe die Königskrone erhalten. Hof- und Fürstentage, Italienzüge, die Niederwerfung Heinrichs des Löwen unterstrichen die Machtstellung des zentraleuropäischen Kaisertums, das im Süden selbst auf Sizilien griff. Brogge und Venedig waren die sich groß entwickelnden Handelszentren Europas. Politische Bewegung hatte den Kontinent erfasst. Im russischen Bereich ging die Vormachtstellung Kievs zurück, neue Zentren im Nordosten kündigten sich an - Moskau war 1147 erstmals erwähnt worden. Im Südosten wurde eben 1171 die serbische Einheit begründet, Serbien und Bulgarien setzten an, die byzantinische Herrschaft abzuschütteln, Ungarn war kurz davor, seine Oberhoheit in Dalmatien, Kroatien und Bosnien wiederherzustellen. Im Westen setzte in England Heinrich II. seinen Herrschaftsanspruch nachhaltig durch, 1170 wurde Thomas Becket, der Erzbischof von Canterbury, von königlichen Rittern ermordet, 1171 begann die englische Eroberung Irlands. In Ägypten setzte Saladin zur Expansion an, die bis Tripolis, Damaskus und Jerusalem führen sollte. Und in China stand vor allem der Süden in blühender wirtschaftlicher Entwicklung. schon wurden Papiergeld und Buchdruck, Schießpulver und Magnetnadel verwendet.
Aber zurück zu Bernhardsthal. Mit der Welt war der Platz seit altersher über die unweit vorüberführende Bernsteinstraße verbunden, die von der Adria zur Ostsee führte. Die Welt rundum drückte den Jahrhunderten seiner Geschichte immer wieder den Stempel auf.
Urgeschichte und Germanenzeit
Die Bodenfunde weisen den Bernhardsthaler Raum als bedeutend älteren Siedlungsgrund aus, als die Jahreszahl 1171 vermuten lässt: zurückreichend bis in urgeschichtliche Zeit - bis in die Jungsteinzeit, in die Bronzezeit, in die altere und lungere Eisenzeit. Die "Drei Berge", hallstattzeitliche Hügelgräber, weisen auf die Zeit der Illyrer hin, auf die die Kelten folgten. Aufschlussreiche Funde stammen aus der Frühgeschichte, aus der Zeit der schwindenden illyro-keltischen Bevölkerungselemente, da in den ersten Jahrhunderten nach Christus Germanen, Markomannen und Quaden, nordwärts der Donau, mit Zentren im böhmischen Kessel und an der March, und vorwiegend Quaden auch an der unteren Thaya siedelten. Jüngste Grabungen förderten eine Germanensiedlung zutage, deren Anfang im ausgehenden ersten und deren Aufgabe im beginnenden dritten Jahrhundert anzusetzen ist. Das Bild einer Dorfgemeinschaft gewinnt Konturen, die ihren Platz mit Wällen befestigt hatte, deren wirtschaftliche Grundlage Getreidebau und Haustierhaltung und daneben wohl der Fischfang in der Thaya gebildet haben und in der die nötigen Geräte, Gefäße und Kleidungsstücke selbst erzeugt worden sind, in der geschmiedet und getöpfert, gegerbt, gewoben und geflochten worden ist - detaillierter Einblick in die tief gestaffelte germanische Grenzzone gegenüber dem römischen Limes. Zeugt auch die gefundene importierte Keramik aus den römischen Provinzen von friedlichen Handelsbeziehungen, die Grenze blieb zugleich ein umkämpfter Streifen mit Durchbrüchen der Germanen nach Süden und Vorstößen der Römer unter Errichtung von Besatzungsstützpunkten über die Donau nach Norden.
Völkerwanderung - Heruler und Langobarden, Slawen und Awaren.
Auch der Thaya-March-Bogen des Weinviertels wurde einbezogen in die europaweiten Stamme- und Völkerbewegungen, die im vierten Jahrhundert einsetzten, sah die Markomannen und Quaden ausweichen, die Heruler auftauchen, Goten und Alanen aufklären und verschwinden, verspürte den Druck der asiatischen Reiterschwärme der Hunnen, die zur Großmacht emporgestiegen waren und an der unteren Theiß ihr Zentrum hatten, erlebte um 500 die Durchsetzung der Macht der Heruler, wenig später - 508 - den Aufstand und die Herrschaft der Langobarden, die Festigung ihrer Macht, ihre Berührung mit Byzanz schon und mit dem neu aus dem Osten ankommenden asiatischen Reiternomadenvolk der Awaren.
Nach dem Abzug der Langobarden nach Süden brandeten im Gesichtsfeld der Restbewohner in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts nördlich der Thaya und östlich der March slawische Siedlungswellen an und griffen von Norden her auch auf das Weinviertel über. Gleichzeitig, die Slawen überschichtend, gewannen die zopftragenden asiatischen Reiter, die Awaren, Herrschaftsposition: in einem breiten, von Osten her vorgeschobenen Bogen, von der Ostsee bis in die norischen Gebiete reichend. Von ihren Zentren in Pannonien her, durch vorgeschobene Stützpunkte abgesichert, übten sie auch im Weinviertel ihre Vorherrschaft aus. Ihr Griff wurde vorübergehend abgeschüttelt im großen Aufbegehren der Slawen, im Slawenaufstand unter dem Franken Samo am Beginn des 7. Jahrhunderts, 623/24. Für einige Jahrzehnte zeichnete sich eine erste größere westslawische Zusammenfassung ab, die wohl auch den March-Thaya-Bereich überlagerte. Endgültig niedergekämpft wurden die Awaren freilich erst um 800 unter den ostwärts vorgetragenen Angriffen der neuen Großmacht im Westen, des Frankenreiches Karls des Großen.
9. Jahrhundert - Fränkische Missionsbewegung und Großmährisches Reich.
Unruhig, bewegt noch, zeichneten sich im 9. Jahrhundert die neu aufkommenden staatlichen und kirchenorganisatorischen Einflusszonen ab. Im Weinviertel lebten Slawenstamme, von germanischer Restbevölkerung durchsetzt, im Wiener Becken und Alpenvorland ebenfalls Slawen und Germanen gemischt, im Osten noch durch awarische Elemente ergänzt. Nachhaltig entwickelte sich nun ab Beginn des Jahrhunderts eine Missionswelle des Frankenreiches tief in den slawischen Bereich hinein, politische Einflussnahme ging parallel und mit Schwerpunkt nördlich der Donau, abgedeckt durch den Aufbau einer Markenorganisation, ein bairisch-fränkischer Siedlungsvorstoß. Die bairische Kirche vor allem trieb die Missionsbewegung in den nun slawisch besiedelten böhmisch-mährischen Raum und in den Donaubereich gegen Osten bis in das Gebiet der heutigen Slowakei vor.
Im mährisch-slowakischen Bereich aber entstand gegen die fränkische politische und religiöse Einflussnahme eine Gegenbewegung. Mit Front gegen den westlichen Zugriff entwickelte sich ab 830 eine neue staatliche Gruppierung: das Großmährische Reich. Und Rastislav als Herrscher bot in diesem sich gegen Westen auch in der Kirchenorganisation abgrenzenden Staatswesen 863 gegen die Mission aus dem Westen Glaubenskünder der Ostkirche auf: Konstantin (Cyril) und Method, zwei aus der Gegend um Saloniki stammende griechische Priester, sich slawisch verständigend, slawische Texte im Gottesdienst einführend, später als Slawenapostel gefeiert. Die bairischen Bistümer im Westen jedoch gaben nicht auf, protestierten gegen die Blockierung ihrer Missionsrichtung, selbst in Rom. Aus der Zeit der kriegerischen Auseinandersetzung um dieses großmährische Staatswesen, das - wie Grabungen in der letzten Zeit beweisen - in Mikulcice ein starkes Zentrum hatte und auch gegen Süden in das heutige Niederösterreich vorgedrungen war, aus der Zeit der Überschichtungen der Mährer-Herrschaft stammen wertvolle Bernhardsthaler Gräberfunde: darunter das Bleikreuz mit Christusdarstellung.
10. Jahrhundert - Magyarenanprall und deutsche Gegenbewegung.
Dem brüchig gewordenen Mährergroßstaat versetzten der Druck des Ostfrankenreiches und die 895 bis 900 in Pannonien aus dem Osten unter Ärpad eindringenden Magyaren den Todesstoß. Bald sollten die Magyarenreiter auch im March-Thaya-Bereich auftauchen: flink, beweglich, auf schnellen Rossen, Stützpunkte einrichtend, zu Raubzügen ansetzend, gewaltige Kriegszüge nach Westen vortragend bis tief ins Bairische. Der Gegenoffensive des deutschen Königtums gegen die Magyaren, ausgehend von den entscheidenden Siegen bei Riade und bei Augsburg 933 und 955, folgte eine neue Vormarsch- und Siedlungswelle in Richtung Osten. Ab 976 gelangten im rückgewonnenen Markengebiet an der Donau die Babenberger zur Herrschaft.
11.Jahrhundert - Stabilisierung der Grenzen, Konsolidierung.
Noch waren die Grenzen im Nordostbereich der babenbergischen Mark umstritten: durch Einfälle von Mähren und Ungarn her, durch eine Großbewegung wie die von Boleslaw Chrobry aus dem polnischen Raum heraus, durch böhmische und ungarische Initiativen wie die von Bretislav, Stephan und Samuel Aba. Im Gegenstoß wurde die Thaya-March-Grenze erreicht, mit der die Grenzlage ab der Zeit um 1045 für die Zukunft im wesentlichen stabilisiert erschien. Damit war auch der Rahmen für Besiedlung und Einordnung in die Gesellschaftsstruktur des Reiches gezogen.
Die Siedlerwelle durchmaß tiefwirkend nun auch das Weinviertel, ließ das bairische Bevölkerungselement in den Vordergrund treten und prägte die Zeit als die der bäuerlichen Rodung. Die Lehenspyramide von der Spitze des Königs her erfasste das Land bis in den Thaya-March-Bogen. Bairische Adelsgeschlechter und bairische Hochstifte und Stifte traten im 11. Jahrhundert als erste Grundherren auf, so die Sigeharde und die Cham-Vohburger, Regensburg, Passau und Niederalteich. Die Sigeharde werden für den Bernhardsthaler Raum vermutet - als Grundherren, die für die Grenzsicherung ebenso wie für die landwirtschaftliche Erschließung durch bäuerliche Untertanen zu sorgen hatten. Der Verteidigungsbereitschaft in diesem wichtigen Dreiländereck entsprang die Burg auf der höchsten Erhebung im Ortsbereich - dem "Jägerhausberg". Einer Burgenkette eingegliedert, sollte sie für die Respektierung der Grenze sorgen.
Die Schwungkraft der deutschen Besiedlung ließ ihre Wellen in der Folgezeit im Osten über die March und im Norden über die Thaya in ungarischen und böhmischen Herrschaftsbereich vordringen. In Bernhardsthal lösten die Grundherren-Geschlechter einander ab. Sind als erste die Sigeharde anzunehmen, werden später im 11. und 12. Jahrhundert die Tenglinger, die Peilsteiner, die Pernegger genannt. Durch Heimfallsrecht sollte die Burg an die Babenberger, an Premysl Otakar, an die Habsburger kommen. Gefolgsleute waren es meist, die auf der Burg residierten. Der Ort darunter aber entstand seit der Gründung im 11. Jahrhundert aus der Arbeit der Ansiedler, denen vom Grundherrn ein Grundstück für Haus und Hof und Gründe für Gärten, Felder und Wiesen zugewiesen worden waren. Abgaben und Arbeiten waren der Grundherrschaft dafür zu entrichten, Treue und Gehorsam waren ihr gegenüber zu halten. Der Grundherr aber übte Funktionen der Verteidigung, der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit aus letztere in der Folgezeit mit "Stockh und Galgen", wie es später heißen sollte.
12. Jahrhundert - Die erste urkundliche Nennung.
Mitten in dieser Entwicklung, 1171, wurde der Name Bernhardsthal zum ersten Mal urkundlich - im Klosterneuburger Traditionskodex - erwähnt, als das Stift Klosterneuburg hier Grundbesitz erwarb.
Ein zweiter hervorstechender Anhaltspunkt dieses Jahrhunderts: Auch die Gestalt der Ortskirche zeichnete sich nun bereits ab. In die Zeit des ausgehenden 12. Jahrhunderts ist das romanische Kirchenschiff zurückzuführen. Die folgenden Jahrhunderte sollten in der Aufbauarbeit freilich immer wieder durch Krisenzeiten unterbrochen sein. Noch im 12. Jahrhundert, 1176, hatten die Böhmeneinfälle unter Sobeslav II. die Reihe solcher Bedrängnis eröffnet.
13. Jahrhundert
Zunächst tauchten die Mongolen auf, Reitergeschwader, die über die russischen Steppen hereinbrachen, 1241 bei Liegnitz in Schlesien, im selben Jahr bei Muhi am Sajó in Ungarn siegreich, Mähren durchziehend, bis ins Weinviertel ausschwärmend. Vorher und nachher aber war der Thaya-March-Bereich mehrfach Schauplatz böhmischer und ungarischer Einfälle, verdichtet unter Premysl Otakar 11. - bis zur großen Entscheidung. Als 1246 der letzte Babenberger gestorben war, hatte jener Premysl Otakar südwärts auf Österreich und über Steiermark und Körnten bis an die Adria gegriffen und war ostwärts in Oberungarn eingedrungen. Südlich des Bernhardsthaler Raumes, auf dem Marchfeld bei Dürnkrut, verlor er gegen Rudolf von Habsburg Schlacht und Leben. Die Folgen des Geschehens, der Rückzug der Geschlagenen, der Vormarsch der Sieger, berührten auch Bernhardsthal.
14. Jahrhundert
Ab 1328 bis 1336 reihten sich die Einfälle, die der kriegs- und abenteuerfreudige Böhmenkönig Johann von Luxemburg über die mährische Grenze unternahm. Unter den Burgen, die die Böhmen eroberten, war 1328 auch Bernhardsthal, damals im Besitz der Haunfelder. Auch die Ungarn unter Karl 1. von Anjou wirkten ein, legten ebenfalls Hand auf Bernhardsthal. Ein friedlicher Erfolg für den Ort: Die nun mit Bernhardsthal belohnten Wehinger erwirkten 1370 für den Ort vorübergehend das Marktrecht. Ein gefährlicher Ansatz zum Ende des Jahrhunderts: erste Raubritterzüge aus Mähren.
15. Jahrhundert - Raubritter, Hussiten und Utraquisten.
Raubgruppen aus Österreich, Mähren und Ungarn - am Jahrhundertbeginn mit Zentren in Hohenau und Laa, um die Jahrhundertmitte besonders von den Herren von Vöttau und Boskowitz gestützt - beunruhigten den Thaya-March-Bereich das Jahrhundert hindurch. 1424, 1426 und 1428 erschienen die Hussiten im Gesichtskreis: Die Umgebung Lundenburgs, das sich als Konzentrationspunkt der Kampfhandlungen erwies, hatte unter den Streifzügen besonders zu leiden. Ein Einfall aus Böhmen traf Bernhardsthal - in diesem Jahrhundert bis 1470 in Händen der Herings und der Roggendorfer - noch in den Nachwehen der Hussitenzeit. 1458 fiel der utraquistische König Georg von Podebrad ins Österreichische ein. Zu den wenigen Festungen, die Widerstand leisteten, zählte Bernhardsthal. Schließlich wurde sie von den Böhmen erstürmt. Nach der Wiedereroberung wurde die Burg, die zu verteidigen man nicht genügend Mannschaft hatte, um sie nicht neuerlich in Böhmenhände fallen zu lassen, selbst zerstört.
In den folgenden Jahren beunruhigten böhmische und ungarische Truppenbewegungen - so 1486 Söldnertruppen des Königs Matthias, der 1485 Wien eingenommen hatte - weiter die Gegend. In Bernhardsthal aber scheint inzwischen ein sichtlich neu erbauter Herrensitz auf: Als 1470 Bernhardsthal an die Liechtensteiner verkauft wurde, ist von einem Schloss die Rede. Nach kaum hundert Jahren darf auch das Schloss als abgeräumt angenommen werden.
16. Jahrhundert - Aufkommende Türkengefahr.
1526 kämpften sich die Osmanen bei Mohacs den Weg nach Mitteleuropa frei. 1529 standen sie vor den Toren Wiens. Erstmals machte man marchaufwärts mit den Streifscharen des neuen Gegners Bekanntschaft. Nach dem Gegenschlag beherrschten die Habsburger - ab Ferdinand I. nun auch Könige von Böhmen und Ungarn - den Westen und Nordwesten des ungarischen Königreichs. Die Donau- und Alpenländer, Böhmen und Ungarn sollten einer gemeinsamen Entwicklung entgegengehen. Die Thaya-March-Region war nun Etappe der nach Osten vorgeschobenen Türkenfront.
17. Jahrhundert - Heiducken und Schweden.
In Ungarn war ein Aufstand gegen Habsburg ausgebrochen. lstván Bocskai schlug 1604 los, sammelte Heiduckenscharen um sich, fand türkische Unterstützung, besetzte Debrecen und Kassa, wurde zum Fürsten von Siebenbürgen gewählt. 1605 überschritt eine Streitschar der Heiducken die March und plünderte auch Bernhardsthal. Wenig später pochten die Landsknechtsregimenter des Dreißigjährigen Krieges an die Tore, vor allem am Anfang und am Ende dieses Krieges: gleich 1619 ein Vorstoß aus Mähren, dann 1621/22 des Siebenbürgers Gabriel Bethlen standestützender Einfall nach Ostmähren, den österreichischen Grenzbereich miterfassend, 1622/23 Konzentrierung von Kaiserlichen in Lundenburg, ab 1641 die gegen Wien operierenden Schweden, unterstützt von György Räkoczi, schließlich die Gegenoffensive der Kaiserlichen. Erst der Friedensschluss 1648 ließ das Marodieren und Einquartieren, Erpressen, Rauben und Morden ausklingen.
Kurz danach meldeten sich erneut die Türken. 1663 überquerten Streiftruppen die March, plünderten und trieben Gefangene in die Sklaverei - auch Bernhardsthal stand in Flammen. Und nochmals brannte es 20 Jahre später - 1683 -, als die Türken zum zweiten Mal Wien belagerten und Thökölys Scharen, die Gelegenheit nützend, über die Grenze her Plünderungseinfalle unternahmen. Die von Wien heimwärts ziehenden Polen sah das geplagte Land im Herbst dieses Jahres. Einschneidend war auch die in Österreich kritisch gewordene soziale Lage der untertänigen Bauern gegenüber druckenden Übergriffen der Grundherren. Dass die Gegend auch von der Pest erfasst war, kommt zur Not dieser Jahrzehnte hinzu. Dass Österreich in den letzten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts an der Schwelle seiner Großmachtstellung stand, war im örtlichen Bereich noch ohne Belang.
18. Jahrhundert - Kurutzen und kaiserliche Besatzung.
Am Beginn des Jahrhunderts stand Europa wieder in einem gesamtkontinentalen Krieg: im Spanischen Erbfolgekrieg, parallel dazu im Nordischen Krieg. Wieder war auch die Marchgrenze Frontgebiet, wurde befestigt und durch Wachtposten gesichert. Kurutzeneinfdile trieben das Land, ab 1704 auch das Weinviertel und Südmöhren, erneut in Angst und Not. Die Kurutzen - das Wort geht auf das lateinische "cruciatus", die Kreuzzugszeit und Dozsas Bauernaufstand zurück - überfielen im Jahre 1705 auch Bernhardsthal. Noch blieben in den nächsten Jahren kaiserliche Einheiten zum Schutz der gefährdeten Orte präsent. In den folgenden Jahrzehnten aber ging Österreich unter Maria Theresia der Verteidigung seiner Großmachtstellung und gleichzeitig ihrer Festigung entgegen.
19. Jahrhundert - Franzosen, Preußen und Cholera.
1805 sah Bernhardsthal Franzosen auf dem Vormarsch, vor und nach ihrem Sieg bei Austerlitz. Der Ort hatte Einquartierung durchmarschierender Truppen; im Pfarrhof zechten Offiziere, einer ritt - so berichtet der Pfarrer - voll Übermut mit dem Pferd die Stiege hinauf in das Speisezimmer. 1809 sah Bernhardsthal die Franzosen zum zweiten Mal. Im Frühjahr waren sie zwar bei Aspern besiegt worden, hatten sich mühsam nur bei Wagram durchgesetzt, dennoch behielten sie das Land im Griff. Viereinhalb Monate waren sie in Bernhardsthal einquartiert. Eine zweite Entscheidung europäischen Maßstabs berührte den Ort in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts: der Ansatz zum preußischdeutschen Nationalstaat. Das Jahr 1866 brachte die Preußen - als Sieger von Königgrätz - auch nach Bernhardsthal: ebenfalls mit Einquartierung, damit als neuerliche Belastung, wenn auch als Soldaten mit gutem Benehmen beschrieben. Dass in diesem Jahrhundert ab 1831 auch die Cholera den Ort einige Male erfasste, zuletzt auch 1866, ergänzt das Bild. Dieses 19. Jahrhundert aber brachte mehr.
Das 19. Jahrhundert brachte, fußend noch in der Zeit der Aufklärung des 18., den Durchbruch jener sozialen und nationalen Strömungen, die unsere Gesellschaftsstruktur bis heute entscheidend bestimmen: Die Reformbestrebungen der Zeit Maria Theresias und Josephs II., nicht zuletzt die neue Wirtschaftsauffassung des Merkantilismus und der erweiterte und vertiefte Bildungsprozess hatten die Ausgangspositionen gebildet. Was nun folgte, war die wirtschaftliche Entwicklung mit dem Zug zu verstärkten Produktionszentren, neuen Verkehrsverbindungen und neuen Marktbereichen, die soziale Entwicklung im Rahmen des Zuges zur arbeitsteiligen Gesellschaft, die nationale Entwicklung mit neuen und neu vertieften Gruppenabgrenzungen. Auf den Barrikaden und in den Parlamenten der Jahre 1848 und 1849 verdichteten sich die Anliegen der Zeit. Der einsetzende Demokratisierungsprozess überwand das Untertänigkeitsverhältnis der Bauern, führte zur Grundentlastung, und er setzte zunehmend einschneidende soziale Markierungen in die expandierende kapitalistische Entwicklung. Die Kaiser-Ferdinands-Nordbahn, 1836 vom Kaiser genehmigt, ab 1839 auch über die den Ort passierende Teilstrecke in Betrieb, war Sinnbild des Anschlusses auch Bernhardsthals an die neue Entwicklung.
20. Jahrhundert
Dass diese neue Entwicklung nur über Krisen, die die Welt erschütterten, vorwärts schritt, sollte das 20. Jahrhundert schmerzlich erkennen lassen. Extrem-Strömungen, nationalem wie wirtschaftlichem und sozialem Nährboden entsprungen, führten sie herbei. Zwei große Kriege gingen über Europa und die Welt hinweg. Sie ließen Gegner auftreten, die einander immer weiter über die Fronten hinausgreifend tödlich erfassen wollten, bis in die wirtschaftlichen Basen, bis in die Widerstandskraft auch im zivilen Bereich, und die in ihrer Zerstörungsstrategie die Technik als entscheidende Waffe bis in ihre damals letzten Möglichkeiten einsetzten. Auch Bernhardsthal hatte seinen Zoll zu zahlen. Auf den Kriegsschauplätzen beider Kriege fanden Bernhardsthaler ferne Gräber. Der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn war schon nach dem Ersten Krieg untergegangen, und Bernhardsthal sah sich ab 1918 erneut an einer einschneidenden Grenze. Dass diese Grenze 1938 eine Verschiebung erfuhr, erwies sich als ebenso kurzlebiges Phänomen wie das unter extremen Vorzeichen in Expansion geratene Deutsche Reich. Bomben, Front und Besatzung bezogen im Zweiten Weltkrieg auch Bernhardsthal selbst nochmals in unmittelbares Kriegsgeschehen ein. Dennoch steuerte der Ort nach 1945 in eine eindrucksvolle Phase des friedlichen Aufbaues.
Noch einmal streift unser Blick den Platz- Wo die Thaya als Grenzfluss ihre Bögen zieht, wo Kiefern- und Eichenbestände ihre Ufer säumen und südwärts sich zur Au öffnen, dehnt sich landeinwärts fruchtbare Ebene - an ihren Rändern Hügelketten, in ihrer Mitte der Ort. Unter seinen Dächern der stetige Wechsel einander ablösender Generationen. Was verbindet diese Generationen im Längsschnitt ihrer Geschichte? Sicher die dem Platz zugewandte Interessenlage. Aber sicher auch mehr: die quer durch die Jahrhunderte führende Abforderung von Entscheidungen unter denselben örtlichen Voraussetzungen, Entscheidungen der Tat wie der Haltung, Entscheidungen unter dem Druck der Umstände und dennoch in der Freiheit innerer Stellungnahme, Entscheidungen, die zugleich eine Frage der Bewährung waren - vor sich selbst, vor der Gemeinschaft, vielleicht im Anruf des Letzten. Nicht wenige hier haben in der Vergangenheit die Probe bestanden. Dass sich dies in der Zukunft nicht ändern möge, bleibt unser Wunsch zur 800-Jahr-Feier Bernhardsthals.
Literaturverzeichnis:
H. Adler: Die erste planmäßige Ausgrabung einer germanischen Siedlung in Österreich. In: Kultur NO Berichte. Wien Februar 1977, S. 10f,
Karl Gutkas: Geschichte des Landes Niederösterreich. 3. Auflage. St. Pölten 1973.
Franz Hlawati-. Bernhardsthal. Beitrag zur Geschichte eines niederösterreichischen Grenzortes. Wien 1938.
Kamil Krofta: Deiny Ceskoslovenske'. Praha 1946.
Kamil Krofta: Geschichte der Tschechoslowakei. Berlin 1932.
Ervin Pamlenyi (Red.).- Die Geschichte Ungarns. Budapest 1971.
Anton Schultes: Deutsch-slawische Nachbarschaft an der March. Wien 1954.
Robert Franz Zelesnik: Heimatbuch der Marktgemeinde Bernhardsthal. Wien 1976.
Erich Zöllner: Geschichte Österreichs. 4. Auflage. Wien 1971.